Der südkoreanische Präsident Yoon Suk Yeol wird das gegen ihn gerichtete Amtsenthebungsverfahren voraussichtlich überstehen, nachdem Abgeordnete seiner regierenden Partei die Abstimmung im Parlament boykottiert haben. Doch obwohl er diese Hürde nimmt, bleibt die Zukunft des Präsidenten unsicher, und der politische Druck auf ihn wächst weiter.
Abbruch des Amtsenthebungsverfahrens
Am Samstag verließen zahlreiche Abgeordnete der regierenden People Power Party (PPP) demonstrativ den Plenarsaal, bevor über die Amtsenthebung Yoons abgestimmt werden konnte. Nur zwei Abgeordnete der Regierungspartei blieben, wodurch das Quorum von mindestens 200 Abgeordneten nicht erreicht wurde. Oppositionelle Abgeordnete warfen den Boykottierenden Feigheit vor und forderten sie lautstark auf, in den Saal zurückzukehren.
Da weniger als zwei Drittel der Abgeordneten an der Abstimmung teilnahmen, war das Verfahren praktisch wirkungslos. Sollte die Amtsenthebung wie erwartet scheitern, wäre der frühestmögliche Termin für eine erneute Abstimmung der 11. Dezember 2024.
Draußen vor der Nationalversammlung demonstrierten Tausende von Menschen sowohl für als auch gegen Yoon, was die Spaltung des Landes angesichts der aktuellen Krise unterstreicht.
Entschuldigung und politische Folgen
Präsident Yoon entschuldigte sich am Samstag in einer zweiminütigen Rede erstmals öffentlich für die politische Krise, die durch seine kurzzeitige Verhängung des Kriegsrechts ausgelöst wurde.
„Diese Erklärung des Kriegsrechts war eine verzweifelte Maßnahme als letztverantwortliche Person für die Angelegenheiten des Staates“, sagte Yoon. „Ich entschuldige mich aufrichtig bei den Bürgern, die schockiert und verängstigt gewesen sein müssen.“
Yoon räumte ein, dass die Verhängung des Kriegsrechts die politische Situation destabilisiert und Ängste geschürt habe. Er versprach, keine zweite derartige Maßnahme zu ergreifen, und kündigte an, seine Partei mit der Stabilisierung der politischen Lage zu betrauen.
Hintergrund: Kriegsrechtserklärung und Rücknahme
Die Krise begann am späten Dienstagabend, als Yoon in einer überraschenden Fernsehansprache das Kriegsrecht ausrief. Er warf der oppositionellen Demokratischen Partei (DP) vor, mit Nordkorea zu sympathisieren und „staatsfeindliche Aktivitäten“ zu unterstützen. Anlass war ein Antrag der DP, hochrangige Staatsanwälte zu entlassen und den Haushaltsvorschlag der Regierung abzulehnen.
Doch bereits sechs Stunden später musste Yoon die Anordnung zurückziehen. Abgeordnete der Opposition hatten sich gewaltsam Zugang zum Parlament verschafft und das Dekret einstimmig aufgehoben.
Vorwürfe gegen Yoon: Machtmissbrauch und Verhaftungspläne
Neue Details über Yoons Pläne während der Kriegsrechtsphase sorgen für weiteren Aufruhr. Berichten zufolge instruierte er den stellvertretenden Direktor des nationalen Geheimdienstes telefonisch, bestimmte politische Gegner festzunehmen und „alles zu säubern“. Dazu gehörten sowohl führende Mitglieder der Demokratischen Partei wie Lee Jae-myung als auch der Vorsitzende seiner eigenen Partei, Han Dong-hoon.
Diese Enthüllungen lösten eine Welle der Empörung aus, auch innerhalb der eigenen Reihen des Präsidenten. Han Dong-hoon forderte Yoons sofortige Suspendierung und erklärte, der Präsident stelle eine „ernsthafte Gefahr für das Land“ dar.
Tiefe Spaltung des Landes
Die Verhängung des Kriegsrechts – auch wenn sie nur kurzzeitig war – hat in Südkorea historische Traumata wieder aufleben lassen. Das Land erlitt in der Vergangenheit unter den Militärdiktaturen der 1980er-Jahre erhebliche Repressionen, und das heutige demokratische System ist das Ergebnis jahrzehntelanger, oft blutiger Kämpfe.
Tausende Südkoreaner gingen in den vergangenen Tagen auf die Straße, um Yoons Rücktritt zu fordern. Gleichzeitig gab es auch Demonstrationen von Unterstützern des Präsidenten, die seine harte Haltung gegen die Opposition begrüßen.
Was kommt als Nächstes?
Selbst wenn Yoon das Amtsenthebungsverfahren überlebt, ist seine politische Zukunft ungewiss. Der Druck aus der eigenen Partei und der Bevölkerung wächst weiter. Viele politische Beobachter halten es für unwahrscheinlich, dass Yoon bis zum Ende seiner Amtszeit regieren kann, ohne dass seine Position weiter geschwächt wird.
Han Dong-hoon, Vorsitzender der People Power Party, erklärte: „Es ist unmöglich, dass der Präsident seine normalen Amtsgeschäfte fortsetzt. Sein Rücktritt ist unausweichlich.“
Sollte die Opposition weiterhin nicht genug Unterstützung für ein erfolgreiches Amtsenthebungsverfahren erhalten, bleibt die politische Instabilität bestehen. Die tiefe Spaltung innerhalb des Parlaments und der Bevölkerung könnte Südkorea in eine anhaltende politische Krise stürzen.
Fazit
Die politische Situation in Südkorea bleibt angespannt. Präsident Yoon Suk Yeol hat zwar das aktuelle Amtsenthebungsverfahren voraussichtlich überstanden, doch die öffentliche und parteiinterne Unterstützung für ihn schwindet rapide. Seine Verhängung des Kriegsrechts, gepaart mit den Enthüllungen über mögliche Machtmissbräuche, könnte das Vertrauen in seine Führung irreparabel beschädigt haben. Südkorea steht vor einer ungewissen Zukunft, in der die Stabilität des Landes von den nächsten Schritten seiner politischen Akteure abhängt.
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