Die US-Justiz wirft der großen Apothekenkette CVS vor, durch das Ausstellen und Abrechnen illegaler Opioid-Rezepte zur nationalen Opioid-Krise beigetragen zu haben. In einer am Mittwoch veröffentlichten Klage beschuldigt das Justizministerium CVS, gegen das Controlled Substances Act verstoßen zu haben, indem übermäßige Mengen von Opioiden und riskante Medikamentenkombinationen ohne legitimen medizinischen Grund abgegeben wurden. Die Klage beschreibt ein Bild systemischer Versäumnisse und eines Unternehmenskurses, der auf Profitmaximierung um jeden Preis ausgerichtet scheint.
Ignorierte Warnzeichen und Todesfälle
Von 2013 bis heute soll CVS routinemäßig Rezepte von sogenannten „Pill Mills“ ausgefüllt haben – Ärzte, die massenhaft Opioide verschreiben, oft ohne medizinische Grundlage. Die Klage erhebt schwere Vorwürfe gegen das Unternehmen, das offenbar interne Warnungen von Mitarbeitenden und Hinweise auf verdächtige Ärzte ignorierte. In einigen Fällen starben Patienten kurz nach der Einnahme der verschriebenen Medikamente an Überdosierungen.
Besonders brisant: Ein Arzt aus Alabama, der 2016 wegen illegaler Verschreibungen verhaftet wurde, wurde von CVS trotz interner Warnungen weiterhin mit Hunderten Rezepten beliefert. Ähnlich fahrlässig agierte das Unternehmen bei einem Arzt aus Pennsylvania, der als „Pillenhändler“ bekannt war. Patientenrezensionen beschrieben ihn als „Schreiberling ohne Untersuchung“. Dennoch wurden tausende Rezepte von CVS ausgeführt.
Systemfehler oder vorsätzliches Handeln?
Das Justizministerium argumentiert, dass diese Verstöße durch unternehmensinterne Vorgaben begünstigt wurden, die auf Leistungsmessung und Effizienz setzten. Mitarbeiter berichten von einem „Fließband-System“, das den Fokus auf Geschwindigkeit statt auf Patientensicherheit legt. Ein Mitarbeiter schrieb zynisch: „CVS behandelt Medikamentensicherheit wie McDonald’s Bestellungen.“
Auch die Whistleblower-Klage eines ehemaligen CVS-Mitarbeiters wirft ein schlechtes Licht auf das Unternehmen. Trotz personeller Unterbesetzung und mangelnder Überprüfung verdächtiger Verschreibungen forderte CVS seine Apotheker auf, so schnell wie möglich zu arbeiten – Sicherheit und ethische Verantwortung blieben dabei auf der Strecke.
CVS wehrt sich – alte Muster wiederholen sich
CVS bestreitet die Vorwürfe vehement. In einer Stellungnahme heißt es: „Wir haben über vier Jahre mit der Untersuchung kooperiert und widersprechen den Behauptungen und der falschen Darstellung in dieser Klage.“ Doch es ist nicht das erste Mal, dass CVS wegen seines Umgangs mit Opioiden unter Beschuss gerät. Bereits 2022 stimmte das Unternehmen einem Vergleich in Höhe von knapp 5 Milliarden US-Dollar zu, um tausende ähnliche Klagen beizulegen – ohne Schuldanerkennung.
Die neue Klage verdeutlicht jedoch, dass die Probleme systemisch sind. Die aktuellen Vorwürfe werfen die Frage auf, ob der Milliardenvergleich lediglich ein Pflaster auf eine tiefergehende Wunde war.
Opioid-Epidemie: Eine nationale Tragödie
Seit 1999 starben in den USA über 800.000 Menschen an Opioid-Überdosierungen. Obwohl die Sterberaten zuletzt leicht sanken, bleibt die Krise ein zentrales Problem des US-Gesundheitssystems. Unternehmen wie CVS tragen durch ihr Handeln erheblich zur Verschärfung dieser Situation bei, wenn sie Profit über Sicherheit stellen.
Kritische Fragen an CVS und das System
Die Klage wirft ein Schlaglicht auf die moralische Verantwortung großer Unternehmen im Gesundheitswesen. Kann eine Organisation, die systematisch Risiken ignoriert und Warnungen übergeht, weiterhin Vertrauen bei Patienten genießen? Und wie weit darf der Fokus auf wirtschaftliche Effizienz gehen, bevor Menschenleben zur bloßen Statistik werden?
Es bleibt abzuwarten, ob diese Klage ein Weckruf ist – für CVS, für die Branche und für ein System, das immer wieder zeigt, wie teuer Profitgier bezahlt werden kann.
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