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Syrien nach dem Fall des Assad-Regimes: Verzweifelte Suche nach Vermissten im „Schlachthaus“-Gefängnis Saydnaya

OpenClipart-Vectors (CC0), Pixabay
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Am 10. Dezember 2024 blickte die Welt auf das berüchtigte Saydnaya-Gefängnis nördlich von Damaskus, das unter dem Regime von Baschar al-Assad zu einem Symbol für willkürliche Verhaftungen, Folter und Mord wurde. Der Sturz des syrischen Diktators am vergangenen Sonntag hat nicht nur Jubel ausgelöst, sondern auch eine Welle der Verzweiflung: Unzählige Syrerinnen und Syrer suchen fieberhaft nach Angehörigen, die in den letzten Jahrzehnten verschwunden sind.

Das „Schlachthaus“ von Saydnaya: Symbol des Grauens

Das Saydnaya-Gefängnis, auch bekannt als das „Schlachthaus“, war eines der berüchtigtsten Gefängnisse des Assad-Regimes. Laut Amnesty International wurden zwischen 2011 und 2015 bis zu 13.000 Menschen gehängt, meist ohne Gerichtsverfahren. Bereits seit den 1970er-Jahren diente das Gefängnis als Ort des Verschwindenlassens von Regimegegnern – ein Synonym für die brutale Repression des Assad-Regimes.

Nach dem Sturz Assads und seiner Flucht nach Russland gehörte Saydnaya zu den ersten Orten, die von den Rebellen unter die Lupe genommen wurden. Bilder von freigelassenen Gefangenen verbreiteten sich rasch in den sozialen Medien und lösten eine Welle von Hoffnung und Verzweiflung aus. Viele Angehörige strömten am Montag zum Gefängnis in der Hoffnung, endlich Klarheit über das Schicksal ihrer Lieben zu erhalten.

Die verzweifelte Suche nach der „roten Sektion“

Gerüchte über einen bislang unbekannten unterirdischen Bereich des Gefängnisses – die sogenannte „rote Sektion“ – führten am Montag zu chaotischen Szenen. Hunderte Menschen versammelten sich rund um das Gefängnis und forderten Zugang, um nach vermissten Angehörigen zu suchen. Viele trugen Fotos ihrer Liebsten bei sich, die sie seit Jahren nicht mehr gesehen hatten.

Eine Frau aus Dara’a, der Stadt, die als Ursprung der syrischen Revolution 2011 gilt, sprach mit CNN: „Die rote Sektion des Gefängnisses… sie haben versucht, dorthin zu gelangen. Es gibt keine Belüftung, und sie könnten alle sterben. Um Allahs Willen, helft ihnen!“

Freiwillige der Syrischen Zivilverteidigung, besser bekannt als Weißhelme, durchsuchten das Gefängnis mit speziellen Geräten und einem Spürhund. Doch trotz intensiver Bemühungen und dem Bohren durch Beton wurde kein Eingang zu weiteren Zellen gefunden. Später erklärten die Weißhelme in einer Stellungnahme, es gebe keine Beweise für bislang unentdeckte Bereiche oder versteckte Gefängniszellen. Sie forderten die Bevölkerung auf, keine Gerüchte in den sozialen Medien zu verbreiten.

Freilassungen und bittere Erkenntnisse

Die Organisation Association of Detainees and the Missing in Saydnaya Prison (ADMSP) gab bekannt, dass alle Gefangenen aus Saydnaya bereits am Sonntag freigelassen worden seien. Mounir Al-Fakir, ein ehemaliger Insasse und Mitbegründer der Organisation, erklärte, dass das Gefängnis lediglich über eine unterirdische Ebene verfüge und keine weiteren Schichten darunter zu vermuten seien. Schätzungen zufolge wurden etwa 3.000 Gefangene nach der Befreiung von Damaskus freigelassen.

Für viele Familien bleibt jedoch die Ungewissheit. In den staubigen Überresten des Gefängnisses suchten Menschen am Montag in Panik nach Dokumenten, Listen oder Hinweisen auf das Schicksal ihrer Angehörigen. Manche nutzten ihre Handytaschenlampen, um in der Dunkelheit durch die Zellen zu leuchten. Eine Frau hielt ein 12 Jahre altes Foto ihres Bruders in der Hand. „Er hat zwei Töchter und einen Sohn, den er nie gesehen hat. Wir wollen nur wissen, ob er tot oder lebendig ist. Gott allein weiß es.“

Der Preis der verlorenen Jahre

Für einige endet die Tortur mit einer ergreifenden, aber bittersüßen Wiedervereinigung. Suheil Hamawi, 61, verbrachte mehr als drei Jahrzehnte in syrischen Gefängnissen und kehrte am Montag in sein Dorf Chekka im Norden des Libanon zurück. „Es ist ein wunderschönes Gefühl“, sagte er gegenüber AFP. „Ich habe erkannt, dass Liebe und Familie immer noch existieren.“ Doch die lange Zeit der Trennung hinterlässt Spuren. „Ich habe Enkelkinder, aber ich habe mein Alter erst gespürt, als mich die Tochter meines Sohnes ‚Großvater‘ nannte. Da wurde mir klar, wie viel Zeit ich verloren habe.“

Ein Land in der Hoffnung auf Heilung

Der Sturz des Assad-Regimes hat Syrien an einen Wendepunkt gebracht. Saydnaya, einst ein Symbol für die Unterdrückung und Gewalt des Regimes, ist nun ein Schauplatz schmerzhafter Erinnerungen und verzweifelter Hoffnung. Während einige Familien wiedervereint wurden, bleibt das Schicksal Tausender weiterhin ungeklärt.

Die Befreiung von Saydnaya und die Aufarbeitung der Verbrechen des Assad-Regimes markieren einen Beginn für eine Nation, die Jahrzehnte der Unterdrückung, Folter und des Krieges durchlebt hat. Doch die Suche nach der Wahrheit und die Heilung der tiefen Wunden des Landes werden noch lange andauern.

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