Rechtsanwalt Jens Reime über Fallstricke beim Online-Trading und worauf Anleger achten sollten
Interviewer: Herr Reime, Plattformen wie NAGA werben mit einfachem Zugang zu den Finanzmärkten, niedrigen Gebühren und der Möglichkeit, erfolgreiche Trader zu kopieren. Ist das wirklich so unkompliziert, wie es klingt?
Jens Reime: Nein, ganz und gar nicht. Viele dieser Plattformen werben mit niedrigen Einstiegshürden und großen Gewinnchancen, doch in Wahrheit bergen sie erhebliche Risiken – insbesondere für unerfahrene Anleger. CFDs (Contracts for Difference), die dort häufig gehandelt werden, sind hochspekulativ und können durch Hebelwirkung schnell zu hohen Verlusten führen. Die Plattform selbst gibt an, dass 78,81 % der Kleinanleger Geld verlieren – das sollte Verbrauchern bereits eine deutliche Warnung sein.
Copy-Trading – kluge Strategie oder gefährliche Falle?
Interviewer: Eine der Hauptfunktionen von NAGA ist das Copy-Trading. Nutzer können also die Trades erfolgreicher Händler einfach kopieren. Ist das eine sinnvolle Strategie?
Jens Reime: Copy-Trading klingt auf den ersten Blick attraktiv, aber auch hier lauern erhebliche Gefahren. Anleger verlassen sich darauf, dass sie den „richtigen“ Trader auswählen – doch:
Auch Top-Trader machen Fehler oder spekulieren riskant.
Es gibt keine Garantie für Gewinne – Verluste werden genauso kopiert.
Die Plattform übernimmt keine Verantwortung für Fehlentscheidungen.
Oft werden „erfolgreiche“ Trader stark beworben, aber Verbraucher wissen nicht, welche Strategie oder welches Risikomanagement diese Trader verfolgen. Zudem ist unklar, ob einige der „Top-Trader“ nicht gezielt von der Plattform bevorzugt dargestellt werden.
Hebelwirkung – Der Turbo für Gewinne und Verluste
Interviewer: Viele Trading-Plattformen nutzen Hebel, um Gewinne zu maximieren. Was bedeutet das für Kleinanleger?
Jens Reime: Hebelwirkung bedeutet, dass Anleger mit einem Vielfachen ihres eingesetzten Kapitals handeln können. Wenn jemand beispielsweise einen 10-fachen Hebel nutzt, kann er mit 100 Euro so handeln, als ob er 1.000 Euro investiert hätte. Das klingt erstmal gut, hat aber enorme Risiken:
Gewinne können sich vervielfachen – aber Verluste ebenso!
Ein falscher Trade kann das gesamte eingesetzte Kapital in Minuten vernichten.
Manche Plattformen schließen Trades automatisch, wenn der Verlust eine gewisse Grenze erreicht – oft ohne Vorwarnung.
Gerade für unerfahrene Anleger ist das extrem gefährlich. Viele unterschätzen, wie schnell sie alles verlieren können.
Gebührenfallen: „Niedrige Kosten“ sind nicht immer günstig
Interviewer: NAGA wirbt mit „niedrigen Gebühren“. Gibt es dennoch versteckte Kosten?
Jens Reime: Ja, absolut. Viele Plattformen nutzen indirekte Gebühren, die für Anleger oft erst auf den zweiten Blick sichtbar werden:
Spreads: Der Unterschied zwischen Kauf- und Verkaufspreis eines Assets kann höher sein als auf klassischen Börsen.
Übernachtgebühren: Wer seine Position über Nacht hält, zahlt oft hohe Finanzierungskosten.
Inaktivitätsgebühren: Wer sein Konto länger nicht nutzt, kann mit Gebühren belastet werden.
Diese Kosten können die Gewinne erheblich schmälern – oder Verluste noch größer machen.
Regulierung und Anlegerschutz – Wie sicher ist das Geld?
Interviewer: NAGA wird von der Cyprus Securities and Exchange Commission (CySEC) reguliert. Ist das ein verlässlicher Schutz für Anleger?
Jens Reime: Die CySEC ist eine europäische Finanzaufsicht, aber sie gilt als weniger streng als die deutsche BaFin oder die britische FCA. Theoretisch gibt es Verbraucherschutzmaßnahmen, aber in der Praxis sind Rückforderungen bei Verlusten oft schwierig. Zudem haben viele Plattformen ihren Sitz in Zypern, was rechtliche Schritte komplizierter macht.
Verbraucher sollten daher prüfen:
Welche Einlagensicherung gilt?
Wie seriös ist der Plattformbetreiber?
Gibt es bereits negative Erfahrungen oder laufende Klagen?
Tipps für Verbraucher: Worauf sollte man achten?
Interviewer: Was raten Sie Verbrauchern, die sich für Trading-Plattformen interessieren?
Jens Reime: Zunächst einmal sollten sich Anleger fragen: Bin ich wirklich bereit, dieses Risiko einzugehen? Wer dennoch einsteigen möchte, sollte unbedingt folgende Punkte beachten:
Nur mit Geld handeln, das man sich leisten kann zu verlieren – Kein Kredit, kein Notgroschen!
Mindestens mehrere Angebote vergleichen – Nicht von Werbeversprechen blenden lassen.
Keinen hohen Hebel nutzen – Gerade Anfänger sollten extrem vorsichtig sein.
Alle Gebühren genau prüfen – Kleingedrucktes lesen, Spreads und Übernachtkosten kalkulieren.
Erfahrungsberichte anderer Nutzer recherchieren – Gibt es bereits Betrugsvorwürfe oder Probleme mit Auszahlungen?
Copy-Trading mit Vorsicht genießen – Nicht blind auf „Top-Trader“ vertrauen.
Fazit: Vorsicht ist besser als Nachsicht
Interviewer: Ihr abschließendes Fazit zu NAGA und ähnlichen Plattformen?
Jens Reime: Trading-Plattformen wie NAGA sind keine Spielplätze – sie sind Hochrisiko-Investments. Viele Anbieter werben mit Schnellgeld und Erfolgsgeschichten, aber die Realität sieht oft anders aus. Wer nicht genau versteht, was er tut, riskiert erhebliche Verluste.
Meine Empfehlung: Nur wer sich intensiv mit den Mechanismen des Marktes auseinandersetzt, sich der Risiken bewusst ist und sein Kapital klug verwaltet, sollte überhaupt darüber nachdenken, auf solchen Plattformen aktiv zu werden.
Interviewer: Herr Reime, vielen Dank für das aufschlussreiche Gespräch!
Jens Reime: Sehr gerne – und bleiben Sie vorsichtig im Netz!
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