Wird die Schutzfähigkeit eines minimalistisch gestalteten Stahlrohrtischgestells durch diagonal angebrachte Kreuzstreben begründet, liegt in einem Tischgestell mit Senkrechtstellung der Streben keine urheberrechtswidrige Entstellung dieses Modells. Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (OLG) hat mit heute verkündeter Entscheidung Schadensersatzansprüche wegen Verletzung des Urheberpersönlichkeitsrechts zurückgewiesen.
Die Kläger sind die Kinder eines bekannten deutschen Architekten, der 1953 ein verschweißtes Stahlrohrtischgestell mit mittiger, schrägliegender Kreuzverstrebung entworfen hatte. Ein Assistent des Architekten wollte mit einem solchen Tischmodell umziehen. Um es für den Umzug mit seinem Fahrzeug, einer sog. Ente, transportabel zu gestalten, beauftragte er einen Schlossermeister. Dieser zersägte den Tisch und entwickelte eine alternative zur Wiederverbindung der Kreuzstreben. Dabei entstand das später als „E2“ benannte Tischgestell. Die ursprünglich schräge Kreuzverstrebung wurde beim Modell „E2“ durch senkrecht gestellt, wodurch die praktische Verwendbarkeit des Tischgestells erhöht wurde. Das vom Schlossermeister konstruierte Tischgestell ging Mitte der sechziger Jahre in die Serienproduktion und wird von der Beklagten vertrieben.
Die Kläger begehren nun von der Beklagten Schadensersatz. Sie meinen, die Gestaltung des Tischgestells der Beklagten entstelle bzw. beeinträchtige in urheberrechtswidriger Weise das ursprünglich von ihrem Vater geschaffene Modell. Das Landgericht hatte die Klage abgewiesen. Auch die Berufung hatte vor dem OLG keinen Erfolg.
Die Kläger könnten nicht Schadensersatz wegen der behaupteten Entstellung bzw. Beeinträchtigung des Werks ihres Vaters verlangen, führte das OLG aus.
Unerheblich sei, dass das Urstück des angegriffenen Modells durch einen körperlichen Eingriff in Form des Zersägens und Neuzusammensetzens des ursprünglichen Tischmodells des Architekten entstanden sei. Die Kläger wendeten sich nicht gegen die Herstellung oder den Vertrieb dieses Urstücks, sondern gegen den Nachbau. Für diesen sei es unerheblich, ob das Gestell damals tatsächlich oder aber nur in der Vorstellung zerlegt worden sei.
Das Modell „E2“ greife auch nicht in den „geistig-ästhetischen Gesamteindruck des Gestells“ von 1953 ein. Die „Einordnung des Gestells 1953 als urheberrechtlich schutzfähiges Werk (kann) nur aufgrund der diagonal angebrachten Kreuzstreben begründet werden“, begründete das OLG. Diese diagonale Kreuzverstrebung fehle jedoch gerade beim Modell „E2“. Die insgesamt minimalistische Gestaltung sei zwar ebenfalls für das Tischgestell von 1953 prägend, als Stil jedoch nicht eigenständig schutzfähig. Soweit das Modell „E2“ ebenfalls eine minimalistisch wirkende Stahlrohrkonstruktion eines Tischgestells aufweise, werde damit allein ein nicht geschützter Stil übernommen.
Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 29.11.2022, Az. 11 U 139/21
(vorausgehend Landgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 22.9.2021, Az. 2-06 O 40/21)
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