Von der Leyen

Published On: Sonntag, 21.04.2024By

Es war wirklich eine turbulente Woche für Ursula von der Leyen, die sich in der politischen Arena erneut als EU-Kommissionspräsidentin behaupten will. Als ob das nicht genug Stress wäre, wartet auf sie die Herausforderung, einen drohenden Putsch in Brüssel abzuwehren.

In ihrem jüngsten Schachzug versuchte von der Leyen, ihren Parteikollegen Markus Pieper auf den lukrativen Posten des EU-Mittelstandsbeauftragten zu setzen. Doch statt Applaus gab es einen Regen von Vorwürfen der Vetternwirtschaft, sogar von ihren eigenen EU-Kommissaren. Pieper warf frustriert das Handtuch.

Es zeigt sich deutlich: Von der Leyen steht mächtigen Gegnern gegenüber – und das nicht nur außerhalb, sondern auch innerhalb ihrer eigenen politischen Familie, der EVP, zu der CDU und CSU gehören.

Um den Top-Job in Brüssel zu sichern, muss sie eine Art politischer Hürdenlauf meistern: Erst die Wahlen gewinnen, mit 350 Millionen Wahlberechtigten aus 27 Staaten, dann die Staats- und Regierungschefs für sich gewinnen und schließlich das EU-Parlament überzeugen.

Auch wenn die Konservativen am 9. Juni auf 180 Sitze anwachsen sollten, eine Mehrheit im Parlament, das 751 Abgeordnete zählt, bleibt ihnen wohl verwehrt. 2019 konnte von der Leyen gerade noch so mit Unterstützung der Grünen und der Sozialdemokraten, und ironischerweise auch vieler rechter Abgeordneter, die einen linken EU-Chef vermeiden wollten, gewählt werden. Ihre Mehrheit damals? Sehr knapp.

Diese politische Meisterleistung dürfte sich 2024 schwer wiederholen lassen. Die Grünen sind enttäuscht von den neuesten Abschwächungen des „Green Deals“, die Liberalen sehen in ihr die Bürokratie-Verursacherin schlechthin, und die EU-Sozialisten sind aufgrund ihrer deutlichen Unterstützung Israels nach dem Hamas-Massaker verärgert.

Die Affäre um undurchsichtige Bestellungen von Corona-Impfstoffen, bekannt als der „Pfizer-Deal“, hat ebenfalls Spuren hinterlassen und selbst innerhalb ihrer eigenen Reihen sichtbare Kratzer verursacht. Tatsächlich hat die CDU angekündigt, dass sie in den ersten Wochen des Wahlkampfs keine Wahlplakate mit von der Leyens Konterfei verwenden wird – angeblich aus rein taktischen Gründen.

Was die Chancen auf eine Koalition mit der notwendigen Mehrheit von 376 Stimmen angeht? Ein Unions-Abgeordneter hat es gegenüber BILD ziemlich treffend ausgedrückt: „Ehrlich gesagt: besch…“ Selbst wenn eine parlamentarische Mehrheit in Reichweite wäre, bleibt die Frage: Zu welchem politischen Preis?

Und der Putsch könnte schon früher drohen, im Kreis der 27 Regierungschefs. Bei von der Leyens bisherigem Unterstützer, Frankreichs Präsident Emmanuel Macron, blättert der Lack ab, er liegt in Umfragen weit hinter der Rechtsextremen Marine Le Pen. Macron lässt offen, ob er eine zweite Amtszeit von der Leyens unterstützen wird. Warum auch? Und selbst wenn: Würden die anderen Regierungschefs ihm noch zuhören? Bundeskanzler Olaf Scholz kämpft im Wahlkampf sowieso mehr für seine SPD – und gegen die Union.

Nach der Wahl könnte ein frisch ausgekungelter, weniger polarisierender Kompromisskandidat zum Zug kommen – ähnlich wie 2019, als der eigentliche Wahlsieger Manfred Weber (CSU) zugunsten von der Leyens von den Staatslenkern abgesägt wurde.

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