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Urteil: Corona – Eilantrag einer ungeimpften Zahnarztmitarbeiterin gegen Praxisbetretungsverbot bleibt erfolglos

Daniel_B_photos (CC0), Pixabay
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Der Eilantrag einer in einer Zahnarztpraxis Beschäftigten, die nicht gegen das Coronavirus (SARS-CoV-2) geimpft ist, gegen das Verbot des Gesundheitsamtes des Landkreises Südliche Weinstraße, die Praxisräume zu betreten, bleibt ohne Erfolg. Dies entschied das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz in Koblenz.

Nach § § 20a Infektionsschutzgesetz – IfSG – müssen Personen in bestimmten Einrichtungen, zu denen u.a. Arzt- und Zahnarztpraxen gehören, ab 15. März 2022 über einen Impf- oder Genesenennachweis gegen das Coronavirus (SARS-CoV-2) verfügen. Das Gesundheitsamt kann einer Person, die keinen Nachweis innerhalb einer angemessenen Frist vorlegt, untersagen, dass sie die Räume der Einrichtung betritt. Hierauf gestützt untersagte das Gesundheitsamt des Landkreises Südliche Weinstraße mit Bescheid vom 30. Juni 2022 der ungeimpften Antragstellerin, die dem Betrieb der Praxis dienenden Räume zu betreten und drohte ihr zur Durchsetzung des Betretungsverbots ein Zwangsgeld in Höhe von 1.000 € an. Sie erhob dagegen Widerspruch und suchte zugleich um vorläufigen gerichtlichen Rechtsschutz nach. Im Laufe des Gerichtsverfahrens wurde bei ihr das Coronavirus mit einem PCR-Test nachgewiesen. Daraufhin konkretisierte der Landkreis Südliche Weinstraße das Betretungsverbot dahingehend, dass es bis zum Außerkrafttreten des § 20a IfSG (derzeit: 31. Dezember 2022) mit Ausnahme des Zeitraums ab dem 29. Tag bis zum 90. Tag nach der Testung zum Nachweis der vorherigen Infektion gilt. Ihren Eilantrag lehnte das Verwaltungsgericht ab (vgl. Pressemitteilung des Verwaltungsgerichts Neustadt an der Weinstraße Nr. 13/2022). Das Oberverwaltungsgericht wies ihre hiergegen eingelegte Beschwerde zurück.

Das öffentliche Interesse am Sofortvollzug des gegenüber der Antragstellerin angeordneten Praxisbetretungsverbots überwiege gegenüber ihrem Aussetzungsinteresse. Die in § 20a IfSG bis zum 31. Dezember 2022 befristet geregelte Pflicht zum Nachweis einer Impfung oder Genesung aller in bestimmten Einrichtungen tätigen Personen sei entgegen der Auffassung der Antragstellerin nicht wegen zwischenzeitlich veränderter tatsächlicher Bedingungen oder neu gewonnener wissenschaftlicher Erkenntnisse als offensichtlich verfassungswidrig zu erachten.

In Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes könne die Frage der Verfassungskonformität eines Gesetzes nur dann Gegenstand der ausschließlich möglichen summarischen Prüfung sein, wenn bei offensichtlicher Verfassungswidrigkeit der Norm die Dringlichkeit, ihren Vollzug einstweilen auszusetzen, besonders deutlich wird. Gerade im Hinblick auf die Regelungsgegenstände aus dem Bereich des Infektionsschutzes – als besonderem Gefahrenabwehrrecht – müsse eine etwaige Verfassungswidrigkeit in einem Eilverfahren mit hoher Wahrscheinlichkeit feststellbar sein. Gemessen hieran bleibe das Beschwerdevorbringen ohne Erfolg, wonach § 20a IfSG mittlerweile wegen eines Verstoßes gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz offensichtlich verfassungswidrig sei, da eine Wirksamkeit der Impfungen zum Schutz vor (symptomatischen) SARS-CoV-2-Infektionen bei der nunmehr vorherrschenden Omikron-Variante BA.5 im Vergleich zu den Omikron-Vorgängervarianten deutlich nachgelassen habe bzw. nicht mehr „relevant“ sei (sog. Immune Escape), so dass mit Testungen ein milderes und effektiveres Mittel zur Infektionsprävention zur Verfügung stehe. Entgegen dem Vorbringen der Antragstellerin sei es nicht „auf Grundlage aller verfügbaren Daten“ offensichtlich, dass die Vertretbarkeit der Eignungsprognose des Gesetzgebers, die verfügbaren Impfstoffe könnten in einem noch relevanten Umfang vor einer Infektion schützen und – sollten sich Betroffene gleichwohl infizieren – zu einer Reduzierung des Transmissionsrisikos beitragen, erschüttert wäre.

Die dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 27. April 2022 zur einrichtungsbezogenen Nachweispflicht gemäß § 20a IfSG zugrundeliegenden Stellungnahmen der als sachkundige Dritte angehörten Fachgesellschaften bezifferten eine Impfstoffwirksamkeit gegenüber „der Omikron-Variante“ des Coronavirus SARS-CoV-2 – vorbehaltlich wissenschaftlicher Bewertungsunsicherheiten – bei dreifach Geimpften auf 40 bzw. 50 bis 70 %; bei einer Grundimmunisierung sei die Schutzrate (teils mit 42,8 % beziffert) zwar reduziert, aber nicht bzw. erst nach Ablauf von 15 Wochen nach der Grundimmunisierung aufgehoben. Zudem bestehe eine im Allgemeinen niedrigere Wahrscheinlichkeit einer Übertragung durch eine geimpfte Person nach Infektion mit der Omikron-Variante. Hiervon ausgehend habe das Bundesverfassungsgericht erkannt, dass die Annahme des Gesetzgebers einer noch relevanten Schutzwirkung der Nachweispflicht des § 20a IfSG im Rahmen der auf die Eignung bezogenen Einschätzungsprärogative sowohl im Zeitpunkt der Verabschiedung des Gesetzes als auch weiterhin tragfähig sei (vgl. Beschluss vom 27. April 2022 – 1 BvR 2649/21 –). Nach der im vorliegenden Eilverfahren allein gebotenen summarischen Prüfung sei nicht festzustellen, dass sich diese noch im April 2022 verfassungsgerichtlich gebilligte Einschätzung des Gesetzgebers unter Berücksichtigung der seit Mitte Juni 2022 und gegenwärtig mit 95 % den ganzüberwiegenden Teil sequenzierter Sublinien ausmachenden Omikron-Sublinie BA.5 offensichtlich als nicht mehr vertretbar erweise. Dies gelte insbesondere mit Blick auf eine nach der Empfehlung der Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA) vom 1. September 2022 erwartbare Zulassung für September 2022 angekündigter, an die Virusvariante BA.1 angepasster Impfstoffe sowie die geplante Einführung an die Virusvarianten BA.4 und BA.5 angepasster Impfstoffe Ende September/Anfang Oktober 2022.

Beschluss vom 2. September 2022, Aktenzeichen: 6 B 10723/22.OVG

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