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Urteil des OLG Karlsruhe: Wohnmobil-Abgasskandal und die Frage unzulässiger Abschalteinrichtungen

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Das Oberlandesgericht (OLG) Karlsruhe hat am 3. Dezember 2024 ein wegweisendes Urteil im Zusammenhang mit unzulässigen Abschalteinrichtungen in Diesel-Wohnmobilen gefällt (Az. 14 U 488/22). Der Fall, der ein Fiat Ducato-Basisfahrzeug betraf, beleuchtet erneut die juristische Auseinandersetzung um manipulierte Emissionskontrollsysteme. Das Urteil sorgt für Klarheit, insbesondere im Hinblick auf sogenannte „Thermofenster“ und die Berechnung von Schadensersatzansprüchen.

Worum ging es im Fall?

Die Klagepartei, die im Jahr 2016 ein Wohnmobil der Marke Carthago für 81.700 Euro erworben hatte, warf dem Hersteller des Basisfahrzeugs (Fiat Ducato) vor, unzulässige Abschalteinrichtungen in den Motor integriert zu haben. Diese hätten dazu geführt, dass die Abgasreinigung nur unter Prüfstandbedingungen funktionierte, während sie im realen Fahrbetrieb stark reduziert war. Die Klägerseite forderte Schadensersatz, unter anderem in Form eines sogenannten Differenzschadens – also des Unterschieds zwischen dem gezahlten Kaufpreis und dem tatsächlichen Wert des Fahrzeugs aufgrund der Mängel.

Im Zentrum der Vorwürfe stand insbesondere das „Thermofenster“, eine softwaregesteuerte Funktion, die die Abgasrückführungsrate bei bestimmten Außentemperaturen reduziert oder abschaltet. Die Klägerseite argumentierte, dass dies zu einer Umgehung gesetzlicher Abgasvorschriften führe und eine Täuschung der Zulassungsbehörden darstelle.


Die Entscheidung des Gerichts

Das OLG Karlsruhe befand, dass das streitgegenständliche Fahrzeug tatsächlich mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung ausgestattet war. Diese Abschalteinrichtung, in Form des „Thermofensters“, reduzierte die Wirksamkeit der Abgasrückführung unter realen Fahrbedingungen, die in der EU als „üblich“ gelten – etwa bei Außentemperaturen unter 20 Grad Celsius.

„Thermofenster“: Unzulässig, da nicht notwendig

Das Gericht stellte klar, dass das Thermofenster keine zulässige Ausnahme gemäß Art. 5 Abs. 2 Satz 2 der Verordnung Nr. 715/2007/EG darstellt. Es sei nicht ausschließlich notwendig, um den Motor vor unmittelbaren Schäden oder Unfällen zu schützen, wie es die Verordnung fordert. Vielmehr diene die Funktion primär dem Schutz vor schleichendem Verschleiß und Ablagerungen. Solche Zwecke genügten jedoch nicht, um eine Abschalteinrichtung zu rechtfertigen.

Hersteller haftet für Differenzschaden

Das Gericht sprach der Klägerin einen Differenzschaden in Höhe von 5 % des ursprünglichen Kaufpreises zu – also 4.085 Euro. Es berücksichtigte dabei die geringere Nachfrage nach Fahrzeugen mit manipulierten Abgaswerten sowie die Gefahr behördlicher Einschränkungen.


Wichtige Aspekte des Urteils

1. Berechnung der Nutzungsdauer bei Wohnmobilen

Im Gegensatz zu Pkw wird die Nutzungsdauer von Wohnmobilen nicht nach gefahrenen Kilometern bemessen, sondern nach der Gesamtlebensdauer, die das Gericht auf 15 Jahre schätzte. Da Wohnmobile häufig auch als „rollende Wohnungen“ genutzt werden, spielt die Standzeit eine wesentliche Rolle.

2. Zurückweisung des „Verbotsirrtums“

Der Hersteller hatte argumentiert, sich in einem unvermeidbaren Rechtsirrtum befunden zu haben, da die italienische Typgenehmigungsbehörde keine Verstöße festgestellt habe. Das Gericht wies dieses Argument zurück: Der Hersteller habe nicht ausreichend dargelegt, dass ein solcher Irrtum vorlag. Insbesondere fehlte es an einer detaillierten Beschreibung der Funktionsweise des Thermofensters und daran, warum die Verantwortlichen glaubten, dies sei rechtlich zulässig.

3. Keine Entlastung durch Typgenehmigung

Das OLG stellte fest, dass die ausgestellte Übereinstimmungsbescheinigung falsch war, da sie die Einhaltung der Emissionsvorschriften suggerierte. Dass die italienische Zulassungsbehörde das Fahrzeug genehmigte, änderte daran nichts, da die Bescheinigung auch die Einhaltung von EU-Rechtsvorschriften garantieren muss.


Klarstellungen für die Automobilindustrie

Das Urteil stärkt die Position von Käufern, die gegen Fahrzeughersteller wegen unzulässiger Abschalteinrichtungen vorgehen. Es zeigt erneut, dass Hersteller nicht nur die Emissionswerte auf dem Prüfstand, sondern auch im realen Fahrbetrieb einhalten müssen.

Für die Autoindustrie bedeutet dies, dass vermeintliche Ausnahmeregelungen – wie der Einsatz von Thermofenstern – nicht ohne Weiteres als rechtlich zulässig anerkannt werden. Hersteller müssen darlegen, dass solche Maßnahmen zwingend notwendig sind und keine alternativen technischen Lösungen existieren.


Fazit

Das Urteil des OLG Karlsruhe bestätigt die Bedeutung einer konsequenten Auslegung der Emissionsvorschriften zum Schutz von Verbrauchern und Umwelt. Für die Klägerin endet der Fall mit einem Teilerfolg – sie erhält einen Teil ihres Kaufpreises zurück, wenngleich andere Forderungen abgewiesen wurden. Doch die grundlegende Botschaft an die Automobilbranche ist unmissverständlich: Manipulationen, die den Prüfstand und den Straßenbetrieb unterschiedlich behandeln, werden nicht toleriert.

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