Startseite Allgemeines Justiz Verhandlungstermin am 1. Juni 2022, 10.00 Uhr in Sachen VIII ZR 287/20 (Weiteres Verfahren der Klageserie gegen Berliner Fernwärmeversorgungsunternehmen)
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Verhandlungstermin am 1. Juni 2022, 10.00 Uhr in Sachen VIII ZR 287/20 (Weiteres Verfahren der Klageserie gegen Berliner Fernwärmeversorgungsunternehmen)

fancycrave1 (CC0), Pixabay
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Im Anschluss an sein Urteil vom 6. April 2022 (siehe hierzu Pressemitteilung Nr. 60/2022) wird sich der unter anderem für das Energielieferungsrecht zuständige VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs in diesem Verhandlungstermin erneut mit Rechtsfragen zu Preisänderungsklauseln in Fernwärmelieferungsverträgen befassen. Es handelt sich um ein weiteres von zahlreichen beim Senat anhängigen Verfahren, in denen Ansprüche gegen ein Berliner Energieversorgungsunternehmen geltend gemacht werden.

Sachverhalt:

Die Beklagte belieferte die Kläger in den Jahren 2002 bis 2018 auf der Grundlage von Allgemeinen Versorgungsbedingungen im Sinne von § 1 Abs. 1 AVBFernwärmeV mit Fernwärme. Hiernach stellte die Beklagte ihren Kunden einen verbrauchsunabhängigen Bereitstellungspreis und einen verbrauchsabhängigen Arbeitspreis in Rechnung, die sie nach Maßgabe im Vertrag vorgesehener Preisänderungsklauseln jährlich anpasste.

Im Januar 2019 entschied das Kammergericht in einem anderen gegen die Beklagte gerichteten Rechtsstreit, dass die auf den Arbeitspreis bezogene Preisänderungsklausel den Transparenzanforderungen in § 24 Abs. 4 Satz 2 AVBFernwärmeV nicht genüge und damit sämtliche in den Allgemeinen Versorgungsbedingungen der Beklagten enthaltenen Anpassungsklauseln – also auch die den Bereitstellungspreis betreffende – nach § 139 BGB unwirksam seien. Unter Berufung auf dieses Urteil hielten die Kläger – wie andere Kunden auch – die entrichteten Wärmeentgelte für überhöht und verlangten Rückerstattung.

Bisheriger Prozessverlauf:

Die auf Rückzahlung in den Jahren 2015 bis 2018 vermeintlich überzahlter Arbeits- und Bereitstellungspreise in Höhe von 1.350,24 € nebst Zinsen gerichtete Klage hat vor dem Amtsgericht zunächst Erfolg gehabt. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landgericht das erstinstanzliche Urteil jedoch abgeändert und die Klage abgewiesen.

Dabei ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass die Preisänderungsklausel betreffend den Arbeitspreis zwar nach § 24 Abs. 4 Satz 2 AVBFernwärmeV intransparent und deshalb gemäß § 134 BGB unwirksam sei. Dies erfasse jedoch nicht zugleich die Anpassungsklausel zum Bereitstellungspreis, da es sich um jeweils voneinander getrennte und keinen rechnerischen Zusammenhang aufweisende Preisänderungsformeln handele (vgl. hierzu bereits Pressemitteilung Nr. 60/2022).

 

Aber auch bezüglich der von der Beklagten abgerechneten Arbeitspreise liege im streitgegenständlichen Zeitraum keine Überzahlung vor, da insoweit – entgegen der Auffassung der Kläger – nicht auf die bei Abschluss des Vertrags im Jahr 2002 vereinbarten (deutlich niedrigeren) Anfangspreise abzustellen sei. Vielmehr könnten Kunden bei Energielieferungsverträgen nach der sogenannten Dreijahreslösung des Bundesgerichtshofs (vgl. hierzu etwa Pressemitteilung Nr. 35/2012 sowie Senatsurteil vom 24. September 2014 – VIII ZR 350/13, NJW 2014, 3639 Rn. 16 f.) unwirksame Preiserhöhungen nur dann geltend machen, soweit sie diese innerhalb eines Zeitraums von drei Jahren ab Zugang der Jahresabrechnung, in der die jeweilige Preiserhöhung erstmals berücksichtigt worden sei, beanstandet hätten. Danach seien vorliegend die Arbeitspreise des Jahres 2014 maßgebend, weil die Kläger den unwirksamen Preiserhöhungen erstmals im Februar 2019 widersprochen hätten. Hiernach sei es im streitgegenständlichen Abrechnungszeitraum jedoch zu keinen Überzahlungen gekommen, da die von der Beklagten in den Jahren 2015 bis 2018 abgerechneten Arbeitspreise nicht über dem Preis des Jahres 2014 gelegen hätten.

 

Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision begehren die Kläger die Wiederherstellung des (stattgebenden) erstinstanzlichen Urteils. Sie sind unter anderem der Auffassung, die sogenannte Dreijahreslösung des Bundesgerichtshofs sei mit der jüngeren Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union zu Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 93/13/EWG („Klausel-Richtlinie“) nicht vereinbar.

 

Vorinstanzen:

 

Amtsgericht Schöneberg – 107 C 76/19 – Urteil vom 30. Januar 2020

 

Landgericht Berlin – 3 S 7/20 – Urteil vom 11. September 2020

 

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

 

Bürgerliches Gesetzbuch

 

  • 134 Gesetzliches Verbot

 

Ein Rechtsgeschäft, das gegen ein gesetzliches Verbot verstößt, ist nichtig, wenn sich nicht aus dem Gesetz ein anderes ergibt.

 

  • 139 BGB Teilnichtigkeit

 

Ist ein Teil eines Rechtsgeschäfts nichtig, so ist das ganze Rechtsgeschäft nichtig, wenn nicht anzunehmen ist, dass es auch ohne den nichtigen Teil vorgenommen sein würde.

 

Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Versorgung mit Fernwärme (AVBFernwärmeV) in der bis zum 4. Oktober 2021 gültigen Fassung:

 

  • 1 Gegenstand der Verordnung

 

(1) 1Soweit Fernwärmeversorgungsunternehmen für den Anschluss an die Fernwärmeversorgung und für die Versorgung mit Fernwärme Vertragsmuster oder Vertragsbedingungen verwenden, die für eine Vielzahl von Verträgen vorformuliert sind (allgemeine Versorgungsbedingungen), gelten die §§ 2 bis 34. […]

 

  • 24 Abrechnung, Preisänderungsklauseln

 

[…]

 

(4) 1Preisänderungsklauseln dürfen nur so ausgestaltet sein, dass sie sowohl die Kostenentwicklung bei Erzeugung und Bereitstellung der Fernwärme durch das Unternehmen als auch die jeweiligen Verhältnisse auf dem Wärmemarkt angemessen berücksichtigen. 2Sie müssen die maßgeblichen Berechnungsfaktoren vollständig und in allgemein verständlicher Form ausweisen. […]

 

Richtlinie 93/13/EWG des Rates vom 5. April 1993 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen

Artikel 6

(1) Die Mitgliedstaaten sehen vor, dass missbräuchliche Klauseln in Verträgen, die ein Gewerbetreibender mit einem Verbraucher geschlossen hat, für den Verbraucher unverbindlich sind, und legen die Bedingungen hierfür in ihren innerstaatlichen Rechtsvorschriften fest; sie sehen ferner vor, dass der Vertrag für beide Parteien auf derselben Grundlage bindend bleibt, wenn er ohne die missbräuchlichen Klauseln bestehen kann.

 

[…]

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