Kaum hatte der gewählte US-Präsident Donald Trump seinen neuen Verteidigungsminister bekannt gegeben, hagelte es Kritik aus den Reihen aktueller und ehemaliger hochrangiger Militärs. Die Ernennung von Fox-News-Moderator und Armee-Veteran Pete Hegseth wurde von einigen als „lächerlich“, von anderen gar als „absoluter Albtraum“ bezeichnet. Dabei ging es den Kommandeuren weniger um die Person Hegseth, sondern vielmehr um die Strategie hinter Trumps Auswahl: eine Regierungsmannschaft, die Loyalität über Kompetenz stellt und Trumps radikale „America First“-Außenpolitik kompromisslos umsetzen soll.
„Es gibt keinerlei ernsthafte Erfahrung in der Führung des Pentagons oder der nationalen Sicherheitsprozesse“, sagte ein pensionierter Vier-Sterne-General. „Aber gut, frische Ideen könnten in einer oft verkrusteten Bürokratie vielleicht etwas bewegen.“ Dennoch sei die zentrale Voraussetzung offenbar unerschütterliche Loyalität. „Das Problem ist, dass eine Handvoll Menschen mit einer einzigen Denkrichtung die gesamte nationale Sicherheitspolitik kontrollieren könnte. Vielfalt in der Entscheidungsfindung ist durch nichts zu ersetzen – auch nicht durch die besten Absichten eines Einzelnen.“
Ein radikaler Kurswechsel in der US-Außenpolitik?
Trump macht keinen Hehl daraus, dass er seine „America First“-Agenda konsequenter denn je umsetzen will. Diese Politik zielt darauf ab, die USA aus internationalen Verpflichtungen zurückzuziehen und Bündnisse neu zu verhandeln oder gar aufzulösen, wenn diese nicht seinen Vorstellungen entsprechen. Bereits in der Vergangenheit hat Trump erklärt, dass die USA keinen moralischen Vorteil gegenüber ihren Gegnern hätten. Seine berüchtigte Antwort auf Bill O’Reillys Aussage „Putin ist ein Killer“ lautete: „Glauben Sie, wir sind so unschuldig?“ Ähnlich düstere Töne schlug er kürzlich an, als er bei einer Wahlkampfveranstaltung in Michigan sagte, dass viele US-Verbündete „schlimmer als unsere sogenannten Feinde“ seien.
Diese Haltung, die moralische Gleichwertigkeit von Verbündeten und Gegnern betont, lässt vermuten, dass Trump glaubt, mit Russland oder China genauso gut Abkommen aushandeln zu können wie mit den traditionellen Partnern der USA in Europa oder Asien. Kritiker sehen hierin eine gefährliche Fehleinschätzung, denn Moskau und Peking haben strategisches Interesse daran, die US-geführte Weltordnung zu schwächen. Die engere Zusammenarbeit Russlands und Chinas mit Nordkorea und Iran – von der Ukraine bis hin zur Weitergabe nuklearer und ballistischer Technologie – unterstreicht dies nur allzu deutlich.
Sorge um die Ukraine – „Wenn ich die Ukraine wäre, würde ich mir große Sorgen machen“
Ehemalige Berater Trumps erwarten, dass die Unterstützung der Ukraine im Falle seiner Wiederwahl schnell enden könnte. „Wenn alles nur ein Geschäft ist, warum nicht noch 10 Prozent des ukrainischen Territoriums opfern, wenn das Frieden bringt?“, fragte der ehemalige Nationale Sicherheitsberater John Bolton zynisch. Eine ähnliche Unsicherheit droht Taiwan. Während Präsident Biden mehrfach öffentlich erklärte, Taiwan gegen eine mögliche chinesische Invasion militärisch zu verteidigen, zweifeln viele, dass Trump in einem ähnlichen Szenario dasselbe tun würde.
Auch die Zukunft von NATO und anderen Verteidigungsbündnissen steht auf dem Spiel. Während seiner ersten Amtszeit hatte Trump wiederholt damit gedroht, die NATO zu verlassen. Sollte er erneut scheitern, könnte er einfach signalisieren, dass die USA nicht länger bereit sind, sich an die Verpflichtungen des Artikels 5 zu halten, der die kollektive Verteidigung der Mitglieder regelt. „Ich denke, die NATO würde in echter Gefahr schweben“, warnte Bolton vor der Wahl. „Trump würde erneut versuchen auszusteigen.“
Neue nukleare Bedrohungen?
Diplomaten und Militärs in Europa und Asien warnen vor einem Dominoeffekt, sollte Trump tatsächlich internationale Sicherheitsgarantien zurückziehen. Ohne die Abschreckung des US-Atomschirms könnten Länder wie Japan oder Südkorea ihre eigenen Atomwaffen entwickeln, was wiederum Russland und China dazu bringen würde, ihre Arsenale auszubauen. Auch Staaten wie Saudi-Arabien oder Ägypten könnten versuchen, nukleare Fähigkeiten zu erlangen. Ein solches Wettrüsten würde die globale Sicherheitslage dramatisch verschärfen.
Ironischerweise hat Trump oft die Gefahr eines Atomkriegs betont – könnte aber durch seinen Rückzug aus internationalen Verpflichtungen genau eine solche Eskalation heraufbeschwören.
Eine neue Weltordnung oder Rückkehr zum Isolationismus?
Militärstrategen und politische Analysten sehen in Trumps „America First“-Ansatz eine Wiederholung des Isolationismus, der die USA vor dem Zweiten Weltkrieg prägte. Doch im Gegensatz zu 1939 macht die heutige Technologie die Welt noch vernetzter und die Bedrohungen vielschichtiger. Cyberangriffe, KI-Waffen, Klimawandel und Migrationsströme lassen sich nicht durch den Bau von Mauern oder den Rückzug aus internationalen Abkommen lösen.
Der ehemalige Vorsitzende der US-Generalstabschefs, Mark Milley, betonte, wie wichtig die von den USA geschaffene regelbasierte Weltordnung sei. „Dieses Regelwerk ist einer der Hauptgründe, warum es seit acht Jahrzehnten keinen großen Krieg zwischen Großmächten gegeben hat“, sagte Milley. „Ohne diese Regeln werden wir die Verteidigungsausgaben verdoppeln müssen, denn die Welt wird wieder ein Ort, wo nur die Stärksten überleben. Ein regel- und gesetzloses Szenario wäre ein Albtraum.“
Fazit: Alles steht auf dem Spiel
Trump hat klargemacht, dass für ihn in der internationalen Politik alles verhandelbar ist. Seine frühen Personalentscheidungen deuten darauf hin, dass er bereit ist, die seit dem Zweiten Weltkrieg bestehende internationale Ordnung grundlegend infrage zu stellen. Die kommenden Jahre könnten eine Zeit beispielloser Unsicherheit für die USA und ihre Verbündeten werden – eine Welt, in der Abkommen instabil, Konflikte häufiger und Allianzen fragiler werden. Die „America First“-Politik mag den Rückzug aus globalen Verpflichtungen versprechen, könnte aber in Wirklichkeit eine Ära noch größerer Risiken und Kosten einleiten.
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