Der unter anderem für das Kapitalmarktrecht zuständige II. Zivilsenat hat zu entscheiden, ob Aktionären der Volkswagen AG wegen Beihilfe zu einer unterbliebenen oder nicht rechtzeitigen Information des Kapitalmarkts Schadensersatzansprüche gegen den Zulieferer der in Dieselfahrzeugen verbauten Software zustehen.
Sachverhalt:
Die Kläger erwarben im Dezember 2013 Vorzugsaktien der Volkswagen AG für gut 12.000 €. Am 3. September 2015 räumte die Volkswagen AG gegenüber US-amerikanischen Behörden ein, eine Software in ihren Dieselfahrzeugen verbaut zu haben, die erkennt, ob sich das Fahrzeug in einem Prüfzyklus zur Ermittlung von Emissionswerten befindet. In diesem Fall schaltete das System in einen Modus, der eine höhere Abgasrückführungsrate und damit einen geringeren Ausstoß an Stickoxiden bewirkt. Dadurch ergeben sich auf dem Prüfstand geringere Stickoxid-Emissionswerte als im normalen Fahrbetrieb. Im September 2015 veräußerten die Kläger die Aktien für rund 8.500 €. Wenige Tage später informierte die Volkswagen AG durch Ad-hoc-Mitteilungen den Kapitalmarkt erstmals über die Verwendung der Software.
Die Beklagte lieferte der Volkswagen AG die Software. Die Kläger begehren von ihr Ersatz des Unterschiedsbetrags zwischen ihren Erwerbsaufwendungen und dem Veräußerungserlös. Sie legen der Beklagten zur Last, durch die Softwarelieferung Beihilfe zur unterbliebenen bzw. nicht rechtzeitigen Information des Kapitalmarkts durch die Volkswagen AG geleistet und sie dadurch geschädigt zu haben.
Bisheriger Prozessverlauf:
Die Klage hat in den Vorinstanzen keinen Erfolg gehabt.
Das Landgericht hat offen gelassen, ob die Volkswagen AG ein beihilfefähiges Kapitalmarktdelikt begangen hat. Nach Auffassung des Gerichts hat die Beklagte durch die Lieferung der Software schon objektiv keine Hilfe zur Begehung eines solchen Delikts geleistet. Es sei nicht erkennbar, dass die Beklagte die Volkswagen AG in ihrem Entschluss zum Verschweigen des Softwareeinsatzes bestärkt habe. Zudem fehle es an einem ausreichenden deliktischen Sinnbezug der Softwarelieferung zu einem ihr nachfolgenden Kapitalmarktdelikt der Volkswagen AG.
Mit der vom Landgericht zugelassenen Revision verfolgen die Kläger ihr Schadensersatzbegehren weiter.
Vorinstanzen:
Amtsgericht Ludwigsburg – Urteil vom 11. Dezember 2019 – 7 C 337/19
Landgericht Stuttgart – Urteil vom 22. Juli 2020 – 5 S 11/20
Die maßgeblichen Vorschriften lauten:
§ 823 BGB Schadensersatzpflicht
(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.
(2) 1Die gleiche Verpflichtung trifft denjenigen, welcher gegen ein den Schutz eines anderen bezweckendes Gesetz verstößt. 2Ist nach dem Inhalt des Gesetzes ein Verstoß gegen dieses auch ohne Verschulden möglich, so tritt die Ersatzpflicht nur im Falle des Verschuldens ein.
§ 826 BGB Sittenwidrig vorsätzliche Schädigung
Wer in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise einem anderen vorsätzlich Schaden zufügt, ist dem anderen zum Ersatz des Schadens verpflichtet.
§ 830 BGB Mittäter und Beteiligte
(1) 1Haben mehrere durch eine gemeinschaftlich begangene unerlaubte Handlung einen Schaden verursacht, so ist jeder für den Schaden verantwortlich. 2Das Gleiche gilt, wenn sich nicht ermitteln lässt, wer von mehreren Beteiligten den Schaden durch seine Handlung verursacht hat.
(2) Anstifter und Gehilfen stehen Mittätern gleich.
Karlsruhe, den 18. Mai 2021
Kommentar hinterlassen