Von der Lehman-Pleite betroffenen Anlegern der Citibank ebnet die Verbraucherzentrale NRW jetzt einen transparenten Weg zu Entschädigungszahlungen: In einem mit der Citibank abgestimmten Punktesystem können Betroffene Kulanzleistungen zwischen 30 und 80 Prozent des ursprünglichen Kaufwerts ihrer Zertifikate erhalten. Im Durchschnitt dürfte eine Entschädigung in Höhe von 50 Prozent des Kaufwertes der Lehman-Zertifikate erreicht werden.
Die Verbraucherschützer haben sich in einer Vereinbarung mit dem Kreditinstitut auf Regeln für die Auszahlung von Geldern an geschädigte Kunden verständigt. Mit den von der Citibank kalkulierten rund 27 Millionen Euro wird etwa ein Viertel aller betroffenen Anleger profitieren können. „Weil sich gerichtliche Klärungen lange hinziehen können sowie immer ein Prozess- und Kostenrisiko bergen, ist dies ein interessantes Angebot für all diejenigen, die nicht klagen wollen oder können“, erklärte NRW-Verbraucherzentralenvorstand Klaus Müller. Die Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesverbraucherschutzministerium, Ursula Heinen-Esser, wird das Verfahren als Schirmherrin begleiten.
Die Verbraucherzentrale NRW überwacht die Einhaltung der getroffenen Vereinbarung und fungiert als Einigungsstelle bei Problemen. Zugleich fordert sie auch andere Banken – insbesondere die Dresdner Bank – auf, das transparente Kulanzverfahren ebenfalls zu nutzen.
Fast 1.000 Bankkunden hatten sich zwischen Oktober 2008 und Februar 2009 allein im Internet-Forum der Verbraucherzentrale NRW über falsche Beratung am Bankschalter beim Verkauf von Anlageprodukten beklagt: Vor allem Seniorinnen und Senioren hatten geschildert, dass sie beim Kauf von Lehman-Zertifikaten weder auf die produktimmanenten Fallstricke noch ausreichend auf das Bonitätsrisiko bezüglich der Emittenten der Papiere hingewiesen worden waren. Wären sie über die – dann eingetretenen – tatsächlichen Risiken korrekt aufgeklärt worden, hätten sie diese Anlageprodukte niemals gekauft.
„Die Auswertung dieser Kundenbeschwerden war für uns zum einen Anstoß, eine Verbesserung der rechtlichen Lage von Bankkunden zu fordern. Zum anderen haben wir straf- und zivilrechtliche Möglichkeiten geprüft, damit Geschädigte einen Ausgleich erhalten. Rechtswege jedoch sind nicht nur langwierig, sondern auch von ungewissen Erfolgsaussichten begleitet – und die wiederum sind immer vom jeweiligen Einzelfall abhängig. Natürlich will die Verbraucherzentrale NRW niemandem vom Klageweg abhalten. Unser Ziel war es jedoch, Betroffenen schnell, transparent und nachvollziehbar zu einer Zahlung zu verhelfen. Nach intensiven Verhandlungen mit der Citibank ist es uns nun gelungen, eine Vereinbarung über eine Kulanzregelung zur Entschädigung betroffener Kunden zu erreichen“, berichtet der NRW-Verbraucherzentralenvorstand, „und zwar nach klaren und objektivierbaren Kriterien.“ Vor diesem Hintergrund wird die Verbraucherzentrale NRW ihre vorbereitete Strafanzeige gegen die Citibank nicht einreichen.
Die Entschädigungsquoten werden nach einem Punktesystem ermittelt: Die Punktzahl, die über die Höhe der Auszahlung entscheidet, errechnet sich aus sechs verschiedenen Kriterien, die unterschiedlich gewichtet werden. So geht etwa das Alter zu 15 Prozent, das Datum der Zeichnung zu 10 Prozent, die Anlagestrategie zu 25 Prozent oder die Frage, ob und wie stark der Berater beim Zertifikateverkauf vom Risikoprofil des Kunden abgewichen ist, mit einer Gewichtung von 30 Prozent ein.
Zwei Beispiele:
➜ 1. Eine 72-Jährige – mit einem dokumentierten Risikoanteil von 20 Prozent und einem Anteil der Lehman-Papiere im Depot von 100 Prozent – die diese Papiere im März 2008 gezeichnet hat, erreicht über das Punktesystem eine Entschädigung in Höhe von 80 Prozent vom Kaufwert der Lehman-Zertifikate.
➜ 2. Ein 48-Jähriger, der im Mai 2007 Lehman-Zertifikate gezeichnet hat, die dann 30 Prozent im Depot ausmachten und dessen Anlagestrategie bei maximal 70 Prozent Risikoanteil lag, kann hingegen nur mit einer Erstattungsquote von 30 Prozent rechnen.
„Oberste Maxime in unseren Verhandlungen um das Entschädigungsverfahren war es, dass all jene Anleger besonders hohe Erstattungen bekommen, die im Beratungsgespräch ein geringes Anlagerisiko dokumentiert hatten, über wenig Erfahrung mit Anlageprodukten verfügten und zudem schon zum Kreis der Älteren zählten. Erfahrene Anleger, die seit Jahren Zertifikate, Aktien und Unternehmensanleihen gekauft und abgewickelt haben, werden hingegen nicht von dem Angebot profitieren können“, erklärte Klaus Müller bei der Pressekonferenz in Düsseldorf.
Ausgeschlossen von der Entschädigung sind auch Fälle, die verjährt sind – also mehr als drei Jahre zurückliegen – sowie all jene, bei denen bereits ein Gerichtsverfahren läuft.
Alle bei der Verbraucherzentrale NRW sowie bei der Citibank bisher schriftlich eingegangenen Beschwerden werden jetzt von der Citibank nach dem Kriteriensystem noch einmal auf mögliche Erstattungen geprüft und bewertet. Von der Kulanzregelung können aber auch bundesweit noch all jene Bankkunden profitieren, die sich bis zum 31. Dezember 2009 erstmals bei der Citibank melden.
Fragen zum genauen Ermitteln der Punktwerte beantwortet die Citibank auf dem Postweg (Anschrift: Citibank Privatkunden AG & Co.KGaA, „Kulanzlösung“, Postfach 10 02 14, 47002 Duisburg).
Im Internet bietet die Verbraucherzentrale NRW Informationen, einen Musterbrief sowie einen Rechner an, mit dem Betroffene – anhand ihrer Unterlagen – die sechs Kriterien zur Erstattung vorab selbst prüfen und mit diesem Hilfsinstrument dann einschätzen können, welche Erstattungsquote vom Kaufwert ihrer Lehman-Papiere zu erwarten ist.
Die Verbraucherzentrale NRW ist auch Ansprechpartnerin, wenn geschädigte Anleger mit dem Ergebnis der Ausgleichszahlung durch die Citibank nicht zufrieden sind oder sich – entsprechend den vereinbarten Kriterien – eine höhere Zahlung ergeben müsste.
„Ein wichtiger Beitrag zur Transparenz des Verfahrens ist auch die Veröffentlichung der Auszahlungen“, zeigt der NRW-Verbraucherzentralenvorstand auf, dass das gemeinsam entwickelte Punktesystem einer Erstattung nach Gutsherrenart vorbeugt: „Wir bieten auch anderen Kreditinstituten – insbesondere der Dresdner Bank, bei der es ebenfalls eine Vielzahl geschädigter Anleger gibt – an, sich an dem Entschädigungsverfahren zu beteiligen.“
Quelle:VBZ NRW
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