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Stellungnahme zu der Inanspruchnahme der Vermittler der AVG Altersvorsorgegenossenschaft eG  

geralt (CC0), Pixabay
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Wer unseren Internetblog verfolgt, der wird sich sicherlich auch noch unsere Berichterstattung zum Thema AVG Altersvorsorgegenossenschaft erinnern. Nun werden wohl einige Vermittler in Anspruch genommen, was uns bewegt hat, einmal mit dem Rechtsanwalt Kontakt aufzunehmen, der bereits viele Vermittler in dem Verfahren vertritt. Hier seine Stellungnahme:

Die Situation bei der AVG Altersvorsorgegenossenschaft eG i.L. ist weiterhin ungeklärt. Üblicherweise waren in den Betrugsgeschichten der letzten Jahren, sei es Prosavus AG, Geno Wohnbaugenossenschaft eG, Lombard Classic, Erste Oderfelder Beteiligungsgesellschaft, S & K- Gruppe nach 4 -jähriger Ermittlung bereits Erkenntnisse aus den strafrechtlichen Ermittlungen bekannt oder mitunter auch schon Anklage gegen die Verantwortlichen erhoben. Die Ermittlungen bei der  AVG scheinen hingegen ins Stocken geraten zu sein. Für Mitte des Jahres sind Änderungen seitens der Vorstandschaft der AVG angekündigt. Ob diese Änderungen erfolgen werden, bleibt abzuwarten.

Dennoch werden seit Ende 2021 nun auch die Vermittler verstärkt mit außergerichtlichen Schadensersatzforderungen überzogen. Hervor sticht hierbei insbesondere Herr Rechtsanwalt Stephan J. Bultmann von der BPS Bultmann Partnerschaft. BEMK Rechtsanwälte liegt mittlerweile eine zweistellige Zahl dieser an die Vermittler gerichteten außergerichtlichen Inanspruchnahmeschreiben vor.

Auffallend hierbei ist, dass die jeweils 9-seitigen Inanspruchnahmeschreiben sich inhaltlich weitestgehend gleichen. Ausgetauscht wurden jeweils nur die Namen der Anleger, die Höhe der Forderung, die Bankverbindung, das Zeichnungsdatum wie auch die einzuhaltenden Fristen. Im Hinblick auf einzelne bei der AVG abstrakt dargestellten Risiken mag der gleich lautende Inhalt der Inanspruchnahmeschreiben noch nachvollziehbar sein. Spätestens jedoch bei der Schilderung der Anlageziele und der konkreten Beratungssituation wird offensichtlich, dass die Inanspruchnahmeschreiben nicht an den tatsächlichen individuellen Sachverhalt angepasst wurden.

So wird in den Schadensersatzschreiben jeweils gleichlautend behauptet, dass das Interesse des jeweiligen Anlegers auf eine konservative Anlagestrategie ausgerichtet war.  Weiter identisch heißt es jeweils, dass der Anleger auf der Suche nach einer Kapitalanlage zur ergänzenden Altersvorsorge war, bei welcher der Kapitalerhalt sichergestellt sein sollte. Diese immer gleich lautenden Behauptungen halten einer Überprüfung nicht stand.

Es kann nahezu ausgeschlossen werden, dass jede Vermittlung/ Beratung gleich abgelaufen und die Anleger jeweils exakt die gleichen konservativen Anlageziele hatten. Die bereits mit den Vermittlern gehaltenen Rücksprachen und die Unterlagensituation zeigen mitunter ein ganz anderes Bild.

Da es in den außergerichtlichen Inanspruchnahmeschreiben schlichtweg an einem Bezug zum konkreten Sachverhalt fehlt, ist eine Überprüfung der geltend gemachten Schadensersatz-forderung nicht bzw. nur schwer möglich. Werden solche pauschalen Sachverhaltsschilderungen im Rahmen einer Klageschrift vorgetragen, neigen die Gerichte mitunter entsprechende Klagen als unsubstantiiert abzuweisen.

Auffällig ist weiter, dass nach den Ausführungen in den Inanspruchnahmeschreiben keiner der Anleger jemals Erfahrungen mit unternehmerischen Beteiligungen gehabt haben möchte.  Auch insofern ist ein inhaltlich identischer Textbaustein in die jeweilige Schadensersatzforderung eingebaut. Auch diese Behauptung kann teilweise durch vorliegende Zeichnungshistorien widerlegt werden. Gleiches gilt auch hinsichtlich der Behauptung, dass eine Beratungsdokumentation nicht erstellt wurde. Auch dies soll – so die inhaltgleichen Behauptungen in den Inanspruchnahmeschreiben – in keinem Fall erfolgt sein.

Auf Grund dieser inhaltsgleichen Inanspruchnahmeschreiben ist nicht erkennbar, ob die geschuldete individuelle Prüfung der Erfolgsaussichten überhaupt stattgefunden hat. Die entsprechenden Schadensersatzforderungsschreiben setzen sich jedenfalls nicht mit der konkreten Beratungssituation auseinander.

In diesem Zusammenhang ist auch eine Rundmail der BPS Bultmann Partnerschaft an die Anleger von bedeutendem Interesse. Im Rahmen dieses Schreibens wird den Anlegern empfohlen trotz persönlicher/freundschaftlicher Verbundenheit zu den Vermittlern, diese in Anspruch zu nehmen. Wörtlich heißt es dort: „Deswegen empfehlen wir nachdrücklich, auch die Berater/Vermittler in Regress zu nehmen.“ Begründet wird diese Empfehlungen damit, dass die Chancen als relativ positiv eingeschätzt werden, zumal die Berater – so die weiteren Ausführungen im Rahmen dieser Rundmail  –  über Haftpflichtversicherungen verfügen dürften, welche im Haftungsfall eintreten.

Festzuhalten ist bei der Rundmail zunächst erneut, dass eine Auseinandersetzung mit dem individuellen Sachverhalt nicht erfolgt, sondern die Erfolgsaussichten für alle Fälle einheitlich beurteilt werden. Einer Überprüfung hält insbesondere auch die pauschale Behauptung, dass die Vermittler über Versicherungen verfügen, welche einstandspflichtig seien, nicht stand. Diese Ausführungen sind aus mehreren Gründen zumindest fraglich bzw. nicht haltbar. Es bleibt bereits unklar, woher die BPS Bultmann Partnerschaft diese Kenntnis über die Einstandspflicht haben möchte. Eine Auskunftspflicht über das Bestehen einer Haftpflichtversicherung besteht nicht, auch wenn in den außergerichtlichen Inanspruchnahmeschreiben entsprechende Auskünfte verlangt werden. Jedenfalls dürfte auf Basis der inhaltlichen Ausführungen im Rahmen der außergerichtlichen Inanspruchnahmeschreiben die Eintrittspflicht der Haftpflichtversicherung sogar regelmäßig ausscheiden.

Die Vermögensschadenshaftpflichtversicherung für Vermittler wurde erst zu einem Zeitpunkt zur Pflichtversicherung, als einige Anleger bereits der AVG beigetreten waren. In diesem Fall ist allein wegen der zeitlichen Komponente kein Versicherungsschutz vorhanden. Weiter befinden sich in den Versicherungs-bedingungen der Haftpflichtversicherer mitunter inhaltliche Ausschlüsse für die Vermittlung von Genossenschaftsanteilen bspw. durch Einbettung eines Verweises auf § 1 Abs. 11 Nr. 2 KWG. Die Regelung in § 1 Abs. 11 Nr. 2 KWG verweist zwar auf § 1 Abs. 2 des VermAnlG, nimmt  hierbei aber explizit die Anteile an der Genossenschaft aus.

Weiterer und unter Fachanwälten weithin bekannter Ausschlussgrund ist auch die wissentliche Pflichtverletzung. Auch insofern kann nach den Ausführungen im Rahmen der Inanspruchnahmeschreiben der Versicherungsschutz verwehrt werden. Wesentlich gravierender und Anlegerschutzanwälten auch hinreichend bekannt sein dürfte jedoch, dass bedingungsgemäßer Versicherungsschutz Anlageberatern nur bei der Erstellung einer Beratungsdokumentation, welche gewisse Mindestangaben beinhalten muss, gewährt wird. So wird seitens der Haftpflichtversicherer regelmäßig eine Dokumentation der Anlageziele, der Prospektübergabe und der Aufklärung über die wesentlichen Risiken zur Bedingung für die Gewährung von Versicherungsschutz gemacht. Nimmt man nun die seitens der BPS Bultmann Partnerschaft an die Vermittler gerichteten Schadensersatzschreiben, in welchen durchgängig behauptet wird, dass eine Beratungsdokumentation nicht angefertigt worden sei, führt dies wiederum dazu, dass die im Rahmen der Rundmail relativ positiv skizzierten Erfolgsaussichten mangels hinter den Vermittler stehenden Haftpflichtversicherungen nicht bestehen.

Tatsächlich wurde bisher in keinem der zahlreichen Fälle Abwehr-und/oder Kostenschutz für die Vermittlung der Genossenschaftsanteile seitens des Haftpflichtversicherers gewährt. Die Erfolgsaussichten sind daher – unabhängig von den weiteren prozessualen und materiellen Hürden – alles andere als rosig. Fast ausnahmslos werden durch die BPS Bultmann Partnerschaft Ansprüche von mehreren Anlegern gegen ein und denselben Vermittler geltend gemacht.

Regelmäßig sehen sich die Vermittler daher allein durch die von der BPS Bultmann Partnerschaft vertretenen Anleger mit Schadensersatzansprüchen im sechstelligen Bereich konfrontiert. Dass die Vermittler diese Ansprüche nicht bedienen können, liegt auf der Hand. Von entscheidender Bedeutung kann daher sein, welcher der vertretenen Anleger zuerst bedient wird, was einerseits abhängig vom Gericht aber auch von der Bearbeitung durch ihre Prozessbevollmächtigten ist. Insofern besteht daher zwischen den Mandatsverhältnissen von Anlegern die über BPS Bultmann Partnerschaft gegen ein und denselben Vermittler Schadensersatzansprüche geltend machen, eine aufklärungspflichtige Interessenskollision.

Diese Interessenkollision dürfte nur aufzulösen sein, indem von jedem Anleger eine Einverständniserklärung in Textform eingeholt wird (§ 3 Abs. 2 S. 3 BORA), in welcher die betroffenen Anleger explizit erklären, dass sie sich trotz der widerstreitenden Interessen nach umfassender Information mit der Vertretung ausdrücklich einverstanden erklären. Ob entsprechende Hinweise an die Anleger erfolgt sind, ist nicht bekannt. In vielen Fällen dürfte die Erhebung einer Klage aber jedenfalls bereits aussichtslos sein, da die ersten Klageverfahren gegen die Vermittler durch verschiedene Kanzleien bereits laufen.

De facto besteht daher eine nicht unerhebliche Gefahr, dass die Anleger unabhängig vom Ausgang des Verfahrens auf den anfallenden Rechtsanwalts- und Gerichtskosten sitzen bleiben.

Bei einer Forderung in Höhe von 50.000,00 sind allein vom Anleger bei einem Verfahren über zwei Instanzen Kosten in Höhe von über EUR 12.000,00 vorzustrecken. Auf diesen bleibt der Anleger selbst dann sitzen, wenn die eher unwahrscheinliche Variante eines Obsiegens vor Gericht eintritt, der Vermittler aber nicht bzw. nicht mehr wirtschaftlich leistungsfähig ist. Geht die Klage verloren kommen etwa weitere EUR 8.000,00 hinzu.

In diesem Zusammenhang kann beispielhaft auf eine aktuell beim Landgericht Potsdam anhängige Klage gegen einen bereits im Jahr 2020 verstorbenen Vermittler verwiesen werden. Die Klage gegen den verstorbenen Vermittler ist mangels Parteifähigkeit eines Toten unzulässig. Die Kosten der Klageerhebung hat die dortige Klagepartei zu tragen.

Sollte ein Anleger – trotz der unklaren Vollstreckungsaussichten  – den weitgehenden Schritt einer Klageerhebung ergreifen, muss er auch in Bezug auf die materiellen und prozessualen Hürden eine erhebliche Risikobereitschaft mitbringen. So obliegt dem Anleger im Schadensersatzverfahren die Beweislast für die behauptete Falschberatung. Zunächst einmal muss der Beweis erbracht werden, dass überhaupt ein Beratungs- oder Vermittlungsvertrag zustande gekommen ist, was auf Grund der oftmals erfolgten selbstständigen Nachzeichnungen bereits in einigen Verfahren fraglich ist. Weiter muss aber auch der Beweis erbracht werden, dass eine entsprechende Risikoaufklärung nicht stattgefunden hat. Diese Hürde kann regelmäßig nur durch die Vernehmung von unparteiischen Zeugen erbracht werden, was meist schon daran scheitert, dass viele Vermittlungen telefonisch stattgefunden haben. Regelmäßig werden in solchen Verfahren daher die Ansprüche unter Verweis auf die Beweislastverteilung abgewiesen. Ferner ist zu berücksichtigen, dass auch ein erheblicher Anteil der im Rahmen der Inanspruchnahmeschreiben skizzierten Aufklärungspflichten nicht bestehen dürfte. So ist eben nur über wesentlichen Risiken, mit deren Eintritt ernsthaft gerechnet werden muss, aufzuklären. Über allgemein bekannte Risiken, wie beispielsweise mögliche zukünftige Verfehlungen der Verantwortlichen, muss hingegen nicht aufgeklärt werden.

Im Ergebnis sind die Erfolgsaussichten von Klagen der Mitglieder der AVG Altersvorsorgegenossenschaft eG i.L. gegen die Vermittler also keinesfalls so positiv wie dies dargestellt wird.

Dem einen oder anderen Anleger dürfte auch erst nach Zustandekommen des Mandats mit der BPS Bultmann Partnerschaft bewusst geworden sein, dass mit dem Widerruf des Genossenschaftsbeitritts nicht das gewünschte Ergebnis zu erzielen ist, auch wenn die Versprechungen zunächst vielversprechend erschienen.

Aber auch das jetzt initierte Umschwenken auf die Schadensersatzansprüche gegen die Vermittler wird voraussichtlich aus den verschiedensten vorangeführten Gründen nur in den wenigsten Einzelfällen zum gewünschten Ergebnis führen.

Manuel Kovacic

Rechtsanwalt

Fachanwalt f. Bank- und Kapitalmarktrecht

BEMK Rechtsanwälte

Blazek Ellerbrock Malar Kronsbein PartGmbB

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