Targo Bank:Lehman Bros. geschädigt was tun?

Published On: Donnerstag, 10.11.2011By

Nachfolgender Bericht erreichte uns über einen User. Wir finden diesen so interessnat, daß wir diesen ohne Nennung des Autors hier einstellen wollen. Der Autor ist der Redaktion bekannt.

Viele tausende Anleger haben – oft dem Rat dem Bankberater folgend – ihr Erspartes oder Teile davon in Lehman-Zertifikate investiert. Mit der Insolvenz der Lehman Brothers Holding Inc. am 15.09.2008 wurden die Zertifikate im Ergebnis wertlos. Angesichts des – nicht überraschenden – Zusammenbruchs der viertgrößten ehemaligen Investmentbank der Welt, der 1850 gegründeten Lehman Brothers Holding Inc., fragen sich viele Anleger, ob und wenn ja wo und wie sie Ansprüche auf Schadenersatz geltend machen können.

Zunächst ist zu berücksichtigen, welcher Rechtsnatur die von Lehman begebenen Finanzinstrumente sind. Soweit es sich um Zertifikate handelt, sind diese als sogenannte Inhaberschuldverschreibungen ausgestaltet. Eine Inhaberschuldverschreibung ist nach §§ 793 ff. BGB nichts anderes als eine Kreditgewährung. Über den so gewährten Kredit wird dann eine Urkunde, die Inhaberschuldverschreibung, das Zertifikat, ausgestellt. Inhaberschuldverschreibungen sind grundsätzlich von keiner Einlagensicherung erfasst, da es sich eben gerade nicht um Einlagen, sondern um gewährte Kredite handelt. Dementsprechend können Anleger, die solche Zertifikate erworben haben, die Einlagensicherung nicht in Anspruch nehmen.

Soweit es sich um Colibri- oder COBOLD-Anlagen (Corporate Bond Linked Debt) oder die Plus VIII-Anlage (ISIN DE000DZ1GYW4, DZ-Bank) handelt, handelt es sich ebenfalls um Anleihen oder Schuldverschreibungen. Diese wurden nicht von Lehman begeben oder garantiert. Die Lehman Brothers Holding war in den Korb der Firmen, die der jeweiligen Anleihe zu Grunde lagen, neben anderen Unternehmen integriert. Emittentinnen waren hier bei den COBOLD-Anleihen die DZ Bank, bei der Colibri-Anleihe die Commerzbank. Aber auch hier scheiden Ansprüche – da es sich um Inhaberschuldverschreibungen handelt – gegen die Einlagensicherung aus. Ob und wenn ja, in wie weit bei diesen Anlagen Schadenersatzansprüche gegen Emittent oder beratende Bank/Berater geltend gemacht werden können, dürfte schwierig zu beantworten sein und in jedem Fall zwingend einer genauen Einzelfallprüfung bedürfen.

Ganz anders dagegen ist die Situation bei den zahlreichen Lehman-Zertifikaten. Erste Aufstellungen über die von Lehman begebenen bzw. garantierten Zertifikate zeigen, das es wohl weit über 130 verschiedene gibt.

Derzeit läuft in den USA das Insolvenzverfahren über die gesamte Lehman-Firmengruppe. Ausweislich der Aufstellung in der Insolvenzakte allein um das Insolvenzverfahren der Lehman Brothers Holding zeigt sich, dass per 31.05.2008 das Vermögen der Holding 639 Mrd. $ betrug. Dem standen Verbindlichkeiten von 613 Mrd. $ gegenüber. Darin sind die europäischen Tochtergesellschaften wie beispielsweise die Lehman Brothers Treasury Co. B. V. aus Holland und andere Tochtergesellschaften nicht aufgeführt. Bei der Vermögensaufstellung sind auch sonstige bevorrechtigte Ansprüche wie beispielsweise Ansprüche auf Gehalt bzw. Zahlung von Sozialabgaben nicht enthalten.

Ob und in wie weit aus den Verkäufen der verschiedenen Geschäftszweige von Lehman an die Barclays Bank bzw. an Nomura erhebliche Vermögenswerte zusätzlich zu Masse fließen, kann derzeit noch nicht gesagt werden. Es darf aber wohl die Prognose gewagt werden, das da nicht allzu viel zusätzlich zur Masse fließt. Auf der anderen Seite sind in den bisherigen Akten beim Insolvenzgericht nur die Verbindlichkeiten per 31.05.2008 aufgeführt. Die Insolvenz wurde aber 3 ½ Monate später beantragt, so dass sich die Verbindlichkeiten bis dahin wohl noch deutlich erhöht haben dürften.

Allein diese Zahlen zeigen, dass die Wahrscheinlichkeit, dass aus dem Insolvenzverfahren für deutsche Zertifikatinhaber noch verwertbare Masse übrig bleibt, wohl eher sehr unwahrscheinlich ist. Dementsprechend zwar kann sich jeder geschädigte deutsche Anleger dem Insolvenzverfahren mit seiner Forderung zur Masse anschließen, jedoch handelt es sich um einfache Insolvenzforderungen, die erst nach den bevorrechtigten Forderungen der anderen Gläubiger befriedigt werden. Ob dafür Masse zur Verfügung steht, dürfte äußerst fraglich sein. Daher erscheint eine Beteiligung als Gläubiger am Insolvenzverfahren über das Vermögen der Lehman Brothers Unternehmen sowohl unter kosten als auch unter wirtschaftlichen Aspekten nicht sinnvoll zu sein.

Was bleibt?

Es bleibt die mögliche Inanspruchnahme der die Zertifikate vertreibenden deutschen Banken bzw. der entsprechenden Berater. Eine solche mögliche Inanspruchnahme ist in jedem Einzelfall hinsichtlich der Umstände, unter denen die Zertifikate erworben wurden und vor allem auch welche Zertifikate wann erworben wurden, zu beurteilen.

Grundsätzlich lässt sich aber folgendes sagen:

Sofern Schadenersatzansprüche gegenüber Banken bzw. Beratern in Betracht kommen, gründen sich diese auf Beratungsfehler. Als mögliche Beratungsfehler kommen in Betracht:

 mangelnde generelle Risikoaufklärung,
 mangelnde Aufklärung über Natur und Struktur der Zertifikate,
 mangelnde Aufklärung über Rückvergütungen,
 mangelnde Aufklärung über das Emittentenrisiko,
 mangelnde Aufklärung über die sich fortlaufende verschlechternde Bonität des Garantiegebers,
 mangelnde Aufklärung über die vollkommen intransparenten Bedingungen der einzelnen Zertifikate.

Zur mangelnden generellen Risikoaufklärung:

Grundsätzlich gilt hier, dass ein Anleger, der einem Industrieunternehmen einen Kredit gewährt, über diese Tatsache eindeutig und klar aufgeklärt werden muss. Soweit Zertifikate als Ersatz für Spareinlagen, als attraktive und sichere festverzinsliche Wertpapiere, als gesicherte Investments oder sogar als Altersvorsorge vertrieben wurden, ist dies unzutreffend und verpflichtet zum Schadenersatz.

Gleiches gilt auch für den Fall, dass ein Anleger in Risikoklasse 1, 2 oder 3 seitens der Bank eingestuft wurde und dem dann gleichwohl Zertifikate, die eigentlich in die Risikoklasse 6 gehören, angeboten und verkauft wurden.

Zum Nachweis solcher Beratungsfehler kommt es auf die genaue Analyse im Einzelfall an.

Mangelnde Aufklärung über die Rechtsnatur von Zertifikaten und deren Struktur:

Sinngemäß ähnliches gilt, sofern der Anleger nicht über die mit den Zertifikaten verbundene Struktur, nämlich die Kreditgewährung an ein Industrieunternehmen mit einer Inhaberschuldverschreibung, die nicht von einer Einlagensicherung gedeckt ist, informiert wurde.

In diesem Zusammenhang gehört auch die Aufklärung darüber, dass die Firma Lehman Brothers in einem der hinterlegten Basisprospekte (460-seitiger Basisprospekt der Lehman Brothers Treasury Co. B. V. zum 4 Mrd. $ Note Issuance Program vom 28.08.2007, Seite 11) selbst die Aussage getroffen hat, dass auf Grund der Ausgestaltung der Zertifikate und der Bedingungen nicht nur evtl. keine Zinsen gezahlt werden können, sondern die Zertifikate wertlos sind, sofern der den Zertifikaten zu Grunde liegende Basiswert eine bestimmte Schwelle über- oder unterschreitet. Auf dieses Totalausfallrisiko muss die beratende Bank zwingend hinweisen, da dies Bestandteil der Struktur der Zertifikate ist.

Dieses Ausfallrisiko hat nichts mit der Garantie zu tun, sondern liegt einzig und allein in der vom Emittenten gewählten Struktur. Natürlich muss darüber, denn dies ist schließlich einer der wesentlichen Bestandteile des Zertifikates, aufgeklärt werden.

Mangelnde Aufklärung über evtl. Rückvergütungen:

Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung, BGH-Urteil vom 19.12.2000, XI ZR 349/99, sowie Urteil des BGH vom 19.12.2006, XI ZR 56/05, ist klar und eindeutig festgestellt, dass eine Bank über das Vorliegen einer Rückvergütungsvereinbarung (Inducement, Innenprovision, Kick-back) aufzuklären hat. Tut sie dies nicht, macht sie sich schadenersatzpflichtig. Soweit hier, wie üblich, die vertreibende Bank Provisionen bekommen hat, hätte vor Abschluss des Geschäfts über diese Tatsache aufgeklärt werden müssen.

Soweit beispielsweise im Bonus Express Defensiv Zertifikat (ISIN DE000A0S1160) die Citibank im Kleinstdruck auf Seite 14 darauf hinweist, dass sie „einen Bonus für den Abschluss vom Emittenten“ erhält, ist dies absolut unzureichend. Bereits deswegen ist eine Haftung zu bejahen.

Mangelnde Aufklärung über das Emittentenrisiko:

Lehman-Zertifikate wurden unter anderem ganz wesentlichen von der holländischen Zweckgesellschaft, der Lehman Brothers Treasury Co. B. V. begeben. Diese 100%ige Tochtergesellschaft der Lehman Brothers Holding, Inc. hatte die Aufgabe, das European Medium Term Note Program umzusetzen und Kredite in Höhe von 106 Mrd. $ durch Begebung von Zertifikaten aufzunehmen.

Diese Gesellschaft verfügt weder über Angestellte, noch über operatives Geschäft, noch über sonstige Vermögenswerte. Es handelt sich lediglich um eine Zweckgesellschaft. Der einzige Zweck dieser Gesellschaft ist die Begebung von Zertifikaten. Zweck dieser Gesellschaft ist die Mittelbeschaffung für die Muttergesellschaft Lehman Brothers Holding. Die holländische Zweckgesellschaft leitete also sämtliche durch in den Verkauf der Zertifikate erzielten Vermögenswerte an die Holding zur Finanzierung der Aktivitäten der Holding weiter. Dies hätte unbedingt klar offen gelegt werden müssen, denn die Holding selbst (der eigentliche Kreditempfänger) gab die Garantie für die Rückzahlung des Kredites.

Hier haben wir es also mit dem Fall zu tun, dass derjenige, dem die Kreditmittel zufließen, über eben diese ihm zufließenden Kredite ein Rückzahlungsversprechen in Form einer Garantie abgibt. Das auf Grund der Konstruktion eine solche Garantie, völlig unabhängig von der Frage, ob die Lehman Brothers Holding überhaupt über werthaltige Assets verfügte, rein tatsächlich wertlos ist, steht außer Frage. Hierüber hätte zwingend aufgeklärt werden müssen, da sich hierin ein erhebliches Risiko verbirgt. Letztendlich ist es genau dieses Risiko, was sich dann auch durch die Insolvenz verwirklicht hat.

Mangelnde Aufklärung über die sich fortlaufend verschlechternde Bonität des Garantiegebers:

Ob und inwieweit Banken eine laufende Überwachungspflicht der Bonität der von ihnen vertriebenen Anlagen haben, mag äußerst streitig sein. Hierauf kommt es jedoch in diesem Fall nicht entscheidend an. Es wurde bereits seit 2006 über eine mögliche Pleite von Lehman Brothers heftig spekuliert. Jedenfalls war seit Anfang 2008 hinreichend bekannt, dass Lehman Brothers nicht nur – um es sehr höflich auszudrücken – eine äußerst fragwürdige Bilanzierungspolitik verfolgte, sondern spätestens mit der Übernahme von Archestone-Smith im Oktober 2007 sich völlig übernommen hatte.

All dies war hinreichend bekannt und hätte jedenfalls bei der laufenden Beratung und natürlich auch im Zusammenhang mit dem Erwerb solcher Zertifikate zwingend offen gelegt werden müssen.

Mangelnde Aufklärung über unklare AGB-Regelungen:

Unabhängig von der rechtstheoretischen Diskussion, ob die Bedingungen der Zertifikate, also die Bedingungen der Inhaberschuldverschreibungen als Allgemeine Geschäftsbedingungen zu werten sind oder nicht, muss nach dem Grundsatz „know your product“ der Berater bzw. die beratende Bank auf die unklaren Regelungen zur Ausübung, Kündigung und zur Rückzahlung, mithin also zu den wesentlichen wirtschaftlich relevanten Faktoren eines jeden Zertifikates ausführlich Stellung nehmen.

Dies gilt umso mehr, als die Zertifikatsbedingungen im einzelnen völlig unklar, intransparent und absichtlich verwirrend ausgestaltet sind. Erklärter Zweck war nämlich, Ausgabe von Zertifikaten zum Zwecke der Geldbeschaffung für die wirtschaftlich schwer angeschlagene Lehman Gruppe mit dem Bestreben, dieses so aufgenommene Geld möglichst nicht oder jedenfalls nicht vollständig zurückzahlen zu müssen. Dies ergibt sich sowohl aus der Ausgestaltung der einzelnen Zertifikatsbedingungen als auch aus den verschiedenen hinterlegten Basisprospekten und dem Gesamtkonstrukt des von Lehman Brothers verfolgten Finanzmittelbeschaffungsprogrammes. Auch darüber hätte unbedingt jeder Berater bzw. jedes beratende Institut den Anleger aufklären müssen.

Erste Fälle

Das Landgericht Hamburg hat bereits in einem ersten Verfahren (Az. 319 O 125/08) mit Entscheidung vom 30.06.2008 eine Bank auf Schadenersatz in Höhe von rund 21.000 Euro verurteilt. Gegenstand war hier das Global Champion Zertifikat I auf den Global Champion Aktienkorb (ISIN DE000A0MJHE1).

Andere Banken bzw. Sparkassen haben bereits angekündigt, Schadenersatzansprüche der Anleger sorgfältig zu prüfen und grundsätzlich möglichst zu Gunsten der Anleger zu entscheiden. Andere Institute lehnen dagegen eine Einstandspflicht grundsätzlich rundweg ab.

Festzuhalten bleibt also:

Bei der Begebung der Zertifikate durch Unternehmen des Lehman Konzerns handelte es sich um eine Geldbeschaffungsmaßnahme des wirtschaftlich schwer angeschlagenen Konzerns. Es wurden Kredite in Milliardenhöhe von Sparern aufgenommen. Über die Bedingungen und Risiken der so aufgenommenen Spargroschen wurde oft nicht ausreichend informiert. Die Einzelfallanalyse muss ergeben, ob und gegenüber wem dann Schadenersatzansprüche geltend gemacht werden. Zu berücksichtigen ist noch, dass dreijährige Verjährungsfrist für die Geltendmachung solcher Ansprüche zu beachten ist.

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