Seitdem § 60b Kreditwesengesetz (KWG) im vergangenen Jahr in Kraft getreten ist, soll die BaFin bestandskräftige Maßnahmen und Bußgeldentscheidungen grundsätzlich auf ihrer Internetseite veröffentlichen. Dies ist wichtig, um Öffentlichkeit und Marktteilnehmer darüber zu informieren, welches Verhalten die BaFin als Verstoß betrachtet. Die Bekanntmachung von Maßnahmen und Bußgeldentscheidungen fördert damit ein ordnungsgemäßes Verhalten der Marktteilnehmer, auch durch ihre abschreckende Wirkung. Auch das Bundeskartellamt bedient sich dieses Instruments, um Gefahren für den Wettbewerb abzuwehren.
Ihrer Natur nach greift die Veröffentlichung von Maßnahmen und Bußgeldentscheidungen in die Rechte der betroffenen Unternehmen, Personen oder eventuell auch Dritter ein. Das Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf hat dazu im vergangenen Jahr eine wichtige Entscheidung getroffen (Az. VI-Kart 5/14 (V)).
Rechtsstreit um Unternehmenspersönlichkeitsrechte
Das OLG hatte sich mit der Frage befasst, ob eine Pressemitteilung des Bundeskartellamts vom 15. Juli 2014, die seitdem auf dessen Internetseite abrufbar ist, Unternehmenspersönlichkeitsrechte verletzt hat. Mit der Pressemitteilung hatte das Bundeskartellamt bekannt gegeben, dass es Geldbußen in Höhe von insgesamt rund 338 Millionen Euro gegen 21 Wursthersteller sowie 33 verantwortlich handelnde Personen verhängt hatte. Zum Zeitpunkt der Bekanntgabe waren die Bußgeldbescheide noch nicht rechtskräftig. Einige der betroffenen Unternehmen hatten bereits angekündigt, beim OLG Düsseldorf Einspruch gegen die Bußgeldentscheidung des Bundeskartellamts einzulegen.
Entscheidung des OLG Düsseldorf
Das OLG Düsseldorf hat in seinem Beschluss zwar bejaht, dass die Pressemitteilung einen Eingriff in das Unternehmenspersönlichkeitsrecht darstellt. Dieser Eingriff sei jedoch nicht rechtswidrig. Auch verstoße die Pressemitteilung nicht gegen die Unschuldsvermutung und führe zu keiner Rechtsverletzung der Antragstellerinnen. Weder aus §§ 839 Absatz 1, 823 Absatz 1 oder 1004 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) noch aus Artikel 34 Grundgesetz oder einer anderen Rechtsgrundlage lasse sich ein Anspruch der Unternehmen auf Unterlassung der Verbreitung und/oder Aufrechterhaltung der Pressemitteilung ableiten. Das Bundeskartellamt sei grundsätzlich befugt, über Vorgänge aus ihrer Tätigkeit zu berichten, die die Öffentlichkeit interessierten oder sie gar berührten. Bei einer solchen Berichterstattung handle es sich um staatliches Informationshandeln, ohne dass hierfür eine besondere gesetzliche Ermächtigung notwendig sei, auch wenn durch die Berichterstattung faktisch Beeinträchtigungen herbeigeführt werden können. Bußgeldverfahren des Bundeskartellamts seien grundsätzlich von gewichtigem Interesse für die Öffentlichkeit.
Selbstverständlich müsse die Information sachlich richtig und verhältnismäßig sein. Nach Auffassung des OLG hatte das Bundeskartellamt wahrheitsgemäß über den Umstand berichtet, dass gegen die genannten Unternehmen wegen des Vorwurfs illegaler Preisabsprachen Bußgeldbescheide erlassen und Geldbußen verhängt worden seien. Wahre Äußerungen, auch wenn sie für den Betroffenen nachteilig seien, seien hinzunehmen, wenn sie nicht die Intim-, Privat- oder Vertraulichkeitssphäre des Persönlichkeitsrechtsträgers beträfen, sondern die Sozialsphäre, insbesondere die wirtschaftliche Betätigung. Das Geheimhaltungsinteresse der Antragstellerinnen trete dann unter Würdigung der Umstände des Streitfalls hinter die berechtigten Informationsinteressen der Öffentlichkeit zurück.
Neue europäische Sanktionsregeln
Die Sichtweise des OLGs Düsseldorf ist nicht nur für die Veröffentlichungspflicht nach § 60b KWG von Bedeutung, sondern auch mit Blick auf die zu erwartende Neuregelung der öffentlichen Bekanntmachung von verhängten Maßnahmen und Sanktionen. Diese standen bisher im Ermessen der BaFin. Im Zuge der europäischen Angleichung der Sanktionsregeln wird es jedoch zu einer Anpassung von § 40b Wertpapierhandelsgesetz (WpHG) kommen.
Die europäischen Vorgaben zur öffentlichen Bekanntmachung von Entscheidungen im Wertpapierrecht sind bis Ende 2015 beziehungsweise Mitte 2016 umzusetzen und sehen grundsätzlich vor, dass die wegen eines Verstoßes erlassenen Verwaltungsmaßnahmen und Sanktionen noch vor Eintritt der Bestandskraft auf der Internetseite der zuständigen Behörde zu veröffentlichen sind.
Neue europäische Sanktionsregeln
- Artikel 34 Marktmissbrauchsverordnung
- Artikel 71 Finanzmarktrichtlinie MiFID II (Markets in Financial Instruments Directive II)
- Artikel 29 Transparenzrichtlinien-Änderungsrichtlinie
- Artikel 29 PRIIPS-Verordnung (Packaged Retail and Insurance-Based Investments Products Regulation – Verordnung über Basisinformationsblätter für verpackte Anlageprodukte für Kleinanleger und Versicherungsanlageprodukte)
- Artikel 62 der Verordnung über Zentralverwahrer
- Artikel 99b OGAW-V-Richtlinie (fünfte Richtlinie über bestimmte Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren)
- Artikel 24 der geplanten SFT-Verordnung (Regulation on Securities Financing Transactions – Verordnung über die Meldung und Transparenz von Wertpapierfinanzierungsgeschäften)
In Deutschland soll darüber hinaus durch § 26c der geplanten Novelle des Vermögensanlagegesetzes eine Pflicht zur Veröffentlichung von Maßnahmen und Bußgeldentscheidungen eingeführt werden. Dies sieht das Kleinanlegerschutzgesetz vor, das der Bundestag im April verabschiedet hat.
Umsetzung der TransparenzrichtlinieDas Bundesfinanzministerium hat am 29. April 2015 den Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Transparenzrichtlinien-Änderungsrichtlinie vom 22. Oktober 2013 veröffentlicht. Zu den wesentlichen Zielen der Änderungsrichtlinie gehört, die Möglichkeiten der Marktaufsichtsbehörden zur Durchsetzung der Transparenzvorgaben zu stärken, unter anderem durch die Verhängung wirksamer Sanktionen und die zwingende Verschärfung der nationalen Publikationsregimes. Die Änderungsrichtlinie stellt die erste grundlegende Überarbeitung des europäischen Sanktionsregimes dar. Bis Ende November 2015 müssen die Mitgliedstaaten sie in nationales Recht umsetzen.
Künftig können Verstöße gegen bestimmte Transparenzpflichten grundsätzlich mit Geldbußen von bis zu 10 Millionen Euro gegen juristische Personen beziehungsweise bis zu 2 Millionen Euro gegen natürliche Personen geahndet werden. Wenn fünf Prozent des Gesamtumsatzes des letzten Jahresabschlusses (nur bei juristischen Personen) oder die zweifache Höhe des Gewinns, den der Betroffene in Folge des Verstoßes erzielt hat – beziehungsweise des Verlusts, den er vermieden hat –, 10 Millionen beziehungsweise 2 Millionen Euro übersteigen, gilt ein höherer Bußgeldrahmen.
Verschärfte VeröffentlichungspflichtFlankierend dazu sollen die Regeln zur Veröffentlichung von Verstößen verschärft werden. Nach dem Entwurf des Gesetzes zur Umsetzung der Transparenzrichtlinien-Änderungsrichtlinie soll der neue § 40c WpHG festlegen, dass die BaFin von der Veröffentlichungspflicht für Maßnahmen und Bußgeldentscheidungen nur absehen kann, wenn die Veröffentlichung der personenbezogenen Daten unverhältnismäßig wäre, die Veröffentlichung die Stabilität des Finanzsystems oder laufende Ermittlungen ernsthaft gefährden oder die Bekanntmachung den Beteiligten einen unverhältnismäßigen oder ernsthaften Schaden zufügen würde. Soweit es um Informationen über amtliche Vorgänge geht, wird künftig abzuwägen sein zwischen dem Informationsrecht der Öffentlichkeit und der Marktteilnehmer auf der einen Seite und den Geheimhaltungsinteressen der betroffenen Personen auf der anderen Seite.
Insofern kann die Auffassung des OLGs Düsseldorf richtungsweisend sein, dessen Abwägung zugunsten der Öffentlichkeit ausfällt, soweit das Bundeskartellamt über Bußgeldverfahren berichtet. Bei Kartellverstößen zum Nachteil des Endverbrauchers sind diese demnach grundsätzlich von gewichtigem Interesse für die Öffentlichkeit. Letzteres kann auch für die Information von Anlegern gelten und im Interesse der Allgemeinheit an einem ordnungsgemäß funktionierenden Kapitalmarkt liegen.
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