Seit Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine Ende Februar hat Russland rund 22 Prozent der landwirtschaftlichen Flächen der Ukraine besetzt. „Der Brotkorb der Welt befindet sich im Krieg“, sagte Inbal Becker-Reshef von der US-Raumfahrtbehörde (NASA) heute. Sie leitet die Abteilung zur Beobachtung der weltweiten Nahrungsmittelproduktion per Satellit.
Die Ukraine lieferte vor dem Krieg fast die Hälfte (46 Prozent) des weltweit gehandelten Sonnenblumenöls, neun Prozent des Weizens, 17 Prozent der Gerste und zwölf Prozent des Maises. Russland besetzt laut den von der NASA ausgewerteten Satellitendaten in der Ukraine aktuell 28 Prozent der Wintergetreidefelder des Landes und 18 Prozent der Sommergetreide- oder Ölsaatenflächen.
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Russland blockiert zudem den Export von Getreide und Ölsaaten wie Sonnenblumen und Raps aus dem Hafen von Odessa. Die Armee hat Lagerhäuser und Verkehrsinfrastruktur für den Transport der Güter zerstört. „Wir stehen am Anfang einer Nahrungsmittelkrise, die wahrscheinlich jedes Land und jeden Menschen auf dieser Erde in der einen oder anderen Weise betreffen wird“, sagte Becker-Reshef.
Ein umstrittener russischer Frachter mit angeblich von der Ukraine gestohlenem Getreide an Bord ist nach tagelangem Festliegen in der Türkei wieder in russische Gewässer gefahren. Die „Schibek Scholy“ sei in Richtung des russischen Schwarzmeer-Hafens Kawkas unterwegs, hieß es heute übereinstimmend aus türkischen Kreisen. Die Tracking-Website Marinetraffic.com zeigte, dass sich der Frachter etwa 20 Kilometer vom türkischen Hafen Karasu wegbewegte, wo er zwischenzeitlich gelegen hatte. Danach schaltete das Schiff offenbar seinen Signalsender ab – und verschwand vom Radar.
Nach Angaben der Regierung in Kiew war der Frachter ursprünglich vom von russischen Truppen besetzten ukrainischen Hafen Berdjansk aus in See gestochen. An Bord sei von Moskau beschlagnahmtes ukrainisches Getreide. Kiew forderte deshalb von der Türkei nach dem Einlaufen der „Schibek Scholy“ in Karasu am vergangenen Freitag die Beschlagnahmung des Frachters und die Rückgabe der Lieferung.
Wegen des nun erfolgten Auslaufens des Schiffes aus Karasu und der Rückkehr in russische Gewässer bestellte das ukrainische Außenministerium heute den türkischen Botschafter in Kiew ein. Er zeigte sich in einer Erklärung „tief enttäuscht“ darüber, dass Ankara „die ukrainischen Aufforderungen ignoriert“ habe.
In den ukrainischen Häfen, die unter russischer Kontrolle sind oder von russischen Truppen blockiert werden, stecken Millionen Tonnen Weizen fest. Die Türkei pflegt traditionell gute Beziehungen sowohl zur Ukraine als auch zu Russland und bemüht sich seit Kriegsbeginn um eine Vermittlung zwischen den Konfliktparteien.
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Ukrainische Soldaten haben auf der Schlangeninsel im Schwarzen Meer wieder die ukrainische Flagge gehisst. Russische Verbände hatten die Insel kürzlich aufgegeben.
Im Osten der Ukraine stehen währenddessen mehrere Städte aktuell wieder unter russischem Beschuss. Der russische Außenminister Sergej Lawrow traf zu einem Gipfel der G-20-Außenminister auf Bali ein.
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Mit der Einnahme von Lyssytschansk und damit praktisch der gesamten Region Luhansk haben die russischen Truppen in der Ukraine einen Zwischenerfolg erzielt – allerdings sehr lange dafür gebraucht und auch einen hohen Preis bezahlt. Dass nun die verbleibenden ukrainischen Städte in der Oblast Donezk ins Visier genommen werden, gilt als logisch. Doch die Ukraine könnte mit ihrer Gegenoffensive im Süden die russischen Pläne durchkreuzen.
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