Startseite Allgemeines Justiz Verhandlungstermin am 21. November 2022, 12:00 Uhr, in Sachen VIa ZR 335/21 („Dieselverfahren“; Tatbestandswirkung der Typgenehmigung; unionsrechtliche Folgefragen)
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Verhandlungstermin am 21. November 2022, 12:00 Uhr, in Sachen VIa ZR 335/21 („Dieselverfahren“; Tatbestandswirkung der Typgenehmigung; unionsrechtliche Folgefragen)

qimono (CC0), Pixabay
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Der vom Präsidium des Bundesgerichtshofs vorübergehend als Hilfsspruchkörper eingerichtete VIa. Zivilsenat (vgl. Pressemitteilung Nr. 141/2021 vom 22. Juli 2021) wird am 21. November 2022 in einer Sache verhandeln, die die Frage der Bindungswirkung der Typgenehmigung für die Zivilgerichte in einem Dieselverfahren betrifft.

Sachverhalt:

Der Kläger verlangt von der beklagten Volkswagen AG Schadensersatz wegen eines von ihr hergestellten VW Passat Alltrack 2.0 l TDI, der mit einem Motor des Typs EA 288 ausgerüstet ist. Die Typgenehmigung wurde für die Schadstoffklasse Euro 6 erteilt. Der Kläger erwarb das im Juli 2016 erstmals zugelassene Fahrzeug am 15. November 2017 von einer Fahrzeughändlerin. Zu diesem Zeitpunkt wies das Fahrzeug eine Laufleistung von 21.467 km auf. Der vereinbarte Kaufpreis von 41.210 € wurde durch ein Darlehen der Volkswagen Bank finanziert. Die Abgasrückführung erfolgt in Abhängigkeit von der Temperatur (Thermofenster). Ferner ist eine Fahrkurvenerkennung installiert.

 

Bisheriger Prozessverlauf:

 

Der Kläger verlangt von der Beklagten im Wesentlichen, sie im Wege des Schadensersatzes so zu stellen, als habe er den das Fahrzeug betreffenden Kaufvertrag und den Darlehensvertrag nicht abgeschlossen. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat die dagegen gerichtete Berufung des Klägers zurückgewiesen. Zwar könne in dem Inverkehrbringen eines mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung im Sinne der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 versehenen Fahrzeugs eine sittenwidrige vorsätzliche Schädigung liegen, die einen Schadensersatzanspruch nach § 826 BGB gegen die Herstellerin begründen könne. Auf seine Behauptung, die Beklagte habe das von ihm erworbene Fahrzeug mit unzulässigen Abschalteinrichtungen ausgestattet, könne der Kläger seine Ansprüche jedoch nicht mit Erfolg stützen, weil der Berücksichtigung seines Vorbringens „die Tatbestandswirkung der uneingeschränkt gültigen EG-Typgenehmigung des Fahrzeugs“ entgegenstehe.

 

Gegen die Zurückweisung der Berufung richtet sich die vom Berufungsgericht zugelassene Revision des Klägers.

 

Im Revisionsverfahren aufgeworfene Rechtsfragen:

 

In der mündlichen Verhandlung am 21. November 2022 wird auf die höchstrichterliche Rechtsprechung einzugehen sein, der zufolge ein Bescheid des Kraftfahrt-Bundesamts die rechtliche Beurteilung, ob eine Abschalteinrichtung nach dem Maßstab des Art. 5 Abs. 2 Satz 2 Buchst. a der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 zulässig ist, einer eigenständigen zivilgerichtlichen Prüfung nicht zu entziehen vermag (vgl. BGH, Urteil vom 8. Dezember 2021 – VIII ZR 190/19, NJW 2022, 1238 Rn. 80 ff., zur Veröffentlichung bestimmt in BGHZ; Beschluss vom 9. Mai 2022 – VIa ZR 312/21, juris; Beschluss vom 23. Mai 2022 – VIa ZR 433/21, juris).

 

Ferner wird, sofern bis dahin eine Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union in der Rechtssache C-100/21 vorliegen wird, Gelegenheit bestehen, die sich aus einer solchen Entscheidung möglicherweise ergebenden Folgerungen für das deutsche Haftungsrecht zu erörtern. Auf diese Weise sollen den mit Dieselverfahren befassten erstinstanzlichen Gerichten und den Berufungsgerichten, die nach Veröffentlichung der Schlussanträge des Generalanwalts in dieser Rechtssache nunmehr auch aus Gründen der Gewähr effektiven Rechtsschutzes die vor ihnen eröffnete Tatsacheninstanz nicht schließen, sondern die Entscheidung des Gerichtshofs abwarten werden (vgl. OLG Braunschweig, Beschluss vom 2. März 2022 – 4 W 4/22, juris Rn. 42 ff.), so bald als möglich im Anschluss an eine Entscheidung des Gerichtshofs höchstrichterliche Leitlinien an die Hand gegeben werden.

 

Vorinstanzen:

 

Landgericht Osnabrück – Urteil vom 30. Juni 2021 – 5 O 203/21

 

Oberlandesgericht Oldenburg – Urteil vom 29. September 2021 – 6 U 217/21

 

Die maßgebliche Vorschrift des Bürgerlichen Gesetzbuchs lautet:

 

  • 826 Sittenwidrige vorsätzliche Schädigung

 

Wer in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise einem anderen vorsätzlich Schaden zufügt, ist dem anderen zum Ersatz des Schadens verpflichtet.

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