„Im Ersten“, Montag 02.09.2019 um 23 Uhr 15″
Der rote Riese zockt ab – Wie Sparkassen bei den Zinsen tricksen
Seit der Bankenkrise 2008 gelten sie als besonders seriös. Sparkassen und Volksbanken haben deshalb mittlerweile mehr Umsatz als Deutsche Bank und Commerzbank zusammen.
Doch die Kundenklagen häufen sich und mehr noch: Es gibt zahlreiche Geschädigte, die systematisch abgezockt worden sind. Experten beziffern die Schadensumme auf mehrere Milliarden Euro pro Jahr. Was ist da auf den Konten los?
Der niedersächsische Landwirt Johann G. ist einer der Sparkassen-Geschädigten. Um mehr 200.000 Euro ist er geprellt worden. Ein Oberlandesgericht hat ihm Recht gegeben und Rückzahlung verordnet. Der Trick der Sparkasse ist simpel: Zinsveränderungen werden nicht sofort an den Kreditnehmer weitergegeben, wie es der Gesetzgeber vorschreibt.
Es kann jeden treffen, beim Dispo etwa, bei Konsumkrediten und sogar beim Sparkonto. Besonders oft passiert das bei kurzfristigen Überziehungskrediten, dem Standardgeschäft von Mittelständlern. Die eine Rechnung, die noch schnell beglichen werden muss und ein Kunde hat noch immer nicht bezahlt – schon ist das Konto überzogen.
Klingt nach einer Petitesse, ergibt aber einen Riesenschaden: Denn auf jeden Zinsbetrag im Minus zahlt man Zinseszins. „Der Volkswirtschaft können durch Falschberechnungen der Sparkassen jährlich mehrere Milliarden Euro an Schaden entstehen“, sagt Hans-Peter Schwintowski, Professor für Bankenrecht an der Humboldt-Universität Berlin. Kreditsachverständiger Hans-Peter Eibl stimmt zu.
Er beschäftigt sich mit Zinsbetrug durch Sparkassen und Volksbanken, rechnet seit 1988 Konten nach. „Ich habe Konten für rund 1000 Klienten geprüft. Und kann sagen: Bei den Sparkassen beträgt der Schaden im Durchschnitt, pro Fall, 170.000 Euro. Das ist Wahnsinn, das kann Unternehmen vernichten.“ Die verklagten Banken bestreiten systematische Tricksereien. Es handele sich um Einzelfälle.
Mit Eibl treten wir eine Reise an: Vom Nord-Ostsee-Kanal bis nach Karlsruhe treffen wir auf Kunden, die ihre Sparkasse verklagen. Die fassungslos darüber sind, wie die öffentlich-rechtliche Bank mit ihnen umgesprungen ist: Reinhard und Thomas K., die eine familiengeführte Werkstatt besitzen, klagen auf 235.000 Euro Schaden. Alexander G., der einen Pflegedienst betreibt, reklamiert 25.000 Euro Schaden. Und Gerhard S., ehemaliger Geschäftsführer eines Betriebes mit 90 Arbeitsplätzen: Sein Schaden durch diverse Banken, sagt er, belaufe sich auf eine Million Euro.
Mit fatalen Folgen: Die Firma musste Insolvenz anmelden, die Arbeitsplätze sind weg. „Das ist leider normal“, sagt Eibl. „Ich habe in 30 Jahren nur ein einziges Konto erlebt, bei dem Zins und Zinseszins korrekt berechnet wurden. „Laut BGH und laut der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Sparkassen sind verspätete Zinsanpassungen nicht erlaubt.“, sagt Prof. Schwintowski.
Dennoch gibt es bundesweit Sparkassen, die so weitermachen. Und manche offensichtlich häufiger als andere. Wie kann das sein? Ein Film über wütende und enttäuschte Kunden – und Banken, die eigentlich für sie da sein müssten – aber genau das Gegenteil tun. (Text: ARD)
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