Startseite Allgemeines Justiz Verhandlungstermin am 9. Mai 2023 um 9.30 Uhr in Sachen VI ZR 116/22 (Tagebuchstreit)
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Verhandlungstermin am 9. Mai 2023 um 9.30 Uhr in Sachen VI ZR 116/22 (Tagebuchstreit)

succo (CC0), Pixabay
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Der unter anderem für das allgemeine Persönlichkeitsrecht zuständige VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat über einen Anspruch auf Unterlassung der wörtlichen Wiedergabe von Auszügen aus Tagebüchern zu entscheiden, die von den Strafverfolgungsbehörden beschlagnahmt worden waren.

Sachverhalt:

Der Kläger ist Bankier. Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen ihn wegen des Vorwurfs der Steuerhinterziehung im Zusammenhang mit sogenannten Cum-Ex-Geschäften. Im Jahr 2018 wurden die Tagebücher des Klägers im Rahmen des Ermittlungsverfahrens beschlagnahmt.

Die Beklagte veröffentlichte auf der von ihr betriebenen Internetseite www.sueddeutsche.de am 4. September 2020 unter der Überschrift „Notizen aus der feinen Gesellschaft“ einen Artikel, der sich mit einer möglichen Einflussnahme der Hamburger Politik auf Entscheidungen der Finanzbehörden im Zusammenhang mit Steuerrückforderungen nach Cum-Ex-Geschäften beschäftigt. Die Beklagte zitierte in diesem Artikel wörtlich aus den Tagebüchern, deren Inhalt ihr nach der Beschlagnahme bekannt geworden ist. Der in dem Artikel behandelte Verdacht einer möglichen Einflussnahme der Hamburger Politik auf Entscheidungen der Finanzbehörden ist Gegenstand eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses in Hamburg.

Bisheriger Prozessverlauf:

Das Landgericht hat die Veröffentlichung von 16 Textpassagen verboten. Das Oberlandesgericht hat die Berufung der Beklagten im Wesentlichen zurückgewiesen. Es hat das vom Landgericht ausgesprochene Verbot lediglich im Hinblick auf zwei Textpassagen eingeschränkt, die zwischenzeitlich von Anwälten des Klägers in Sitzungen des parlamentarischen Untersuchungsausschusses verlesen worden waren. Nach Auffassung des Berufungsgerichts kann der Kläger Unterlassung der noch streitgegenständlichen Textpassagen verlangen, weil die Beklagte durch die Veröffentlichung gegen ein den Schutz des Klägers bezweckendes Gesetz verstoßen habe (§ 823 Abs. 2 BGB, § 353d Nr. 3 StGB). § 353d Nr. 3 StGB solle dem vom Strafverfahren Betroffenen jedenfalls einen gewissen Schutz vor vorzeitiger Bloßstellung gewähren. Die Voraussetzungen des Straftatbestands seien erfüllt. Die Tagebücher des Klägers, aus denen die Beklagte wörtlich zitiere, seien amtliche Dokumente eines Strafverfahrens im Sinne von § 353d Nr. 3 StGB, da sie von den Strafverfolgungsbehörden beschlagnahmt worden seien. Der Umstand, dass es sich um private Aufzeichnungen des Klägers handle, ändere nichts am Charakter eines amtlichen Dokuments. Nach dem Gesetzestext sei auch die Veröffentlichung privater, aber für Zwecke des Strafverfahrens in dienstliche Verwahrung genommener Urkunden strafbewehrt.

Vorinstanzen:

LG Hamburg – 324 O 502/20 – Entscheidung vom 5. März 2021

 

OLG Hamburg – 7 U 25/21 – Entscheidung vom 22. März 2022

 

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

  • 353d StGB

Mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer

1….

2….

3.die Anklageschrift oder andere amtliche Dokumente eines Strafverfahrens, eines Bußgeldverfahrens oder eines Disziplinarverfahrens, ganz oder in wesentlichen Teilen, im Wortlaut öffentlich mitteilt, bevor sie in öffentlicher Verhandlung erörtert worden sind oder das Verfahren abgeschlossen ist.

 

  • 823 BGB

(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.

(2) Die gleiche Verpflichtung trifft denjenigen, welcher gegen ein den Schutz eines anderen bezweckendes Gesetz verstößt. Ist nach dem Inhalt des Gesetzes ein Verstoß gegen dieses auch ohne Verschulden möglich, so tritt die Ersatzpflicht nur im Falle des Verschuldens ein.

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