Startseite Allgemeines Justiz Verhandlungstermin am 15. Oktober 2021 um 9.45 Uhr in Sachen V ZR 115/20 (Nachbarstreit über grenzüberschreitende Wärmedämmung)
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Verhandlungstermin am 15. Oktober 2021 um 9.45 Uhr in Sachen V ZR 115/20 (Nachbarstreit über grenzüberschreitende Wärmedämmung)

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Der unter anderem für das Nachbarrecht zuständige V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs verhandelt über ein Verfahren, in dem zu klären ist, ob landesrechtliche Regelungen, die eine grenzüberschreitende nachträgliche Wärmedämmung von Bestandsbauten erlauben, mit dem Grundgesetz vereinbar sind.

 

Sachverhalt:

Die Parteien sind Eigentümer benachbarter Grundstücke, die jeweils mit vermieteten Mehrfamilienhäusern bebaut sind. Die Giebelwand des vor mehreren Jahrzehnten errichteten Gebäudes der Klägerin steht direkt an der gemeinsamen Grundstücksgrenze, während das Gebäude der Beklagten etwa 5 Meter von der Grenze entfernt ist. Gestützt auf die Behauptung, eine Innendämmung ihres Gebäudes könne nicht mit vertretbarem Aufwand vorgenommen werden, verlangt die Klägerin von den Beklagten, dass diese die grenzüberschreitende Außendämmung der Giebelwand der Klägerin dulden.

 

Bisheriger Prozessverlauf:

Das Amtsgericht hat der Klage nach Beweisaufnahme stattgegeben. Auf die Berufung der Klägerin hat das Landgericht die Klage abgewiesen und die Revision zugelassen. Mit ihrem Rechtsmittel will die Klägerin das Urteil des Amtsgerichts wiederherstellen lassen.

Nach Ansicht des Landgerichts müssen die Beklagten die grenzüberschreitende Wärmedämmung als vorsätzlichen Überbau gemäß § 912 BGB nicht dulden. Die in § 23a Abs. 1 NachbarG NW vorgeschriebene Duldungspflicht sei verfassungswidrig und nichtig, weil es an der Gesetzgebungskompetenz des Landes fehle. Der Bundesgesetzgeber habe von der konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz für das bürgerliche Recht Gebrauch gemacht und in § 912 BGB abschließend geregelt, inwieweit Nachbarn einen Überbau dulden müssten. Der in Art. 124 EGBGB enthaltene Vorbehalt erlaube lediglich andersartige landesrechtliche Beschränkungen des Eigentums an Grundstücken zugunsten des Nachbarn, nicht jedoch eine Modifizierung der im Bürgerlichen Gesetzbuch bereits geregelten Eigentumsbeschränkungen. Eine Aussetzung des Verfahrens und Vorlage an das Bundesverfassungsgericht gemäß Art. 100 GG hat das Berufungsgericht als entbehrlich angesehen.

Dagegen hält die Klägerin § 23a Abs. 1 NachbarG NW für wirksam. Die Länder seien aufgrund des Vorbehalts in Art. 124 EGBGB befugt, die nachträgliche Wärmedämmung zu regeln. Selbst wenn der historische Gesetzgeber eine Verschärfung der im Bürgerlichen Gesetzbuch geregelten nachbarlichen Duldungspflichten durch Landesrecht nicht gewollt habe, komme dies im maßgeblichen Wortlaut des Art. 124 EGBGB nicht zum Ausdruck.

Vorinstanzen:

AG Köln – Urteil vom 2. Oktober 2019 – 127 C 551/17

LG Köln – Urteil vom 14. Mai 2020 – 29 S 223/19

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

  • 23 a NachbG NW Wärmedämmung und Grenzständige Gebäude

(1) Der Eigentümer bzw. die Eigentümerin eines Grundstücks hat die Überbauung seines bzw. ihres Grundstücks aufgrund von Maßnahmen, die an bestehenden Gebäuden für Zwecke der Wärmedämmung vorgenommen werden, zu dulden, wenn diese über die Bauteileanforderungen in der Energieeinsparverordnung vom 24. Juli 2007 (BGBl. I S. 1519), geändert durch Verordnung vom 29. April 2009 (BGBl. I S. 954), in der jeweils geltenden Fassung nicht hinausgeht, eine vergleichbare Wärmedämmung auf andere Weise mit vertretbarem Aufwand nicht vorgenommen werden kann und die Überbauung die Benutzung des Grundstücks nicht oder nur unwesentlich beeinträchtigt. Eine wesentliche Beeinträchtigung ist insbesondere dann anzunehmen, wenn die Überbauung die Grenze zum Nachbargrundstück in der Tiefe um mehr als 0,25 m überschreitet (…)

(5) Dem bzw. der Eigentümer/in des betroffenen Grundstücks ist ein angemessener Ausgleich in Geld zu leisten. Die Ausgleichszahlung darf die Höhe des Bodenrichtwertes nicht übersteigen (…)

  • 912 BGB Überbau; Duldungspflicht

(1) Hat der Eigentümer eines Grundstücks bei der Errichtung eines Gebäudes über die Grenze gebaut, ohne dass ihm Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit zur Last fällt, so hat der Nachbar den Überbau zu dulden, es sei denn, dass er vor oder sofort nach der Grenzüberschreitung Widerspruch erhoben hat.

(2) Der Nachbar ist durch eine Geldrente zu entschädigen. Für die Höhe der Rente ist die Zeit der Grenzüberschreitung maßgebend.

Art. 124 EGBGB Nachbarschaftsrecht

Unberührt bleiben die landesgesetzlichen Vorschriften, welche das Eigentum an Grundstücken zugunsten der Nachbarn noch anderen als den im Bürgerlichen Gesetzbuch bestimmten Beschränkungen unterwerfen. Dies gilt insbesondere auch von den Vorschriften, nach welchen Anlagen sowie Bäume und Sträucher nur in einem bestimmten Abstand von der Grenze gehalten werden dürfen.

 

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