Der unter anderem für das Energielieferungsrecht zuständige VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs wird sich in diesem Verhandlungstermin erstmals auch mit Rechtsfragen zu der Wirksamkeit der ab Mai 2019 geänderten Preisänderungsklausel in Fernwärmelieferungsverträgen eines Berliner Fernwärmeversorgungsunternehmens befassen. Es handelt sich um zwei weitere von zahlreichen beim Bundesgerichtshof anhängigen und mittlerweile überwiegend entschiedenen Verfahren, in denen Ansprüche gegen ein Berliner Energieversorgungsunternehmen geltend gemacht werden (siehe hierzu Pressemitteilungen Nr. 60/2022, Nr. 66/2022 und Nr. 79/2022).
Sachverhalt:
In beiden terminierten Verfahren beliefert die Beklagte die jeweiligen Kläger seit dem Jahr 2007 beziehungsweise seit dem Jahr 2013 auf der Grundlage von Allgemeinen Versorgungsbedingungen im Sinne von § 1 Abs. 1 AVBFernwärmeV mit Fernwärme. Hiernach stellt die Beklagte ihren Kunden einen verbrauchsunabhängigen Bereitstellungspreis und einen verbrauchsabhängigen Arbeitspreis in Rechnung, die sie nach Maßgabe im Vertrag vorgesehener Preisänderungsklauseln jährlich anpasst.
Nachdem das Kammergericht in einem anderen gegen die Beklagte gerichteten Rechtsstreit die auf den Arbeitspreis bezogene Preisanpassungsklausel für unwirksam erklärt hatte, legte die Beklagte ab Mai 2019 ihren Abrechnungen eine geänderte Preisanpassungsformel zum Arbeitspreis zugrunde, welche sie zuvor öffentlich bekannt gegeben hatte. Hiernach knüpfte die Veränderung des Arbeitspreises – ausgehend von einem Basisarbeitspreis des Jahres 2015 – jeweils hälftig einerseits an die jährlichen Veränderungen eines vom Statistischen Bundesamt herausgegebenen und im Internet abrufbaren Wärmepreisindexes als Marktelement sowie andererseits an die jährlichen Veränderungen eines von der Energielieferantin der Beklagten im Internet veröffentlichten Tarifs als Kostenelement an. Die Preisanpassungsklausel sieht als Referenzjahre für das Markt- und das Kostenelement jeweils das Jahr 2018 vor.
Bisheriger Prozessverlauf:
Die Kläger haben von der Beklagten mit ihrer jeweiligen Klage die Rückerstattung der aus ihrer Sicht überzahlten Arbeits- und Bereitstellungspreise, die Feststellung der Unwirksamkeit der (ursprünglichen) Preisanpassungsklausel sowie die Feststellung begehrt, dass die Beklagte zur einseitigen Einführung der (neuen) Preisanpassungsklausel in den Energielieferungsvertrag ab Mai 2019 nicht berechtigt gewesen sei.
Die Berufungsgerichte haben in beiden Verfahren die Unwirksamkeit der (ursprünglichen) Preisanpassungsklausel lediglich im Hinblick auf den Arbeitspreis festgestellt und dem Rückzahlungsbegehren auf dieser Grundlage nur zum Teil entsprochen. Außerdem sahen die Berufungsgerichte – im Anschluss an die Entscheidung des VIII. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs vom 26. Januar 2022 (VIII ZR 175/19, abrufbar unter www.bundesgerichtshof.de/DE/Entscheidungen/entscheidungen_node.html) – die Beklagte zwar als grundsätzlich berechtigt an, eine gegenüber den Klägern verwendete – von Vertragsbeginn an unwirksame oder ab einem bestimmten Zeitpunkt danach unwirksame gewordene – Preisänderungsklausel auch während des laufenden Versorgungsverhältnisses mit Wirkung für die Zukunft einseitig anzupassen, wenn und soweit dadurch sichergestellt wird, dass die Klausel den Anforderungen des § 24 Abs. 4 AVBFernwärmeV entspricht.
Sie waren jedoch der Auffassung, auch die neue Preisanpassungsklausel sei nach § 24 Abs. 4 AVBFernwärmeV in Verbindung mit § 134 BGB unwirksam, da die Beklagte für verschiedene Berechnungsfaktoren des Arbeitspreises in der Klausel willkürlich unterschiedliche Referenzjahre gewählt habe, nämlich als Basisarbeitspreis das Jahr 2015 und für das Markt- und das Kostenelement jeweils das Jahr 2018. Hierdurch würden die Kunden der Beklagten unangemessen benachteiligt. Die Beklagte sei deshalb nicht berechtigt gewesen, diese Preisanpassungsklausel ab Mai 2019 in den Vertrag einzuführen.
Mit der von den Berufungsgerichten jeweils insoweit zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte die Abweisung der Feststellungsklage hinsichtlich der von ihr ab Mai 2019 verwendeten Preisanpassungsklausel und die Abweisung der Zahlungsklage, soweit diese auf der Annahme der Unwirksamkeit auch dieser Preisanpassungsklausel beruht, weiter.
Vorinstanzen:
VIII ZR 249/22
Amtsgericht Schöneberg – 11 C 43/21 – Urteil vom 21. Juli 2021
Landgericht Berlin – 2 S 20/21 – Urteil vom 19. Oktober 2022
und
VIII ZR 263/22
Landgericht Berlin – 32 O 110/19 – Urteil vom 20. Februar 2020
Kammergericht – 5 U 33/20 – Urteil vom 18. November 2022
Die maßgeblichen Vorschriften lauten:
Bürgerliches Gesetzbuch
- 134 Gesetzliches Verbot
Ein Rechtsgeschäft, das gegen ein gesetzliches Verbot verstößt, ist nichtig, wenn sich nicht aus dem Gesetz ein anderes ergibt.
Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Versorgung mit Fernwärme (AVBFernwärmeV) in der bis zum 4. Oktober 2021 gültigen Fassung:
- 1 Gegenstand der Verordnung
(1) Soweit Fernwärmeversorgungsunternehmen für den Anschluss an die Fernwärmeversorgung und für die Versorgung mit Fernwärme Vertragsmuster oder Vertragsbedingungen verwenden, die für eine Vielzahl von Verträgen vorformuliert sind (allgemeine Versorgungsbedingungen), gelten die §§ 2 bis 34. […]
- 24 Abrechnung, Preisänderungsklauseln
[…]
(4) Preisänderungsklauseln dürfen nur so ausgestaltet sein, dass sie sowohl die Kostenentwicklung bei Erzeugung und Bereitstellung der Fernwärme durch das Unternehmen als auch die jeweiligen Verhältnisse auf dem Wärmemarkt angemessen berücksichtigen. Sie müssen die maßgeblichen Berechnungsfaktoren vollständig und in allgemein verständlicher Form ausweisen. […]
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