Die EU-Kommission hat den chinesischen Onlinehändler Temu am Freitag offiziell als sehr große Onlineplattform eingestuft und damit strengere Vorschriften für das Unternehmen erlassen. Im Rahmen des Gesetzes für digitale Dienste (Digital Services Act, DSA) muss Temu nun umfangreiche Maßnahmen zum Schutz der Verbraucher ergreifen, da die Plattform mit rund 75 Millionen monatlichen Nutzern in der EU deutlich über der Schwelle von 45 Millionen liegt, ab der das DSA greift.
Bis Ende September muss Temu Vorkehrungen treffen, um beispielsweise Produktfälschungen und Verletzungen von Rechten zum Schutz geistigen Eigentums zu verhindern. Zudem werden jährliche Risikobewertungsberichte verpflichtend, die insbesondere mögliche negative Auswirkungen auf die Gesundheit und Sicherheit der Verbraucher, vor allem auf das Wohlbefinden von Minderjährigen, untersuchen müssen.
Ein Sprecher von Temu erklärte, dass das Unternehmen die Einstufung zur Kenntnis genommen habe und sich verpflichte, die Regeln und Vorschriften des DSA einzuhalten, um Sicherheit, Transparenz und Schutz der Nutzer in der EU zu gewährleisten.
Temu steht jedoch immer wieder in der Kritik, vor allem wegen schlechter Produktqualität, nicht erhaltener Sendungen und einer katastrophalen Klima- und Umweltbilanz seiner Produkte. Mitte Mai hatten Verbraucherschützer in mehreren europäischen Ländern Beschwerde gegen die Plattform eingereicht. Sie warfen Temu vor, voll von manipulativen Techniken zu sein, die darauf abzielen, Verbraucher zu höheren Ausgaben zu verleiten. Auch das Löschen des Kontos sei nur über einen „Hindernisparcours“ auf der Website möglich.
Die Vorgaben des DSA gelten nun für insgesamt 24 große Onlinedienste, darunter Amazon, Zalando, Google Maps, Facebook, TikTok und X. Bei Verstößen drohen den Unternehmen Strafen von bis zu sechs Prozent ihres weltweiten Jahresumsatzes. Bei wiederholten Verstößen können sie laut DSA auch in der EU verboten werden.
Temu erlebt derzeit einen Boom, auch in Österreich. Laut einer Befragung der Johannes Kepler Universität Linz hat fast jeder zweite österreichische Onlineshopper in den vergangenen zwölf Monaten bei einer chinesischen Plattform wie Temu, Shein oder AliExpress eingekauft. Allein von Temu kommen täglich 30.000 Pakete nach Österreich. Der Erfolg spiegelt sich auch in der Konzernbilanz wider: Der Mutterkonzern Pinduoduo meldete für das erste Quartal eine Verdreifachung seines Gewinns auf 3,6 Milliarden Euro.
Der österreichische Handelsverband fordert jedoch faire Regeln für den heimischen Handel und kritisiert, dass zwei Milliarden Packerln jährlich zollfrei nach Europa kämen, von denen zwei Drittel falsch deklariert seien. Laut EU-Spielzeugverband bergen 95 Prozent der bei Temu gekauften Spielwaren ein Sicherheitsrisiko für Kinder. Der Verband fordert, die Zollfreigrenze so rasch wie möglich von 150 auf null Euro zu senken.
Auch die Wirtschaftskammer Österreich begrüßt die Entscheidung der EU-Kommission als „gute Nachricht für den österreichischen Handel und einen wichtigen Schritt in Richtung mehr Fairness“. Die Einstufung von Temu als sehr große Onlineplattform mit entsprechenden Verpflichtungen sei überfällig gewesen.
Es bleibt abzuwarten, wie sich die verschärften Regeln auf das Geschäftsmodell von Temu und das Kaufverhalten der Konsumenten auswirken werden. Klar ist jedoch, dass der Schutz der Verbraucher und faire Wettbewerbsbedingungen für den heimischen Handel oberste Priorität haben müssen. Die Entscheidung der EU-Kommission ist ein wichtiger Schritt in diese Richtung, dem jedoch weitere Maßnahmen folgen müssen, um die Interessen aller Beteiligten zu wahren und eine nachhaltige Entwicklung des Onlinehandels zu gewährleisten.
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