Der Kartellsenat des Bundesgerichtshofs hat über die Frage zu entscheiden, ob „enge“ Bestpreisklauseln in Vermittlungsverträgen von Hotelbuchungsportalen mit dem Kartellrecht vereinbar sind.
Sachverhalt
Das Hotelbuchungsportal booking.com ermöglicht Hotelkunden Direktbuchungen zu den jeweils aktuellen Zimmerpreisen. Für die Vermittlungsleistung erhalten die Betreiber des Portals von den Hotelunternehmen eine erfolgsabhängige Provision. Ursprünglich waren in den Vermittlungsverträgen mit den Hotelunternehmen „weite“ Bestpreisklauseln verbreitet. Danach durften die Hotels ihre Zimmer weder online noch auf anderen Vertriebskanälen zu niedrigeren Preisen oder besseren Konditionen anbieten als auf dem Hotelbuchungsportal. Das Bundeskartellamt stufte eine solche Klausel in einer früheren, ein anderes Hotelbuchungsportal betreffenden Entscheidung als kartellrechtswidrig ein. Ab Juli 2015 sahen die allgemeinen Geschäftsbedingungen von booking.com eine „enge“ Bestpreisklausel vor. Danach durften die Hotels zwar weiterhin ihre Zimmer auf den eigenen Internetseiten nicht zu niedrigeren Preisen oder besseren Konditionen anbieten als auf der Plattform booking.com. Jedoch konnten die Hotelzimmer auf anderen Online-Buchungsportalen oder, unter der Voraussetzung, dass dafür keine Werbung oder Veröffentlichung im Internet erfolgt, auch „offline“ günstiger angeboten werden. Das Bundeskartellamt hat im Dezember 2015 festgestellt, dass auch eine solche Klausel kartellrechtswidrig sei, und ihre weitere Verwendung untersagt.
Bisheriger Verfahrensverlauf:
Auf die Beschwerde von booking.com hat das Oberlandesgericht die Verfügung des Bundeskartellamts aufgehoben. Nach Auffassung des Beschwerdegerichts beeinträchtigen enge Bestpreisklauseln zwar den Wettbewerb, sind aber als notwendige Nebenabreden der Vermittlungsverträge mit den Hotelunternehmen vom Kartellverbot des Art. 101 Abs. 1 AEUV und § 1 GWB nicht erfasst. Denn sie seien, so meint das Beschwerdegericht, erforderlich, um ein illoyales Verhalten der Hotels zu verhindern, das darin bestehe, Kunden, die ein Hotel auf booking.com gefunden hätten, durch günstigere Angebote zu einer Direktbuchung auf den Internetseiten des Hotels zu veranlassen und so die Provision von booking.com zu umgehen. Mit der vom Senat zugelassenen Rechtsbeschwerde erstrebt das Bundeskartellamt die Wiederherstellung seiner Verfügung.
Vorinstanz:
OLG Düsseldorf, Beschluss vom 4. Juni 2019 – VI-Kart 2/16 (V)
Die maßgeblichen Vorschriften lauten:
Art. 101 AEUV
(1) Mit dem Binnenmarkt unvereinbar und verboten sind alle Vereinbarungen zwischen Unternehmen, Beschlüsse von Unternehmensvereinigungen und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen, welche den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen geeignet sind und eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs innerhalb des Binnenmarkts bezwecken oder bewirken, insbesondere
die unmittelbare oder mittelbare Festsetzung der An- oder Verkaufspreise oder sonstiger Geschäftsbedingungen;
die Einschränkung oder Kontrolle der Erzeugung, des Absatzes, der technischen Entwicklung oder der Investitionen;
die Aufteilung der Märkte oder Versorgungsquellen;
die Anwendung unterschiedlicher Bedingungen bei gleichwertigen Leistungen gegenüber Handelspartnern, wodurch diese im Wettbewerb benachteiligt werden;
die an den Abschluss von Verträgen geknüpfte Bedingung, dass die Vertragspartner zusätzliche Leistungen annehmen, die weder sachlich noch nach Handelsbrauch in Beziehung zum Vertragsgegenstand stehen.
(2) Die nach diesem Artikel verbotenen Vereinbarungen oder Beschlüsse sind nichtig.
(3) Die Bestimmungen des Absatzes 1 können für nicht anwendbar erklärt werden auf
Vereinbarungen oder Gruppen von Vereinbarungen zwischen Unternehmen,
Beschlüsse oder Gruppen von Beschlüssen von Unternehmensvereinigungen,
aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen oder Gruppen von solchen,
die unter angemessener Beteiligung der Verbraucher an dem entstehenden Gewinn zur Verbesserung der Warenerzeugung oder -verteilung oder zur Förderung des technischen oder wirtschaftlichen Fortschritts beitragen, ohne dass den beteiligten Unternehmen
Beschränkungen auferlegt werden, die für die Verwirklichung dieser Ziele nicht unerlässlich sind, oder
Möglichkeiten eröffnet werden, für einen wesentlichen Teil der betreffenden Waren den Wettbewerb auszuschalten.
§ 1 GWB Verbot wettbewerbsbeschränkender Vereinbarungen
Vereinbarungen zwischen Unternehmen, Beschlüsse von Unternehmensvereinigungen und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen, die eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs bezwecken oder bewirken, sind verboten.
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