Nach seinen Urteilen vom 21. Juli 2021 (siehe hierzu Pressemitteilung Nr. 140/2021) wird sich der unter anderem für das Kaufrecht zuständige VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs in diesem Verhandlungstermin erneut mit Fragen des Nacherfüllungsanspruchs des Käufers eines mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung versehenen Dieselfahrzeugs (EA 189) beschäftigen.
Sachverhalt:
Der Kläger erwarb im Juni 2015 bei der beklagten Fahrzeughändlerin im Rahmen eines Verbrauchsgüterkaufs ein mit einem Dieselmotor EA 189 ausgestattetes Neufahrzeug Volkswagen Caddy III, dessen Motorsteuerungssoftware den Prüfstandlauf erkannte und in diesem Fall den Ausstoß von Stickoxiden verringerte. Nachdem die Verwendung entsprechender Vorrichtungen bei Dieselmotoren des Typs EA 189 im Verlauf des sogenannten Dieselskandals öffentlich bekannt geworden war, informierte der Fahrzeughersteller den Kläger im Dezember 2016, dass für sein Fahrzeug nunmehr ein zur Beseitigung der Abschalteinrichtung entwickeltes und vom Kraftfahrtbundesamt freigegebenes Software-Update zur Verfügung stehe. Der Kläger lehnte das Aufspielen des Updates ab und verlangte stattdessen im Mai 2017 von der Beklagten die Ersatzlieferung eines mangelfreien Neufahrzeugs. Die Beklagte verweigerte eine Nachlieferung unter anderem mit der Begründung, dass deren Kosten im Vergleich zu den Kosten einer Nachbesserung durch das Software-Update unverhältnismäßig seien.
Bisheriger Prozessverlauf:
In den Vorinstanzen hat der Kläger mit seinem auf Lieferung eines fabrikneuen, typengleichen Ersatzfahrzeugs gerichteten Begehren keinen Erfolg gehabt. Nach Auffassung des Berufungsgerichts könne der Kläger gemäß § 437 Nr. 1, § 439 Abs. 1 BGB zur Beseitigung des Sachmangels der unzulässigen Abschalteinrichtung (§ 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB) zwar grundsätzlich frei zwischen der Nachbesserung und der Nachlieferung einer mangelfreien Sache wählen. Vorliegend habe die Beklagte die Ersatzlieferung jedoch gemäß § 439 Abs. 3 BGB (alte Fassung, nunmehr § 439 Abs. 4 BGB) verweigern dürfen, weil die für sie durch die Ersatzlieferung eines mangelfreien Neufahrzeugs – in Gestalt des zwischenzeitlich auf den Markt getretenen Nachfolgemodells Volkswagen Caddy IV – zusätzlich anfallenden Kosten (11.849,10 €) die Kosten für die Umrüstung durch das Software-Update von maximal 100 € um mehr als das 117-fache überschritten und damit unverhältnismäßig seien (sogenannte relative Unverhältnismäßigkeit). Soweit der Kläger eingewandt habe, eine Nachbesserung durch das vom Hersteller entwickelte Update scheide aus, weil es zur Installation einer anderen Abschalteinrichtung („Thermofenster“), zu Folgeschäden (Leistungsverlust, höherer Kraftstoffverbrauch u.a.) und zu einem merkantilen Minderwert des Fahrzeugs führte, seien seine Behauptungen ohne Substanz. Zudem habe das Kraftfahrtbundesamt mit seiner Freigabeerklärung die dauerhafte Funktionsfähigkeit des Systems bescheinigt, ohne dass der Kläger dagegen konkrete Einwände erhoben habe.
Mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter.
Vorinstanzen:
LG Braunschweig – 11 O 1170/17 (252) – Urteil vom 14. Mai 2018
OLG Braunschweig – 7 U 289/18 – Urteil vom 13. Juni 2019
Die maßgeblichen Vorschriften lauten:
- 434 BGB Sachmangel
(1) 1Die Sache ist frei von Sachmängeln, wenn sie bei Gefahrübergang die vereinbarte Beschaffenheit hat. 2Soweit die Beschaffenheit nicht vereinbart ist, ist die Sache frei von Sachmängeln,
[…]
- wenn sie sich für die gewöhnliche Verwendung eignet und eine Beschaffenheit aufweist, die bei Sachen der gleichen Art üblich ist und die der Käufer nach der Art der Sache erwarten kann.
[…]
- 437 BGB Rechte des Käufers bei Mängeln
Ist die Sache mangelhaft, kann der Käufer, wenn die Voraussetzungen der folgenden Vorschriften vorliegen und soweit nicht ein anderes bestimmt ist,
- nach § 439 Nacherfüllung verlangen,
[…]
- 439 BGB Nacherfüllung (in der bis zum 31. Dezember 2017 gültigen Fassung)
(1) Der Käufer kann als Nacherfüllung nach seiner Wahl die Beseitigung des Mangels oder die Lieferung einer mangelfreien Sache verlangen.
[…]
(3) 1Der Verkäufer kann die vom Käufer gewählte Art der Nacherfüllung […] verweigern, wenn sie nur mit unverhältnismäßigen Kosten möglich ist. 2Dabei sind insbesondere der Wert der Sache in mangelfreiem Zustand, die Bedeutung des Mangels und die Frage zu berücksichtigen, ob auf die andere Art der Nacherfüllung ohne erhebliche Nachteile für den Käufer zurückgegriffen werden könnte. 3Der Anspruch des Käufers beschränkt sich in diesem Fall auf die andere Art der Nacherfüllung; das Recht des Verkäufers, auch diese unter den Voraussetzungen des Satzes 1 zu verweigern, bleibt unberührt.
[…]
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