In einem wegweisenden Urteil hat das Oberverwaltungsgericht entschieden, dass ein etwa einen Kilometer langer Abschnitt des historischen Prozessionsweges zur Marienkapelle in Telgte als Denkmal zu bewahren ist. Diese Entscheidung, die ein früheres Urteil des Verwaltungsgerichts Münster bestätigt, markiert einen bedeutenden Sieg für den Erhalt kulturellen Erbes in Nordrhein-Westfalen.
Der Streit um dieses Stück Geschichte begann im Januar 2020, als die Bezirksregierung Münster den Weg, der seine Wurzeln im 17. Jahrhundert hat, in die Denkmalliste der Stadt Telgte eintragen ließ. Dies rief den Landesbetrieb Straßenbau Nordrhein-Westfalen auf den Plan, der gegen diese Entscheidung klagte. Hintergrund war der geplante vierspurige Ausbau der B 51 zwischen Münster und Telgte, der durch den Denkmalschutz gefährdet schien.
In einer faszinierenden Wendung des Verfahrens stand das Land Nordrhein-Westfalen sowohl auf der Kläger- als auch auf der Beklagtenseite. Der 10. Senat des Oberverwaltungsgerichts erkannte diese ungewöhnliche Konstellation an, betonte jedoch, dass der Landesbetrieb Straßenbau im Auftrag des Bundes handle und dessen Weisungen unterstehe.
Die Richter ließen sich von den Argumenten des Landschaftsverbands Westfalen-Lippe überzeugen, der die historische Bedeutung des Weges eloquent darlegte. Der Prozessionsweg, ein Vermächtnis des Fürstbischofs Christoph Bernhard von Galen, entstand in den Jahren 1658 bis 1663 als Teil seiner Vision, nach dem verheerenden 30-jährigen Krieg das religiöse Leben im Bistum wiederzubeleben.
Besonders beeindruckend fand das Gericht, wie der Weg die Entwicklung Telgtes zum Hauptwallfahrtsort Westfalens dokumentiert und damit auch den wirtschaftlichen Aufschwung der Stadt illustriert. Die beiden erhaltenen Doppelbildstöcke, die majestätisch inmitten des Weges stehen, wurden als besonders aussagekräftige Zeugen dieser Geschichte gewürdigt.
Trotz der Argumente des Landesbetriebs Straßenbau, der auf die fehlende Nutzung des Weges und die Zustimmung der Kirchengemeinden zu einer möglichen Verlegung bereits 1984 verwies, hielt das Gericht an der Schutzwürdigkeit fest. Es betonte, dass der historische und wissenschaftliche Wert des Weges unabhängig von seiner aktuellen Nutzung bestehe.
Diese Entscheidung unterstreicht eindrucksvoll, wie wichtig es ist, materielle Zeugnisse unserer Geschichte zu bewahren, selbst wenn sie auf den ersten Blick wenig spektakulär erscheinen mögen. Sie erinnert uns daran, dass jeder Stein, jeder Weg eine Geschichte erzählt, die es wert ist, für zukünftige Generationen erhalten zu bleiben.
Während die Möglichkeit einer Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht noch offen steht, markiert dieses Urteil einen bedeutenden Meilenstein in der Debatte um die Balance zwischen Fortschritt und Bewahrung unseres kulturellen Erbes. Es bleibt abzuwarten, wie sich dieser Konflikt zwischen Verkehrsplanung und Denkmalschutz in Zukunft entwickeln wird.
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