Startseite Allgemeines Justiz Verhandlungstermin am 25. Mai 2023 um 9.00 Uhr, Saal E101, in Sachen V ZR 112/22 (Eigentumsbeeinträchtigung durch Suchmeldung von Kulturgut in der Lost Art-Datenbank und durch Interpol-Fahndung)
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Verhandlungstermin am 25. Mai 2023 um 9.00 Uhr, Saal E101, in Sachen V ZR 112/22 (Eigentumsbeeinträchtigung durch Suchmeldung von Kulturgut in der Lost Art-Datenbank und durch Interpol-Fahndung)

succo (CC0), Pixabay
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Der unter anderem für Ansprüche aus Eigentum zuständige V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs verhandelt über ein Verfahren, in dem zu klären ist, ob das Eigentum an einem Gemälde durch eine Suchmeldung in der Lost Art-Datenbank und eine Fahndung durch Interpol beeinträchtigt wird.

Sachverhalt:

Der Kläger, ein Kunstsammler, erwarb im Jahr 1999 im Rahmen einer Auktion in London das Gemälde „Kalabrische Küste“ des Malers Andreas Achenbach. Das Gemälde befand sich in der Zeit von 1931 bis 1937 im Besitz der Galerie Stern in Düsseldorf, die der jüdische Kunsthändler Dr. Max Stern in dieser Zeit von seinem Vater übernahm. Bereits im Jahre 1935 wurde ihm durch die Reichskammer der bildenden Künste die weitere Berufsausübung untersagt, die Verfügung wurde jedoch zunächst nicht vollzogen. Im März 1937 verkaufte Dr. Stern das Gemälde an eine Privatperson aus Essen. Im September 1937 wurde er endgültig gezwungen, seine Galerie aufzugeben, woraufhin er über England nach Kanada emigrierte. Sein Nachlass wird von einem kanadischen Trust verwaltet, dessen Treuhänder die Beklagten sind.

Im Juni 2016 wurde auf Veranlassung der Beklagten eine Suchmeldung für das Gemälde auf der Internetseite der Lost Art-Datenbank veröffentlicht. Die von einer Stiftung mit Sitz in Magdeburg betriebene Datenbank dokumentiert Kulturgüter, die insbesondere jüdischen Eigentümern aufgrund der Verfolgung durch den Nationalsozialismus entzogen wurden, oder für die ein derartiger Verlust nicht auszuschließen ist. Mithilfe der Veröffentlichung sollen frühere Eigentümer bzw. deren Erben mit heutigen Besitzern zusammengeführt und beim Finden einer gerechten und fairen Lösung über den Verbleib des Kulturgutes unterstützt werden. Im Rahmen einer Ausstellung des Gemäldes in Baden-Baden wurde der Kläger über die Suchmeldung und eine in Kanada veranlasste Fahndung nach dem Gemälde durch Interpol informiert. Er fühlt sich durch den Eintrag in der Lost Art-Datenbank und die Interpol-Fahndung in seinem Eigentum beeinträchtigt.

Bisheriger Prozessverlauf:

Der Kläger verlangt von den Beklagten, es zu unterlassen, sich des Eigentums an dem Gemälde zu berühmen. Hilfsweise begehrt er, sie zu verurteilen, die Löschung der Suchmeldung in der Lost Art-Datenbank zu beantragen. Die Klage ist bei dem Landgericht und dem Oberlandesgericht erfolglos geblieben. Mit der vom Oberlandesgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.

Nach Auffassung des Berufungsgerichts, das die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte bejaht, steht dem Kläger gegen die Beklagten kein Unterlassungsanspruch aus § 1004 Abs. 1 BGB zu. Der Kläger sei zwar – zumindest durch Ersitzung (§ 937 BGB) – Eigentümer des Gemäldes. Es liege aber keine Eigentumsbeeinträchtigung vor, denn die Beklagten hätten sich weder mit der Suchmeldung in der Lost Art-Datenbank noch durch die allein außerhalb Deutschlands eingeleitete Fahndung das Eigentum an dem Gemälde angemaßt. Nach den Grundsätzen zur Eintragung und Löschung von Meldungen in der Lost Art-Datenbank bringe ihre Suchmeldung zum Ausdruck, dass Dr. Max Stern früher Eigentümer des Gemäldes gewesen und zu vermuten sei bzw. nicht ausgeschlossen werden könne, dass das Gemälde ihm aufgrund nationalsozialistischer Verfolgung entzogen, kriegsbedingt verbracht oder abhandengekommen sei. Das Eigentum des Klägers an dem Bild in der Gegenwart werde hierdurch nicht in Frage gestellt. Den Beklagten gehe es in Übereinstimmung mit den sog. Washingtoner Prinzipien, in dem Bewusstsein, hierauf keinen Anspruch zu haben, lediglich um die Erzielung einer gerechten und fairen Lösung. Dieses Ansinnen und die Konfrontation des Klägers mit der Provenienz des von ihm erworbenen Bildes stellten keine Eigentumsanmaßung dar.

Der Kläger könne auch nicht verlangen, dass die Beklagten die Löschung der von ihnen veranlassten Suchmeldung in der Lost Art-Datenbank vornehmen lassen. Er könne nicht untersagen, dass marktrelevante Informationen über sein Bild publik gemacht würden. Bei Kulturgütern bestehe ein anzuerkennendes Interesse der Allgemeinheit an dem Objekt, seiner Geschichte und Provenienz. Eine Eigentumsbeeinträchtigung scheide insoweit von vornherein aus, wenn lediglich zutreffend und sachlich über einen bestehenden Verdacht des NS-verfolgungsbedingten Entzugs von Kulturgut informiert werde. Bestehe ein solcher Verdacht, begründe dies im gewerblichen Kunsthandel gemäß § 44 Satz 1 Nr. 1, § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 des Kulturgutschutzgesetzes erhöhte Sorgfaltspflichten bei der Prüfung der Provenienz. Bereits hierdurch werde die Marktgängigkeit des Kunstwerks eingeschränkt. Es könne offenbleiben, ob ein Anspruch auf Löschung bestehe, wenn in der Suchmeldung unrichtige Angaben gemacht würden oder die Plausibilität der Meldung entkräftet werde. Denn so liege es hier nicht. Es bestehe die Vermutung, dass das Gemälde dem früheren Eigentümer im Jahr 1937 aufgrund der Verfolgung durch den Nationalsozialismus entzogen worden sei. Der Kläger habe seine Behauptung, Herr Dr. Stern habe das Gemälde lediglich im Rahmen eines Kommissionsgeschäfts in Besitz gehabt, nicht zur Überzeugung des Berufungsgerichts bewiesen.

Vorinstanzen:

LG Magdeburg – Urteil vom 27. November 2019 – 2 O 599/18

OLG Naumburg – Urteil vom 24. Mai 2022 – 1 U 292/19

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

§ 1004 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB):

(1) Wird das Eigentum in anderer Weise als durch Entziehung oder Vorenthaltung des Besitzes beeinträchtigt, so kann der Eigentümer von dem Störer die Beseitigung der Beeinträchtigung verlangen. Sind weitere Beeinträchtigungen zu besorgen, so kann der Eigentümer auf Unterlassung klagen.

(2) …

Kulturgutschutzgesetz (KGSG):

§ 41 Allgemeine Sorgfaltspflichten

(1) Wer Kulturgut in Verkehr bringt, ist verpflichtet, zuvor mit der erforderlichen Sorgfalt zu prüfen, ob das Kulturgut

1. abhandengekommen ist,

2. unrechtmäßig eingeführt worden ist oder

3. rechtswidrig ausgegraben worden ist.

(2) 1Die allgemeine Sorgfaltspflicht nach Absatz 1 ist von der Person, die Kulturgut in Verkehr bringt, anzuwenden, wenn sich einer vernünftigen Person die Vermutung aufdrängen müsste, dass einer der in Absatz 1 genannten Tatbestände in Betracht kommt. […]

§ 42 Sorgfaltspflichten beim gewerblichen Inverkehrbringen

(1) 1Wer in Ausübung seiner gewerblichen Tätigkeit Kulturgut in Verkehr bringt, ist verpflichtet, zuvor zusätzlich zu den Pflichten nach § 41

[…]

3. die Provenienz des Kulturgutes zu prüfen,

[…]

6. zu prüfen, ob das Kulturgut in öffentlich zugänglichen Verzeichnissen und Datenbanken eingetragen ist, und

[…]

2Die Pflichten nach Satz 1 Nummer 2 lassen urheberrechtliche Vorschriften unberührt. 3Die Pflichten nach Satz 1 Nummer 3 bis 6 sind nach Maßgabe des zumutbaren Aufwandes, insbesondere der wirtschaftlichen Zumutbarkeit, zu erfüllen.

[…]

§ 44 Erhöhte Sorgfaltspflichten beim gewerblichen Inverkehrbringen

1Beim gewerblichen Inverkehrbringen ist der Maßstab des zumutbaren Aufwandes nach § 42 Absatz 1 Satz 3 nicht für Kulturgut anzuwenden,

1. bei dem nachgewiesen oder zu vermuten ist, dass es zwischen dem 30. Januar 1933 und dem 8. Mai 1945 aufgrund der Verfolgung durch den Nationalsozialismus entzogen worden ist, es sei denn, das Kulturgut ist an seinen ursprünglichen Eigentümer oder dessen Erben zurückgegeben worden oder diese haben eine andere abschließende Regelung im Hinblick auf den Entzug getroffen,

[…]

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