Seit Monaten versuchen zahlreiche Migrantinnen und Migranten, von Tunesien über das Mittelmeer in die EU zu gelangen. Um diese Situation einzudämmen, boten europäische Spitzenpolitikerinnen und -politiker der Regierung in Tunis zuletzt viel Geld im Rahmen eines Migrationsabkommens an. Doch wie sinnvoll ist ein solches Abkommen tatsächlich? Der Migrationsexperte Gerald Knaus, Leiter der Denkfabrik European Stability Initiative (ESI), sieht darin sowohl realpolitische als auch moralische Aspekte. Er argumentiert, dass es bereits Gespräche zwischen Italien und Tunesien gibt und dass die Zahl der im Mittelmeer ertrunkenen Geflüchteten ständig steigt. Dennoch betont er, dass nicht jeder Deal legitim oder gerechtfertigt ist.
Die Migrationsforscherin Judith Kohlenberger hingegen hält von einem solchen Abkommen wenig. Sie warnt davor, sich von einem Drittstaat mit zweifelhafter Menschenrechtslage abhängig zu machen. Dies äußerte die Expertin der Wirtschaftsuniversität Wienl. Es erinnert daran, dass EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen am Wochenende gemeinsam mit Italiens Regierungschefin Giorgia Meloni und dem niederländischen Regierungschef Mark Rutte nach Tunis gereist ist, um Lösungen im Umgang mit irregulärer Migration zu finden. Tunesiens Präsident Kais Saied wurde dabei eine verstärkte Partnerschaft angeboten.
Die EU setzt darauf, dass das wirtschaftlich stark angeschlagene nordafrikanische Land durch finanzielle Unterstützung davon abgehalten wird, Flüchtlinge nach Europa gelangen zu lassen. Ähnliches wurde bereits 2016 mit der Türkei vereinbart, aber dieses Abkommen wird seit 2020 nicht mehr umgesetzt.
Nun wird Tunesien ein ähnliches Abkommen in Aussicht gestellt, mit einer Milliarde Euro als Unterstützung. EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen erklärte am Sonntag, dass etwa 100 Millionen Euro für Grenzkontrolle, Suche und Rettung von Migrantinnen und Migranten zur Verfügung gestellt werden sollen. Diese Summe entspricht dem dreifachen Betrag, den die EU Tunesien zuletzt durchschnittlich jährlich unterstützte. Die EU-Kommission strebt an, dass das Abkommen bis zum Ende des EU-Gipfels im Juni unterzeichnet wird.
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