Die Wirtschaft der Vereinigten Staaten steht laut führenden Ökonomen trotz einer 90-tägigen Zollpause von Präsident Donald Trump vor einer massiven Abschwächung – möglicherweise sogar einer Rezession. Die jüngste Lockerung in Trumps eskalierendem Handelskrieg scheint wenig Vertrauen in die Stabilität der Konjunktur zurückzubringen.
Laut einer aktuellen Umfrage des Informationsdienstleisters Wolters Kluwer unter 46 Wirtschaftsexperten wird das Bruttoinlandsprodukt (BIP) der USA im Jahr 2025 lediglich um 0,8 % wachsen – halb so viel wie die Prognose vom Vormonat (1,7 %). Noch im vergangenen Jahr lag das Wachstum bei soliden 2,8 %.
Die Wahrscheinlichkeit, dass die US-Wirtschaft in eine Rezession abrutscht, wird inzwischen mit 47 % beziffert – ein markanter Anstieg gegenüber den 25 % im Februar.
Tarifpause mit begrenzter Wirkung
Die Umfrage wurde zwischen dem 4. und 7. April durchgeführt – nach der Ankündigung von Trumps „reziproken“ Zöllen auf Waren aus über 50 Ländern, jedoch noch vor seiner Entscheidung am 9. April, die Maßnahmen für 90 Tage auszusetzen. Von der Ausnahme nicht betroffen: China, dessen Exporte nun mit einem Rekordzollsatz von 145 % belegt werden.
„Das summiert sich zu noch höheren effektiven Zöllen“, erklärte Marc Giannoni, Chefökonom bei Barclays. Der durchschnittliche US-Zollsatz auf Importe sei dadurch zunächst auf 30 % gestiegen – gegenüber 23 % Anfang April und gerade einmal 2–3 % vor Beginn des Handelskriegs.
Kurz darauf kündigte das Weiße Haus jedoch weitere Ausnahmen für Smartphones, Computerchips und andere Elektronikprodukte an, was den durchschnittlichen Zollsatz wieder auf etwa 23 % senken könnte. Giannoni betonte jedoch, dass diese Maßnahme kaum ausreiche, um die negativen Folgen für Konjunktur und Inflation abzufedern.
Elektronik-Ausnahme nur temporär
Handelsminister Howard Lutnick stellte in einem Interview klar, dass die Ausnahmen nur vorübergehend seien. In ein bis zwei Monaten plane die Regierung, auch diese Produktgruppen mit neuen Zöllen – insbesondere auf Halbleiter – zu belegen.
Eine separate Umfrage der National Association of Business Economics bestätigt den pessimistischen Ausblick: Hier prognostizieren die Experten ein Wirtschaftswachstum von lediglich 0,7 % für 2025.
Teurere Produkte, sinkende Kaufkraft
Ein zentraler Kritikpunkt der Ökonomen: Die Zölle werden weitgehend von Herstellern und Händlern an Verbraucher weitergegeben, was die Preise steigen lässt. Konsumenten verlieren dadurch Kaufkraft – und diese macht rund 70 % der US-Wirtschaftsleistung aus.
„Wir hatten ein sehr solides erstes Quartal“, so Giannoni. „Aber die Zölle dämpfen die wirtschaftliche Aktivität und schwächen die Nachfrage.“
Kathy Bostjancic, Chefvolkswirtin von Nationwide, erwartet ein Wachstum von nur 1 % und spricht von einem „massiven Schock“. Sie geht davon aus, dass nicht nur Konsumausgaben zurückgehen, sondern auch Börsenturbulenzen und Arbeitsplatzverluste ihren Tribut fordern werden – besonders bei einkommensstarken Haushalten.
Reale Auswirkungen spürbar
Laut Umfrage der Universität Michigan fiel die Verbraucherstimmung im April auf den niedrigsten Stand seit Juni 2022. Die Inflationserwartungen der Konsumenten für das kommende Jahr kletterten auf 6,7 % – der höchste Wert seit 1981.
Auch Investitionen der Unternehmen leiden: Für 2025 wird ein Wachstum von nur noch 1,2 % erwartet – deutlich weniger als die 3,6 % im Vorjahr.
Zölle auf breiter Front
Die von Trump verhängten „reziproken“ Zölle sollen nach offizieller Lesart eine Angleichung an die Zollpraktiken anderer Länder darstellen. Der Mindesttarif beträgt 10 %, viele Waren werden jedoch mit bis zu 50 % belegt. Hinzu kommen bereits bestehende Sonderzölle: 25 % auf Autos, Stahl und Aluminium sowie 20 % auf chinesische Produkte.
Trotz der temporären Ausnahmen und Pausen bleibt laut Giannoni das Hauptproblem bestehen: „Die Unsicherheit ist längst da – und sie bremst das Wachstum. Die 90 Tage verlängern lediglich diese Unsicherheit.“
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