Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat am 24.April entschieden, dass es bei der Beurteilung der Offenkundigkeit der Funktionslosigkeit einer Festsetzung in einem Bebauungsplan nicht auf die Wahrnehmung eines durchschnittlichen Betrachters ankommt. Diese Feststellung erfolgte im Zusammenhang mit einem Fall aus Berlin-Kreuzberg, in dem ein Kläger einen Bauvorbescheid für den Ausbau des Dachgeschosses eines fünfgeschossigen Altbaus beantragte. Das Baugrundstück befindet sich im Bereich des Baunutzungsplans von 1958/1960, der weiterhin gilt.
Das Bezirksamt lehnte den Antrag ab, und sowohl die Klage als auch die Berufung scheiterten an der Feststellung, dass das geplante Vorhaben die im Bebauungsplan festgelegte Geschossflächenzahl überschreiten würde. Das Oberverwaltungsgericht urteilte ebenfalls, dass die Festsetzung nicht als funktionslos angesehen werden könne und somit keine Ausnahmebewilligung möglich sei.
Das Bundesverwaltungsgericht hob jedoch dieses Urteil auf und verwies die Sache zurück an das Oberverwaltungsgericht. Es stellte klar, dass die Betrachtung der Funktionslosigkeit einer Festsetzung sich grundsätzlich auf das gesamte Plangebiet erstrecken sollte, das von der Gemeinde im Rahmen ihrer Planungshoheit gestaltet wird. In Berlin wäre das der Zuständigkeitsbereich des jeweiligen Bezirks, wobei eine Fokussierung auf kleinere Teilgebiete möglich ist, sofern die Festsetzung speziell dort ihre Wirkung entfalten soll.
Darüber hinaus kritisierte das Bundesverwaltungsgericht die Annahme des Oberverwaltungsgerichts, dass die Beurteilung der Offenkundigkeit der Funktionslosigkeit aus der Perspektive eines Durchschnittsbetrachters erfolgen könne. Vielmehr sei eine umfassende Prüfung erforderlich, die spezielle Fachkenntnisse verlangt und sowohl die Irreversibilität der tatsächlichen Verhältnisse als auch rechtliche Bewertungen umfasst. Die Offenkundigkeit einer Festsetzung bemisst sich daher nach einer fachkundigen Betrachtungsweise.
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