Auf Klage der Verbraucherzentrale NRW hat das Oberlandesgericht Düsseldorf in einem grundlegenden Urteil eine Klausel zur Preisanpassung des Energieversorgers Stromio GmbH verworfen. Kunden sollten einer Jahresrechnung rechtzeitig widersprechen.
Wenn Stromlieferanten ihre Preise aufgrund gestiegener oder neu eingeführter Steuern, Abgaben oder Umlagen bzw. „hoheitlicher Belastungen“ erhöhen, haben Kunden ein gesetzliches Sonderkündigungsrecht. Diese Rechtsauffassung der Verbraucherzentrale NRW hat das Oberlandesgericht Düsseldorf (OLG) mit Urteil vom 5. Juli 2016 (Az. I-20 U 11/16) bestätigt. Die Vorschrift des Paragrafen 41 Absatz 3 Satz 2 Energiewirtschaftsgesetz (EnWG), die den Kunden nach ihrem Wortlaut bei einer Änderung der „Vertragsbedingungen“ ein fristloses Kündigungsrecht einräumt, gelte auch für Preisänderungen. Dies hätten bereits sowohl der Europäische Gerichtshof als auch der Bundesgerichtshof (BGH) so gesehen. Auch der Gesetzgeber habe dies für Kunden in der Grundversorgung so geregelt. Mithin handele es sich bei „hoheitlichen Belastungen“ um Kostenelemente bzw. Kalkulationsbestandteile des Strompreises, bei deren Änderung der Kunde ein Sonderkündigungsrecht habe.
Das OLG Düsseldorf weist darauf hin, dass der Stromlieferant sogar verpflichtet sei, seine (potentiellen) Kunden nicht nur bei einer Preisänderung, sondern bereits vor Abgabe von deren Vertragserklärung über die Kündigungsmöglichkeiten zu informieren.
Das OLG hat eine Klausel in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Stromio GmbH für unwirksam erklärt, die den Kunden bei Weitergabe der „hoheitlichen“ Belastungen ihr Kündigungsrecht vorenthielt. Damit wurde das Urteil des Landgerichts Düsseldorf (22.Oktober 2015, Az. 14d O 4/15) bestätigt. Das OLG Düsseldorf hat jedoch die Revision zugelassen. Legt Stromio Rechtsmittel ein, muss der Bundesgerichtshof klären, ob derartige Klauseln wirksam sind. Falls der BGH das Urteil bestätigt, können Kunden mit Erfolg Geld aus Preiserhöhungen zurückverlangen, die sich auf diese unzulässige Klausel stützten.
Urteil von grundsätzlicher Bedeutung
Aus Sicht der Verbraucherzentrale hat das Urteil des OLG Düsseldorf grundsätzliche Bedeutung. „Hoheitliche Belastungen“ wie Steuern, Abgaben und Umlagen machen inzwischen mehr als 50 Prozent des Strompreises aus. In der Energiebranche finden sich vermehrt Vertragsklauseln, die das gesetzliche Sonderkündigungsrecht des Kunden bei Preisänderungen aufgrund dieser „staatlichen“ Faktoren ausschließen. Damit können Anbieter ihre Preise erhöhen, ohne dass Kunden kündigen und den Energieversorger wechseln können. Zweck der gesetzlichen Regelung des § 41 Abs. 3 EnWG ist es jedoch, dem Kunden eine Reaktion auf jegliche Vertragsänderung und Preisänderung zu ermöglichen.
Widerspruch binnen drei Jahren
Um ihre Rechte für den Fall zu wahren, dass der Richterspruch rechtskräftig wird, müssen Kunden rechtzeitig Widerspruch gegen eine Jahresrechnung einlegen. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs können sie einer Rechnung binnen drei Jahren rückwirkend auf den Tag genau widersprechen. Gegen eine Jahresrechnung vom 15. Juli 2013 könnte man daher noch bis zum 15. Juli 2016 widersprechen.
Daneben ist die Verjährungsfrist zu beachten. Ende 2016 verjähren die Ansprüche aus Rechnungen von 2013. Das ist interessant, weil allein die EEG-Umlage von 3,59 Cent je Kilowattstunde (ct/kWh) im Jahr 2012 auf 5,28 ct/kWh in 2013 stieg. Einen weiteren Anstieg auf 6,24 ct/kWh gab es im Jahr 2014. Derzeit beträgt die EEG-Umlage 6,354 ct/kWh. Kunden, die Geld aus Rechnungen von 2013 zurückhaben möchten, bleibt noch bis Ende 2016 Zeit, die Verjährung zum Beispiel durch eine Klage zu verhindern.
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Versorger muss verschiedene Zahlungsweisen anbieten
Das Landgericht Düsseldorf hatte auch das Vorgehen der Stromio GmbH beanstandet, wonach Verbraucher beim Bestellvorgang zwingend eine Einzugsermächtigung erteilen müssen. Nach den gesetzlichen Vorschriften (§ 41 Abs. 2 Satz1 EnWG) müssen Anbieter den Kunden vor Vertragsschluss stets verschiedene Zahlungsmöglichkeiten anbieten.
Auch wenn eine Einzugsermächtigung bzw. SEPA-Lastschrift eine sichere und bequeme Zahlungsart ist, muss der Stromversorger dennoch zum Beispiel ermöglichen, dass Rechnungen bzw. Abschläge per Überweisung bezahlt werden können. Die Stromio GmbH hatte zunächst auch dagegen Berufung eingelegt; das Oberlandesgericht wies jedoch darauf hin, dass die Rechtslage zugunsten der Verbraucherzentrale „sonnenklar“ sei. Die Gesellschaft nahm deshalb in diesem Punkt die Berufung wieder zurück.
Quelle: VZ BV
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