Die 16. Große Strafkammer des Landgerichts Freiburg hat gestern in einem Verfahren gegen vier Angeklagte, in dem die Hauptverhandlung seit 20. Mai 2021 an insgesamt 30 Verhandlungstagen stattgefunden hat, das Urteil verkündet.
Den Angeklagten war in unterschiedlicher Beteiligung vorgeworfen worden, in Italien entweder gestohlene, unterschlagene oder im Wege des Versicherungsbetrugs durch die jeweiligen Eigentümer abgegebene, aber wahrheitswidrig als gestohlen gemeldete Fahrzeuge in Deutschland mit gefälschten Fahrzeugpapieren und teilweise auch gefälschten Fahrzeugidentifikationsnummern unter verschiedenen, teilweise auch nicht existenten Personalien bei Kfz-Zulassungsstellen angemeldet und diese schließlich an Dritte weiterverkauft zu haben.
Die zugrundeliegenden Taten wurden in der Zeit ab November 2018 bis Juli 2020 begangen.
Ein 25 Jahre alter deutscher Staatsangehöriger wurde unter anderem wegen gewerbsmäßiger Hehlerei, Urkundenfälschung, mittelbarer Falschbeurkundung (insgesamt 18 Fahrzeuge) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und acht Monaten, ein 47 Jahre alter türkischer Staatsangehöriger unter anderem wegen gewerbsmäßiger Hehlerei, Urkundenfälschung und mittelbarer Falschbeurkundung (4/5 Fahrzeuge) zu einer Gesam-tfreiheitsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde.
Gegen einen 42 Jahre alten, vielfach in seiner Heimat vorbestraften und zuletzt Ende des Jahres 2018 nach mehrjähriger Haft aus dem Hausarrest entlassener italienischer Staatsangehöriger wurde wegen gleicher Delikte (13 Fahrzeuge) eine Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren und sechs Monaten und einen türkischen Staatsangehörigen, der 32 Jahre alt ist, wegen gewerbsmäßiger Hehlerei in Tateinheit mit Urkunden-fälschung in drei Fällen eine Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten verhängt.
Die beiden zu den höchsten Strafen verurteilten Angeklagten befinden sich in dieser Sache seit August 2020 bzw. Oktober 2020 in Untersuchungshaft. Die beiden weiteren Angeklagten hatten sich von Oktober 2020 bis Dezember 2020 (der zu einer Bewährungsstrafe verurteilte deutsche Staatsangehörige) bzw. von August 2020 bis Januar 2022 in Untersuchungshaft befunden.
Gegen drei der Angeklagten wurden teils hohe Einziehungsbeträge angeordnet, vier Fahrzeuge und ein Mobiltelefon wurden eingezogen.
Insgesamt ging es in diesem Verfahren – nach teilweiser Verfahrenseinstellung – zuletzt noch um 31, teilweise auch hochwertige Kraftfahrzeuge (vor allem so genannte „SUV“) der Marken BMW, Audi, Mercedes, Alfa Romeo, Maserati, FIAT, Mini Cooper, Nissan, Land Rover, Range Rover, Skoda und VW, die durch eine in Italien in professioneller Weise agierende Gruppierung entweder in Italien gestohlen, durch Leasingnehmer unterschlagen oder auch durch die Eigentümer zum Zwecke des Versicherungsbetrugs an die Gruppierung weitergegeben wurden. Diese Fahrzeuge wurden entweder durch einen der Angeklagten oder Dritte zum Zwecke der Anmeldung in Deutschland von Italien – hauptsächlich aus der Region Neapel – nach Deutschland gebracht und hier bei unterschiedlichen Kraftfahrzeugzulassungsstellen unter Verwendung von bereits im Jahr 2014 gestohlenen und entsprechend gefälschten italienischen Zulassungsbescheinigungen – teilweise auch mit manipulierten Fahrzeugidentifizierungsnummern (FIN) – sowie auch meist gefälschten Identitätsausweisen angemeldet. In der Folge wurden diese Fahrzeuge durch die Angeklagten oder Dritte teilweise zu eigenen Zwecken genutzt (dies überwiegend bei hochwertigen Autos), letztlich aber an gutgläubige Erwerber weiterverkauft. Kopf der Gruppierung im Raum Freiburg war nach Überzeugung des Gerichts ein derzeit untergetauchter, 32 Jahre alten Mann, der einen Kfz-Handel betrieb. Der aus Italien stammende Angeklagte war nach der Überzeugung der Kammer das Bindeglied der Freiburger Gruppierung zu den italienischen Hinterleuten, der allerdings auch in Deutschland Straftaten begangen hat, die nun zur Aburteilung kamen. Ein von der Staatsanwaltschaft zunächst angenommenes bandenmäßiges Vorgehen konnte die Kammer nicht mit der erforderlichen Sicherheit feststellen.
Die 16. Große Strafkammer hatte im Rahmen der Hauptverhandlung auch umfangreiche Ermittlungen in Italien – dabei insbesondere zur Abklärung der Hintergründe des Abhandenkommens der jeweiligen Fahrzeuge – durchzuführen und einzuführen, eine Vielzahl rechtlicher Probleme und Fragestellungen zu klären. Drei der Angeklagten haben im Laufe der Verhandlung ein überwiegendes Geständnis im Sinne der nun erfolgten Verurteilung abgelegt, der italienische Staatsangehörige hat die gegen ihn erhobenen Vorwürfe bestritten.
Im Verlauf der Beweisaufnahme wurden zahlreiche Zeugen (ermittelnde Kriminalbeamte, aber auch Käufer von Fahrzeugen) vernommen, zwei Sachverständigengutachten zur Frage einer etwaigen Unterbringung von zwei Angeklagten in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) entgegengenommen, eine Vielzahl von Protokollen aus Telefonüberwachungsmaßnahmen und von Urkunden über die einzelnen Kraftfahrzeuge verlesen. Schließlich mussten durch die Polizei erhobene Flugdaten ausgewertet werden.
Das Verfahren hat auch wegen Covid-Erkrankungen von unterschiedlichen Verfahrensbeteiligten zuletzt über einige Wochen nicht fortgesetzt werden können. So wurden am 16. März 2022 die Schlussvorträge gehalten, die zunächst für den 30. März 2022 vorgesehene Verkündung des Urteils musste wegen corona-bedingter Quarantänefälle mehrfach verschoben werden.
Das Urteil ist nicht rechtskräftig.
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