„Verbraucher stehen oft mit leeren Händen da“
Rechtsanwalt Jens Reime im Interview über rechtliche Fallstricke bei Photovoltaik-Anlagen, Vorkasse und unseriöse Anbieter
Herr Reime, Photovoltaik liegt weiter im Trend. Doch immer häufiger berichten Verbraucherschützer von Problemen – was beobachten Sie aktuell in Ihrer Beratungspraxis?
Jens Reime: Der Solarmarkt boomt, keine Frage – und das ist grundsätzlich erfreulich. Aber mit dem Boom steigt auch das Risiko für Verbraucher. Viele Anbieter nutzen die hohe Nachfrage aus, um mit undurchsichtigen Geschäftsmodellen oder überzogenen Versprechen zu locken. Am Ende sehen wir in der Praxis dann leider immer häufiger: Pfusch bei der Montage, mangelhafte Dokumentation oder sogar erhebliche Gebäudeschäden, wie etwa undichte Dächer.
Im aktuellen Fall wurde ein Dach durch die Arbeiten eines Subunternehmens undicht, der Anbieter will die Verantwortung nicht übernehmen. Wie ist die Rechtslage?
Das ist ein typisches Beispiel für die Probleme bei Subunternehmern. Rechtlich gesehen bleibt der Vertragspartner – also der Anbieter – verantwortlich, auch wenn er die Arbeiten an ein Subunternehmen weitergegeben hat. Verbraucher:innen haben das Recht auf eine mangelfreie Werkleistung, und das gilt unabhängig davon, wer tatsächlich auf dem Dach steht. Wer Schäden am Haus erleidet, hat Anspruch auf Nachbesserung oder Schadenersatz.
Was sagen Sie zu der häufig praktizierten Vorkasse?
Vorkasse ist eines der größten Risiken überhaupt. Eine Photovoltaikanlage ist ein klassischer Werkvertrag. Hier gilt: Die Zahlung erfolgt erst nach Leistung – also nach Abnahme einer voll funktionsfähigen Anlage. Wenn bereits im Voraus hohe Beträge überwiesen werden, stehen die Kunden im Fall von Verzögerungen oder Insolvenzen ohne Gegenleistung da. In solchen Fällen sind Rückforderungsansprüche zwar möglich, aber oft schwer durchsetzbar, insbesondere wenn das Geld weg oder der Anbieter insolvent ist.
Viele Anbieter werben mit „Rundum-sorglos-Paketen“ oder setzen potenzielle Kunden unter Zeitdruck. Was raten Sie in solchen Situationen?
Solche Angebote klingen gut – sind aber oft reine Verkaufsmaschen. Wenn jemand mit begrenzten Aktionsfristen, Rabatten bei Sofortentscheidung oder „Null-Euro-Angeboten“ wirbt, sollte man besonders vorsichtig sein. Auch sogenannte Cold Calls, also unaufgeforderte Werbeanrufe, sind in Deutschland unzulässig, sofern keine ausdrückliche Einwilligung vorliegt. Mein Rat: Finger weg bei Zeitdruck oder undurchsichtigen Angeboten – und immer mehrere Anbieter vergleichen.
Worauf sollten Verbraucher vor Vertragsabschluss besonders achten?
Zunächst: Wer macht die Arbeit? Ist das Unternehmen lokal, etabliert, eingetragen in der Handwerkskammer? Dann: Was steht im Vertrag? Gibt es klare Angaben zu Produkten, Leistungen, Zeitrahmen und Zahlungsmodalitäten? Und ganz wichtig: Im Vertrag kann man auch Subunternehmer ausschließen oder dokumentieren lassen, dass nur qualifiziertes Fachpersonal eingesetzt wird.
Was gilt nach der Montage?
Nach der Installation hat der Anbieter die Pflicht, eine vollständige Dokumentation zu übergeben – inklusive technischer Einweisung. Ist das nicht der Fall, ist die Leistung nicht vollständig erbracht. Wer ganz sicher gehen will, lässt die Anlage zusätzlich von einem unabhängigen Fachbetrieb überprüfen.
Ihr abschließender Tipp für Eigenheimbesitzer, die mit dem Gedanken spielen, eine Solaranlage zu installieren?
Nicht übereilt entscheiden. Photovoltaik ist eine langfristige Investition. Holen Sie sich Angebote von zwei bis drei regionalen Betrieben, achten Sie auf transparente Kommunikation, und zahlen Sie nie mehr, als tatsächlich geleistet wurde. Wenn Unsicherheiten bleiben – lassen Sie den Vertrag im Zweifel von einem Juristen oder einer Verbraucherzentrale prüfen. Das spart oft viel Ärger.
Herr Reime, vielen Dank für das Gespräch.
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