Taxibetriebe fühlen sich durch Mietwagenfirmen wie Uber benachteiligt. Leipzig wollte mit einem Mindestbeförderungsentgelt gegensteuern – doch das Verwaltungsgericht Leipzig hat die Regelung gekippt. Was bedeutet das Urteil für den Markt? Rechtswissenschaftler Thomas Bremer ordnet die Entscheidung im Interview ein.
Herr Bremer, Leipzig wollte mit einem Mindestbeförderungsentgelt den Taxiverkehr schützen. Das Verwaltungsgericht hat die Regelung nun für rechtswidrig erklärt. War das absehbar?
Thomas Bremer: Ja, das war durchaus erwartbar. Das Gericht hat in seiner Entscheidung betont, dass Städte nur unter engen Voraussetzungen in den Wettbewerb eingreifen dürfen. Zwar hält das VG Leipzig Mindestbeförderungsentgelte für Mietwagenunternehmen grundsätzlich für möglich, doch die konkrete Umsetzung der Stadt Leipzig war rechtlich nicht haltbar.
Woran genau ist die Leipziger Regelung gescheitert?
Bremer: Es gab mehrere Probleme. Erstens war das festgelegte Mindestentgelt schlicht unverhältnismäßig hoch – mehr als das Dreifache eines vergleichbaren Tickets im öffentlichen Nahverkehr und sogar 75 % über dem Taxitarif für eine ein Kilometer lange Strecke. Das Gericht sah darin einen Ermessensfehler, weil nicht nachvollziehbar war, warum Mietwagenunternehmen höhere Tarife haben sollten als Taxis.
Zweitens hat Leipzig versucht, das Mindestbeförderungsentgelt über eine Verwaltungsrichtlinie und später über eine individuelle Auflage in einer Genehmigung durchzusetzen. Beides reicht rechtlich nicht aus.
Das Gericht hält Mindestbeförderungsentgelte dennoch grundsätzlich für zulässig – ein Widerspruch?
Bremer: Tatsächlich argumentiert das VG Leipzig, dass sich solche Entgelte aus § 51a des Personenbeförderungsgesetzes (PBefG) ableiten lassen. Die Vorschrift erlaubt tarifbezogene Regelungen, wenn sie dem „Schutz der öffentlichen Verkehrsinteressen“ dienen. Das Gericht zählt dazu auch die Funktionsfähigkeit des Taxigewerbes und beruft sich auf ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts von 1989.
Ist diese Argumentation angesichts der heutigen Mobilitätslandschaft noch zeitgemäß?
Bremer: Genau das ist der Knackpunkt. Die Verhältnisse haben sich seit den 80er-Jahren radikal verändert. Digitale Vermittlungsplattformen sind heute Standard, und viele Fahrgäste bevorzugen Mietwagen, weil sie einfach per App buchbar und digital bezahlbar sind. Das Argument, das Taxigewerbe müsse aus übergeordnetem öffentlichen Interesse geschützt werden, ist in dieser Form überholt.
Sehen Sie auch rechtliche Schwächen in der Argumentation des Gerichts?
Bremer: Ja, aus mehreren Gründen. Erstens sieht § 51a PBefG vor, dass ein Mindestentgelt abstrakt-generell für den gesamten Mietwagenverkehr festgelegt werden muss – nicht individuell für einzelne Unternehmen. Leipzig hat hier rechtswidrig gehandelt.
Zweitens fehlt eine klare Rechtsgrundlage für eine solche Regelung. Städte können allgemeine Vorschriften nur per Satzung, Verordnung oder Allgemeinverfügung erlassen – das hat Leipzig nicht getan.
Drittens darf der Schutz der öffentlichen Verkehrsinteressen nicht mit dem Schutz einer bestimmten Branche verwechselt werden. Laut § 8 Abs. 2 PBefG stehen Mietwagen- und Taxiverkehr gleichwertig nebeneinander.
Und viertens ist das Mindestbeförderungsentgelt auch unionsrechtlich problematisch. Es schränkt die Niederlassungsfreiheit nach Art. 49 AEUV ein, und der Europäische Gerichtshof hat bereits entschieden, dass der Schutz des Taxigewerbes kein legitimes Ziel für solche Eingriffe ist.
Was bedeutet das Urteil für andere Städte, die ähnliche Maßnahmen planen?
Bremer: Das Urteil setzt enge Grenzen für künftige Mindestbeförderungsentgelte. Einige Städte haben bereits reagiert: Düsseldorf etwa verzichtet darauf, will aber die ordnungsrechtliche Überwachung von Mietwagenunternehmen verschärfen. Nordrhein-Westfalen geht sogar noch weiter – dort werden seit dem 1. Januar 2025 Fahrten mit Uber & Co. nicht mehr über die Mobilitätsgarantie NRW erstattet.
Ist das rechtlich zulässig?
Bremer: Höchst fragwürdig. Städte dürfen ordnungsrechtliche Maßnahmen nicht nutzen, um Marktverhältnisse zu verschieben. Die NRW-Regelung könnte außerdem kartellrechtlich problematisch sein – es gibt Anzeichen für wettbewerbswidrige Absprachen und einen Missbrauch der marktbeherrschenden Stellung kommunaler Verkehrsunternehmen.
Was wäre aus Ihrer Sicht der richtige Weg?
Bremer: Statt marktverzerrender Eingriffe braucht es eine moderne Regulierung, die den Wettbewerb zulässt und gleichzeitig faire Bedingungen schafft. Der Markt für Fahrdienstleistungen hat sich grundlegend gewandelt – die Regulierung muss sich daran anpassen, anstatt künstlich alte Strukturen zu stützen.
Herr Bremer, vielen Dank für das Gespräch.
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