Interviewer: Frau Bontschev, vielen Dank, dass Sie sich die Zeit nehmen, uns bei der kritischen Analyse des Angebots der Pioneer-Lab Entrepreneur Academy zu unterstützen. Die Academy bietet ja ein umfassendes Programm für angehende Frühphasen-Investor , einschließlich Zertifikaten und Mitgliedschaften. Was halten Sie grundsätzlich von solchen Programmen, die auf die Ausbildung von Angel Investor abzielen?
Kerstin Bontschev: Grundsätzlich ist es positiv, dass sich Initiativen wie die Entrepreneur Academy auf die Qualifizierung von Angel Investor konzentrieren. Angel Investing erfordert spezialisiertes Wissen über Startups, Risikomanagement und Finanzierungsstrukturen, und nicht jeder, der in dieses Feld einsteigen möchte, bringt dieses Wissen automatisch mit. Die Academy scheint hier einen sinnvollen Ansatz zu bieten, indem sie verschiedene Lernformate anbietet, von Masterclasses bis hin zu individuellen Coachings. So werden potenzielle Investor mit dem notwendigen Wissen ausgestattet, um fundierte Entscheidungen zu treffen. Das ist in einem so risikoreichen Bereich wie der Frühphasenfinanzierung enorm wichtig.
Interviewer: In Bezug auf die rechtlichen Aspekte: Wie sinnvoll sind diese Programme für angehende Investor
, insbesondere hinsichtlich rechtlicher Fallstricke, die beim Angel Investing auftreten könnten?
Kerstin Bontschev: Die rechtlichen Aspekte spielen eine sehr wichtige Rolle beim Angel Investing, besonders bei Themen wie Vertragsgestaltung, Haftung und Compliance. Das Angebot der Academy betont zwar rechtliche Aspekte, doch es wäre wichtig zu wissen, in welchem Umfang diese Themen wirklich behandelt werden. Frühphasen-Investor müssen die rechtlichen Rahmenbedingungen für Beteiligungen an Startups, insbesondere in Bezug auf Eigenkapital, Darlehen und mögliche Ausstiegsszenarien, genau verstehen. Ohne fundierte rechtliche Kenntnisse könnten Investor sich in einer unsicheren Lage befinden, insbesondere wenn unerwartete Probleme bei einem Investment auftauchen, sei es Insolvenz, Streitigkeiten mit den Gründern oder unerwartete Haftungsfragen. Hier sollte das Programm also unbedingt tiefgehendes Wissen vermitteln und im Idealfall auch spezialisierte juristische Beratungen einbinden.
Interviewer: Ein interessantes Angebot ist die kostenlose Mitgliedschaft im European Super Angels Club (ESAC) für ein Jahr. Dieser Club bringt Investor zusammen und erleichtert den Zugang zu Startup-Investitionen. Wie bewerten Sie dieses Netzwerkangebot? Gibt es hier Risiken?
Kerstin Bontschev: Netzwerke wie der European Super Angels Club sind für Angel Investor
definitiv von Vorteil. Sie bieten Zugang zu einem sogenannten „Deal Flow,“ also einer kontinuierlichen Pipeline von potenziellen Investitionsmöglichkeiten. Gleichzeitig besteht die Möglichkeit, Risiken zu diversifizieren, indem man sich mit anderen Investor
zusammenschließt.
Aber auch hier muss man aufpassen: Es stellt sich die Frage, wie transparent die Vorauswahl der Startups ist und inwiefern die Investor ein Mitspracherecht bei den Syndikaten haben. Bei solchen Netzwerken kann es manchmal passieren, dass die zugrunde liegenden Bedingungen und Gebühren nicht ganz klar kommuniziert werden, oder dass der Fokus auf bestimmte Interessen gelenkt wird, die nicht unbedingt im besten Interesse aller Investor
liegen. Es wäre also wichtig, dass Interessent genau prüfen, wie der Club arbeitet, welche Kriterien für die Auswahl der Startups gelten und welche Verpflichtungen mit der Mitgliedschaft einhergehen.
Interviewer: Im Angebot wird auch ein sogenannter „Mini-MBA Startup Funding Expert“ erwähnt. Wie bewerten Sie solche Zertifizierungen in der Praxis? Haben diese wirklich einen Mehrwert, oder handelt es sich eher um Marketing?
Kerstin Bontschev: Solche Zertifizierungen können für Personen, die neu in der Szene sind, durchaus nützlich sein, um ihre Glaubwürdigkeit und ihr Wissen in der Startup-Community zu demonstrieren. Es kommt jedoch stark darauf an, welche Institution hinter dem Zertifikat steht und welchen realen Mehrwert die Weiterbildung bietet. Der „Mini-MBA“ mag ein attraktiver Begriff sein, sollte aber nicht überbewertet werden. In der Praxis schauen Startups und andere Investor in erster Linie darauf, ob jemand erfolgreich investiert hat und welche Expertise sie in den Verhandlungen und der Betreuung mitbringen. Wenn diese Programme also wirklich praxisnahes Wissen vermitteln, kann das Zertifikat ein Türöffner sein. Es sollte jedoch nicht der Hauptgrund für die Teilnahme an solchen Programmen sein. Am Ende zählt die Erfahrung und das Netzwerk, das man aufbaut.
Interviewer: Es wird viel Wert auf Coachings und persönliche Beratungsgespräche gelegt. Glauben Sie, dass dies für angehende Investor
ein Schlüsselelement ist?
Kerstin Bontschev: Absolut, das persönliche Coaching und die Beratungsgespräche sind meiner Meinung nach ein sehr wichtiger Bestandteil. Angel Investing ist ein komplexer und oft persönlicher Prozess, bei dem maßgeschneiderte Strategien und individuelle Beratung einen enormen Unterschied machen können. Es ist nicht nur wichtig, theoretisches Wissen zu haben, sondern auch zu lernen, wie man es praktisch anwendet. Besonders hilfreich ist es, wenn man von erfahrenen Business Angels lernt, die bereits erfolgreich in Startups investiert haben. Ein 1:1 Coaching, wie es hier angeboten wird, kann also den Unterschied machen, wenn es darum geht, typische Fehler zu vermeiden und erfolgreiche Investmentstrategien zu entwickeln.
Interviewer: Abschließend, Frau Bontschev, würden Sie das Programm der Entrepreneur Academy jemandem empfehlen, der ernsthaft in das Angel Investing einsteigen möchte?
Kerstin Bontschev: Wenn jemand wirklich daran interessiert ist, in Startups zu investieren und dabei noch nicht über ausreichendes Wissen verfügt, könnte die Entrepreneur Academy durchaus ein sinnvoller Einstieg sein. Es scheint ein gut strukturiertes Angebot zu sein, das praxisnahes Wissen vermittelt. Wichtig ist aber, dass die Teilnehmer
realistische Erwartungen haben und verstehen, dass selbst das beste Trainingsprogramm keine Garantien für Investitionserfolge bieten kann. Man sollte außerdem die rechtlichen Implikationen und mögliche Risiken genau im Auge behalten. Wenn die Academy es schafft, die theoretischen und rechtlichen Aspekte mit praktischen Erfahrungswerten zu verknüpfen, sehe ich hier definitiv einen Mehrwert.
Interviewer: Vielen Dank für Ihre Einschätzungen, Frau Bontschev.
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