Der unter anderem für Ansprüche aus Besitz und Eigentum an beweglichen Sachen zuständige V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs verhandelt in einem Verfahren, in dem es um den gutgläubigen Erwerb eines gebrauchten Fahrzeugs geht. Es wird voraussichtlich zu klären sein, ob dann, wenn die Vorlage des Fahrzeugbriefs (heute: Zulassungsbescheinigung Teil II) bei dem Fahrzeugerwerb streitig ist, derjenige, der den guten Glauben in Abrede stellt, die Beweislast für die Nichtvorlage der Bescheinigung trägt, oder ob der das Fahrzeug besitzende Erwerber die Vorlage beweisen muss.
Sachverhalt:
Die Klägerin, die Fahrzeuge in Italien vertreibt, kaufte unter Einschaltung eines Vermittlers ein gebrauchtes Kraftfahrzeug (Mercedes C 43 AMG Kombi) von einem Autohaus, bei dem das Fahrzeug stand. Eigentümerin des Fahrzeugs war aber nicht das Autohaus, sondern die Beklagte, eine Leasinggesellschaft, die auch im Besitz der Zulassungsbescheinigung Teil II ist. Nach Zahlung des Kaufpreises holte der Vermittler das Fahrzeug bei dem Autohaus ab und verbrachte es nach Italien. Zwischen den Parteien ist streitig, ob ihm eine echt aussehende Zulassungsbescheinigung Teil II vorgelegt wurde, in der das Autohaus als Halter eingetragen war. Mit der Klage verlangt die Klägerin von der Beklagten die Herausgabe der Bescheinigung. Die Beklagte hat Widerklage erhoben und verlangt von der Klägerin die Herausgabe des Fahrzeugs.
Bisheriger Prozessverlauf:
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und der Widerklage stattgegeben. Auf die Berufung der Klägerin hat das Oberlandesgericht der Klage stattgegeben und die Widerklage abgewiesen. Mit der von dem Oberlandesgericht zugelassenen Revision möchte die Beklagte die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils erreichen.
Das Berufungsgericht meint, die Klägerin sei Fahrzeugeigentümerin geworden. Dafür spreche schon die Vermutung des § 1006 Abs. 1 BGB, die die Beklagte nicht widerlegt habe. Die Klägerin habe das Eigentum an dem Fahrzeug gutgläubig erworben (§ 932 Abs. 1 Satz 1 BGB). Die Klägerin wäre dann nicht in gutem Glauben an das Eigentum des Autohauses gewesen, wenn dem Vermittler, auf dessen Kenntnis es ankomme, bei Übergabe des Fahrzeugs die Zulassungsbescheinigung Teil II nicht vorgelegt worden wäre. Das könne nicht festgestellt werden. Zwar sei das Original der Bescheinigung unstreitig nicht vorgelegt worden. Der gute Glaube der Klägerin sei aber auch dann geschützt, wenn eine Zulassungsbescheinigung Teil II vorgelegt worden sei, bei der sich um eine hochwertige, nicht als solche erkennbare Fälschung gehandelt habe. Davon sei zu Lasten der Beklagten auszugehen. Die Beklagte trage die Beweislast dafür, dass eine echt aussehende Zulassungsbescheinigung Teil II nicht vorgelegt worden sei. Einen Beweis habe sie nicht angeboten. An dem guten Glauben der Klägerin fehle es auch nicht deshalb, weil dem Vermittler die (gefälschte) Zulassungsbescheinigung Teil II nur vorgezeigt und nicht übergeben worden sei. In dem Kaufvertrag sei vorgesehen gewesen, dass die Bescheinigung mit der Post übersandt werde. Das sei im internationalen Fahrzeughandel üblich. Die Beklagte vertritt im Revisionsverfahren die Auffassung, die Klägerin müsse beweisen, dass die Zulassungsbescheinigung Teil II vorgelegt worden sei. Sie selbst sei an dem Erwerbsvorgang nicht beteiligt gewesen und habe keine Kenntnis von dem Geschehensablauf.
Vorinstanzen:
LG Stuttgart – Urteil vom 26. Februar 2021 – 14 O 43/20
OLG Stuttgart – Urteil vom 21. Juli 2021 – 9 U 90/21
Die maßgeblichen Vorschriften lauten:
- 932 BGB Gutgläubiger Erwerb vom Nichtberechtigten
(1) Durch eine nach § 929 erfolgte Veräußerung wird der Erwerber auch dann Eigentümer, wenn die Sache nicht dem Veräußerer gehört, es sei denn, dass er zu der Zeit, zu der er nach diesen Vorschriften das Eigentum erwerben würde, nicht in gutem Glauben ist. In dem Falle des § 929 Satz 2 gilt dies jedoch nur dann, wenn der Erwerber den Besitz von dem Veräußerer erlangt hatte.
(2) Der Erwerber ist nicht in gutem Glauben, wenn ihm bekannt oder infolge grober Fahrlässigkeit unbekannt ist, dass die Sache nicht dem Veräußerer gehört.
- 1006 BGB Eigentumsvermutung für Besitzer
(1) Zugunsten des Besitzers einer beweglichen Sache wird vermutet, dass er Eigentümer der Sache sei. (…)
(2) …
(3) …
Kommentar hinterlassen