Leitsatz
- 1. Die streitgegenständlichen Verträge über die Teilnahme an Online-Glücksspielen sind wegen eines Verstoßes gegen das in § 4 Abs. 4 GlüStV 2012 konstituierte Internetverbot gemäß § 134 BGB nichtig. Es besteht somit kein Rechtsgrund für die geleisteten Zahlungen des Spielers.
- 2. § 4 Abs. 1 und 4 GlüStV 2012 verstoßen nicht gegen Unionsrecht.
- 3. Bei Übernahme einer Online-Glücksspiel-Plattform durch einen neuen Betreiber kommt eine Haftung durch Vertragsübernahme in Betracht, wenn der Spieler sein Nutzerkonto weiterführen und mit diesem auf der Plattform weiter spielen kann. Erforderlich ist dann aber eine zumindest konkludente Annahme des durch die Weiternutzungsmöglichkeit unterbreiteten Angebots des neuen Plattformbetreibers durch den Spieler.
- 4. Bei einer solchen Übernahme einer Online-Glücksspiel-Plattform durch einen neuen Betreiber kommt eine Haftung nach § 25 HGB bereits dann nicht in Betracht, wenn alter und neuer Betreiber ihren Sitz nicht in Deutschland haben. Eine kollisionsrechtliche Anknüpfung hat am Recht am Ort der gewerblichen Niederlassung des fortgeführten Unternehmens zu erfolgen.
- 5. § 4 Abs. 4 GlüStV a.F. ist Schutzgesetz i.S.d. § 823 Abs. 2 BGB. Vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten können als Schadensposition i.S.d. § 249 BGB ersatzfähig sein.
vorgehend LG Stuttgart, 28. Dezember 2022, 52 O 160/22
Tenor
- 1. Das Versäumnisurteil des Landgerichts Stuttgart vom 28. Dezember 2022 wird wie folgt aufrechterhalten:
- 1.1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klagepartei 3.386,56 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit 02.09.2022 zu zahlen.
- 1.2. Die Beklagte wird verurteilt, die Klagepartei von außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 453,87 EUR freizustellen
- 2. Im Übrigen wird das Versäumnisurteil aufgehoben und die Klage wird abgewiesen.
- 3. Der weitergehende Einspruch der Beklagten wird zurückgewiesen.
- 4. Die Beklagte hat vorab die durch die Säumnis entstandenen weiteren Kosten des Rechtsstreits zu tragen. Von den übrigen Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger 80 %, die Beklagte 20 %.
- 5. Das Urteil ist für den Kläger gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar. Die Vollstreckung aus dem Versäumnisurteil darf nur gegen diese Sicherheitsleistung fortgesetzt werden. Für die Beklagte ist das Urteil gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages vorläufig vollstreckbar.
- Beschluss
- Der Streitwert wird auf 16.652,36 € festgesetzt.
Tatbestand
- 1
- Der Kläger verlangt von der Beklagten die Erstattung von Verlusten im Zusammenhang mit der Teilnahme an Online-Glücksspielen.
- 2
- Er hat seine Ansprüche gegen die Beklagte an einen Prozessfinanzierer zur Sicherheit abgetreten. Dieser hat ihn zur Einziehung der Ansprüche zur Zahlung an ihn selbst ermächtigt (Anlage K 3).
- 3
- Vom 10.02.2009 bis 27.04.2020 nahm der Kläger mit dem Nutzernamen „J“, der mit der E-Mail-Adresse „x“ verknüpft war, über die deutschsprachigen Internetdomains „https://www.p.s.“; „https://www.psv.de/“ und „https://www.pss.de/“ an Online-Glücksspielen teil. Die Internetdomain Ps wurde durch die Beklagte ab August 2012 betrieben, sie gewährte hierüber Spielern die Möglichkeit zur Teilnahme an Glücksspielen, insbesondere Casinospielen, über das Internet.
- 4
- Außerdem nahm der Kläger auf der Plattform f.eu an Online-Glücksspielen teil. Diese Plattform wurde von der Beklagten ab Mai 2016 betrieben. Zuvor wurde die Webseite durch die R. (Malta) Ltd. betrieben. Die vorherige Betreibergesellschaft der Plattform f.eu hat ihre (ausländischen) Lizenzen an die maltesische Glücksspielbehörde zurückgegeben (Anlage B 22).
- 5
- Der Kläger führte dabei zwei in US-Dollar notierte Nutzerkonten, und zwar je eines auf der Plattform „Ps“ (hier finden sich auch wenige Gutschriften in EUR) und der Plattform „F“.
- 6
- In streitgegenständlichen Zeitraum verfügten weder die Beklagte noch die vorherige Betreibergesellschaft der Plattform „f.eu“ über eine deutsche Lizenz zum Betrieb von Online-Glücksspielen.
- 7
- Um die Glücksspielangebote auf den genannten Plattformen nutzen zu können, muss sich der Nutzer zunächst auf dieser Plattform registrieren und ein Nutzerkonto einrichten. Vor der Teilnahme an einem Echtgeld-Spielvorgang muss der Spieler dieses Konto zunächst mit einem Guthaben aufladen. Vorliegend erfolgte dies durch Einzahlung des Klägers von in EUR geführten Konten, das Guthaben auf den Nutzerkonten wurde allerdings (mit wenigen Ausnahmen im Fall von „Ps“ in US-Dollar geführt. Wenn der Spieler sich an einen virtuellen Automaten (“Online-Casino-Spiele“) setzt, werden seine Spieleinsätze vom Guthaben des beim Anbieter geführten Nutzerkontos abgezogen. Der Gewinn aus einem Spielvorgang wird dem Nutzerkonto gutgeschrieben. Der Plattformbetreiber garantiert dabei eine Ausschüttungsquote von 92 %. Bei Online-Pokerspielen oder Online-Pokerturnieren setzt sich der Spieler an einen virtuellen Poker-Tisch, sein Spieleinsatz fließt in einen Gewinnpot. Dieser wird vom Anbieter an die jeweiligen Gewinner nach Entnahme seiner Provision bzw. seines sog. „Rakes“ verteilt.
- 8
- Die Klägervertreter wurden vom Kläger unter der Bedingung mandatiert, dass die außergerichtliche Aufforderung der Beklagten zur Zahlung keinen Erfolg hat (Anlage K 7). Mit Schreiben vom 01.09.2022 lehnte die Beklagte die Erfüllung der Forderungen des Klägers ab.
- 10
- er habe nicht gewusst, dass die Teilnahme an Online-Glücksspielen verboten sei. Vor und im streitgegenständlichen Zeitraum sei ihm die konkrete Rechtslage nicht bekannt gewesen.
- 11
- Nachdem der Kläger zunächst die Höhe seines Anspruchs anhand des Anlagenkonvoluts Anlage K 1 berechnet hat und „verspielte“ Beträge in EUR und USD angegeben hat, hat er zuletzt seine Anspruchshöhe anhand der Anlagen K 5 und K 6 errechnet, indem er die Einzahlungen auf die in US-Dollar geführten Nutzerkonten zum jeweils von der EZB für den Tag angegeben Umrechnungskurs in EUR umgerechnet hat. Er behauptet nunmehr folgende Spielverluste, wobei (der ursprünglichen Berechnung der Klagforderung ebenfalls zugrunde liegende) Beträge vor dem 12.09.2012 außer Betracht bleiben:
- 12
- Er habe bei den Online-Spielvorgängen über die Website F ab dem 12.09.2012 Einzahlungen auf sein Nutzerkonto in Höhe von umgerechnet 11.525,48 EUR getätigt, Auszahlungen seien in Höhe von 5.548,76 EUR erfolgt (Anlage K 5). Damit habe der Kläger in diesem Zusammenhang einen Verlust in Höhe von 5.976,72 EUR erlitten.
- 13
- Auf dem der Webseite Ps zuzurechnenden Kundenkonto seien ab dem 12.09.2012 Einzahlungen in Höhe von 4.153 EUR erfolgt sowie Auszahlungen in Höhe von 766,64 EUR (Anlage K 6). Damit habe der Kläger insofern einen Verlust in Höhe von 3.386,56 EUR erlitten.
- 14
- Soweit die Beklagte vortrage, die Klagepartei habe auch von Orten aus gespielt, an denen Online-Glücksspiel nicht verboten war, lege die Beklagte nicht dar, inwieweit Einzahlungen oder Spielverluste auf die behaupteten Logindaten mit Auslandsbezug fallen würden, und bestreite die Klageforderung insoweit nicht ausreichend substantiiert. Die Klagepartei habe sich im Juli 2012 in Spanien und am 6. Januar 2012 in Österreich aufgehalten. Im Juli 2012 habe sie keine Einzahlungen getätigt. Am 6. Januar 2012 habe die Klagepartei USD 39,45 während des Aufenthalts in Österreich eingezahlt. Auszahlungen seien während des Aufenthalts in Österreich und Spanien nicht erfolgt. Auch in Österreich habe die Beklagte keine Glücksspiel-Konzession nach österreichischen Recht besessen.
- 15
- Die R. (Malta) Ltd, die die Plattform F.eu vor Mai 2016 betrieben habe, sei eine konzernverbundene Gesellschaft der Beklagten. Die damalige Betreibergesellschaft sei im Wege einer Verschmelzung unmittelbar oder mittelbar in die Beklagte integriert worden. Die Beklagte sei durch die Übernahme des Betriebes der Plattform jedenfalls aufgrund einer Übernahme des Rahmenvertrages passivlegitimiert.
- 16
- Die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten schulde die Beklagte als Schadensersatzbetrag nach § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 4 Abs. 4 GlüStV. Die Mandatierung der Prozessvertreter der Klagepartei sei unter der Bedingung erfolgt, dass eine außergerichtliche Aufforderung der Beklagten zur Zahlung keinen Erfolg hat (Anlage K 7).
- 20
- das Versäumnisurteil des Landgerichts Stuttgart vom 28. Dezember 2022 aufrechtzuerhalten, soweit die Beklagte verurteilt wird, an die Klagepartei EUR 9.363,28 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit 02.09.2022 zu zahlen und die Beklagte verurteilt wird, die Klagepartei von außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von EUR 848,47 freizustellen und den Einspruch der Beklagten insoweit zurückzuweisen.
- 22
- sowie hilfsweise für den Fall, dass das Gericht als das Erlangte die in der Anlage K1 vorgelegten Tabellen genannten Beträge in der Tabelle „Ps“ in den dort jeweils genannten Währungen EUR und USD betrachtet und nach Tabelle „F“ jeweils USD
- 23
- das Versäumnisurteil soweit aufrecht zu erhalten, dass die Beklagte verurteilt wird, an die Klagepartei EUR 15,30 und USD 11.211,51 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit 02.09.2022 zu zahlen und die Beklagte verurteilt wird, die Klagepartei von außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von EUR 848,47 freizustellen und den Einspruch der Beklagten insoweit zurückzuweisen.
- 25
- das Versäumnisurteil des Landgericht Stuttgart vom 28. Dezember 2022 (Az. 52 O 160/22) aufzuheben und die Klage abzuweisen.
- 28
- ein Bereicherungsanspruch des Klägers bestehe schon aus Rechtsgründen nicht. Die Vorschriften der §§ 4 Abs. 4, 4 Abs. 1 S. 2 GlüStV a.F., 284 BGB seien mit Unionsrecht, nämlich der Dienstleistungsfreiheit nach Art. 56 AEUV, unvereinbar. Ein auf diese Regelungen gestützter zivilrechtlicher Anspruch scheide daher aus. Inzwischen sei die nach GlüStV 2021 vorgesehene Erlaubnis für das Veranstalten von virtuellen Automatenspielen und Onlinepoker auf den Internetseiten Ps.de und Ps.de/v erteilt worden. Alleine das formelle Fehlen der Erlaubnis führe nicht zu einer Illegalität des Angebots der Beklagten.
- 30
- sie weise die Spieler sowohl bei der Registrierung als auch bei jedem einzelnen Login-Vorgang ausdrücklich auf die anwendbare Endnutzer-Lizenzvereinbarung hin. Eine Registrierung sei nur möglich, wenn der Spieler dieser ausdrücklich zustimme. Auch der Kläger habe diese akzeptiert. In der Endnutzer-Lizenzvereinbarung (B 2) weise sie darauf hin, dass sie über eine wirksame Lizenz der Malta Gaming Authority verfüge. Der Kläger habe somit gewusst, dass es sich um ein im EU-Ausland lizenziertes Angebot handele. In der Endnutzer-Lizenzvereinbarung weise sie ferner daraufhin, dass ihre Glücksspielangebote nur in Jurisdiktionen genutzt werden dürften, in denen die Teilnahme erlaubt sei. Sie habe also niemals behauptet, über eine deutsche Lizenz außerhalb des Bundeslandes Schleswig-Holstein zu verfügen.
- 31
- Die damalige Betreibergesellschaft R.(Malta) Ltd. bestehe weiter fort, dies ergebe sich bereits aus dem Registerauszug des maltesischen „Business Registry“ (Anlage B 23). Eine irgendwie geartete Rechtsnachfolge der Beklagten bestehe nicht.
- 32
- Der Kläger habe sich, was seine Login-Historie und die Nutzung von VPN-Clients belege, auch aus Österreich und Spanien eingeloggt (Login-Historie, Anlage B 4). Dies lege nahe, dass er an den streitgegenständlichen Spielvorgängen auch von Orten aus teilgenommen habe, die nicht im Geltungsbereich des Glücksspielstaatsvertrages liegen.
- 33
- Die Anspruchshöhe sei zudem nicht schlüssig dargelegt, soweit der Kläger auf Gutschriften auf seinem Nutzerkonto in USD abstelle. Maßgeblich seien seine Einzahlungen, die er sämtlich in Euro getätigt habe. Soweit diese seinem in US-Dollar geführten Spielerkonto gutgeschrieben werden sollten, habe sie diese Einzahlungen in der Folge zum jeweiligen Wechselkurs umgerechnet und den auf diese Weise berechneten Betrag in US-Dollar dem klägerischen Guthabenkonto gutgeschrieben. Nach Vorlage der Anlagen K 5 und K 6 durch den Kläger hat die Beklagte aber nunmehr unstreitig gestellt, dass die dort dargelegten Zahlungsflüsse den realen Ein- und Auszahlungen in EUR entsprechen.
- 34
- Der Kläger setze des Weiteren eine Bereicherung ihrerseits unzutreffend mit dem Überschuss der Einzahlungen über die Auszahlungen aus seinem Nutzerkonto gleich. Der weit überwiegende Teil der Einsätze fließe ihr nur vorübergehend zu, bevor er an die Spieler zur Zahlung von deren Gewinnen wieder ausgeschüttet werde. Die Spielverluste des Klägers seien ihr nur zu einem ganz geringen Teil zugeflossen. Das gelte insbesondere für Online-Poker, bei dem ihr allein das Rake zufließe und für Online-Poker-Turniere, bei denen sie allein die Kommission erhalte. Die Beklagte habe, soweit der Kläger an Online-Pokerspielen teilgenommen habe, allenfalls das sog. „Rake“ bzw. „Hausanteil“, vergleichbar mit einer Provision, in einer Höhe zwischen 3,5 % und 6,25 % vereinnahmt; der Rest des Spieleinsatzes sei in einen Gewinnpot geflossen, der an den Gewinner des jeweiligen Pokerspiels ausgezahlt wurde. Bei Online-Pokerturnieren, sei eine sog. „Registration Fee“ zu leisten, von der ein „Rake“ für die Beklagte abgezogen werde. Der Rest der Teilnahmegebühr speise den Preisgeldtopf, der wiederum an die Spieler ausgezahlt werde.
- 35
- Jedenfalls seien die erlangte Gewinnchance sowie das durch die Nutzung vermittelte Spielvergnügen im Rahmen der Vorteilsausgleichung anzurechnen.
- 36
- Der Kläger habe Kenntnis bezüglich der rechtlichen Rahmenbedingungen des streitgegenständlichen Glücksspiels gehabt bzw. habe er sich dieser Kenntnis trotz sich ihm aufdrängender Tatsachen aus besonderem Leichtsinn oder besonderer Gleichgültigkeit versperrt. Die Debatte um dieses Thema sei mindestens seit Anfang des Jahres 2013 in den öffentlichen Medien präsent, u.a. in Artikeln von Stern, Welt, Bild, Süddeutscher Zeitung sowie in Fernsehbeiträgen (Anlagen B 5 bis B 13). Der Kläger habe bereits den Hinweis in der Endnutzer-Lizenzvereinbarung vom März 2012 (Anlage B 3), in der ausdrücklich darauf hingewiesen werde, Ps sei nicht in der Lage, die Rechtmäßigkeit der Dienstleistung in jeder Jurisdiktion zu prüfen, weshalb es in der Verantwortung des Nutzers liege, sich in dieser Beziehung kundig zu machen, zum Anlass nehmen müssen, sich vor der ersten Spielteilnahme eigenständig über die Rechtslage zu informieren.
- 37
- Jedenfalls sei der Rückforderungsanspruch des Klägers nach den Grundsätzen von Treu und Glauben gemäß § 242 BGB ausgeschlossen. Die Beklagte beruft sich außerdem auf Verjährung.
Entscheidungsgründe
- 42
- Die zulässige Klage ist (nur) teilweise begründet. Auf den zulässigen, insbesondere form- und fristgerecht eingelegten Einspruch der Beklagten hin ist das stattgebende Versäumnisurteil vom 28.12.2022 daher teilweise aufzuheben.
- A.
- 43
- Die Klage ist zulässig. Das hiesige Gericht ist insbesondere international und örtlich zuständig. Die Beklagte hat sich auf die Klage eingelassen, ohne die internationale oder örtliche Zuständigkeit zu rügen (Art. 26 Abs. 1 S. 1 EuGVVO). Im Übrigen ergibt sich die örtliche und internationale Zuständigkeit aus Art. 17 Abs. 1c), Art. 18 Abs. 1 2. Alt. EuGVVO. Der Kläger ist Verbraucher und die Beklagte hat ihre Tätigkeit auf Deutschland, insbesondere auch das Wohnort-Bundesland des Klägers Baden-Württemberg ausgerichtet, indem sie hier über eine deutschsprachige Internetdomain Nutzern die Gelegenheit zur Teilnahme an Online-Glücksspielen angeboten hat.
- B.
- 44
- Die Klage ist insofern begründet, als der Kläger einen Anspruch auf Zahlung in Höhe von 3.386,56 EUR geltend macht. Im Übrigen ist die Klage unbegründet. Der Kläger hat die Klage zwar teilweise zurückgenommen. Die insofern erklärte teilweise Klagrücknahme ist allerdings nach § 269 Abs. 1 ZPO unwirksam. Sie erfolgte erst nach Antragstellung der Parteien in der mündlichen Verhandlung vom 21.06.2023, sie erforderte also die Einwilligung der Beklagten, die diese nicht erteilt hat. Damit ist über die ursprünglichen Anträge weiter durch Urteil zu entscheiden.
- 45
- I. Der Kläger hat einen Anspruch auf Zahlung von 3.386,56 EUR gemäß § 812 Abs. 1 S. 1 1. Alt. BGB im Zusammenhang mit der Teilnahme an Online-Glücksspielen auf den Webseiten „shttps://www.Ps./de/“; „https://www.Psv.de/“ und „https://www.Pss.de/“ gegen die Beklagte.
- 46
- 1. Das Rechtsverhältnis der Parteien unterliegt gemäß Art. 1 Abs. 1, 6 Abs. 1 lit. b) ROM-I-VO deutschem Recht. Nach Art. 12 Abs. 1 lit e) Rom-I-VO ist das auf die Spielverträge anzuwendende Recht auch maßgebend für die Folgen der Nichtigkeit der Verträge, einschließlich der bereicherungsrechtlichen Folgen (vgl. Art. 10 Abs. 1 ROM-II-VO). Dass der Kläger die Forderungen gegen die Beklagte an einen Prozessfinanzierer und damit ein Unternehmen abgetreten hat, ändert an der – für die Anwendbarkeit deutschen Rechts ausschlaggebenden – Verbrauchereigenschaft des Klägers zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses nichts.
- 47
- 2. Der Kläger ist auch aktivlegitimiert. Er hat seine Forderungen gegen die Beklagte zwar an einen Prozessfinanzierer abgetreten. Der Kläger kann die Forderungen aber im Wege der gewillkürten Prozessstandschaft geltend machen. Deren Voraussetzungen liegen vor. Das dafür erforderliche schutzwürdige Eigeninteresse des Klägers und des Rechtsinhabers ist bei einer Sicherungszession – wie sie hier vorliegt – grundsätzlich gegeben (BGH NJW 2022, 1959, 1961). Die Klägerin muss darüber hinaus nachweisen, dass der Prozessfinanzierer als Rechtsinhaber sie zur aktiven Prozessführung ermächtigt hat (OLG Hamm, Urteil vom 21. März 2023 – I-21 U 116/21 –, Rn. 23, juris). Dies ist vorliegend ausweislich der vorgelegten Anlage K 3 der Fall. Dort hat der Prozessfinanzierer den Kläger zur Prozessführung und zur Geltendmachung der Zahlung an sich selbst ermächtigt.
- 48
- 3. Die Voraussetzzungen eines Kondiktionsanspruchs gem. § 812 Abs. 1 S. 1 BGB sind erfüllt, soweit der Kläger Ansprüche im Zusammenhang mit der Teilnahme an Online-Glücksspielangeboten auf der Plattform „Ps“ der Beklagten ab dem 12.09.2012 in Höhe von 3.386,56 EUR geltend macht.
- 50
- aa) Dieser Betrag setzt sich zusammen aus den Spieleinsätzen des Klägers gemäß der Transaktionsliste in der Anlage K 6 abzüglich der aus diesen Spieleinsätzen erhaltenen Auszahlungen. Der Kläger hat auf der Grundlage der vorgenannten Transaktionsliste vorgetragen, 3.386,56 EUR an Verlusten erzielt zu haben. Diesen Betrag hat die Beklagte zumindest rein rechnerisch nicht mehr bestritten. Soweit der Kläger ursprünglich weitere Spielverluste in EUR behauptete, sind diese nicht schlüssig dargetan.
- 51
- bb) Der Kläger musste nicht näher vortragen, aus welcher Art von Spielen und Spielvorgängen die einzelnen Verluste herrührten. Es ist unstreitig, dass den Spielvorgängen Online-Glücksspiele zugrunde lagen. An dem Erhalt der vorgenannten Beträge seitens der Beklagten ändert sich jedenfalls nichts dadurch, dass die Beklagte die Spieleinsätze nur vorübergehend in Empfang nahm, hieraus ihre – nach Art des gespielten Spieles unterschiedliche – Provision bzw. ihr Rake entnahm, und schließlich die Gelder an die jeweiligen Gewinner verteilte. Dem entsprechenden Vortrag der Beklagten ist jedenfalls nicht zu entnehmen, dass diese nicht zu irgendeinem Zeitpunkt eine faktische Verfügungsmöglichkeit über die Einzahlungen des Klägers auf das Nutzerkonto hatte. Die Frage, ob die von der Beklagten in Empfang genommenen Spieleinsätze ihr letztlich verblieben, ist eine der Entreicherung und nicht des Erhalts der Geldbeträge (OLG Dresden, 27.10.2022, 10 U 736/22, Rn. 30 zit. nach juris; OLG Köln, 31.10.2022 – 19 U 51/22, Rn. 51, zit. nach juris.)
- 53
- c) Dies erfolgte ohne Rechtsgrund. Der Rahmenspielvertrag und die einzelnen Spielverträge zwischen den Parteien, die den in der Transaktionsliste aufgeführten Spielvorgängen zugrunde liegen, sind nach dem im gesamten streitgegenständlichen Zeitraum geltenden § 4 Abs. 4 GlüStV 2012 nichtig. Bei dieser Regelung, nach der das Veranstalten und das Vermitteln öffentlicher Glücksspiele im Internet verboten ist, handelt es sich um ein Verbotsgesetz im Sinne von § 134 BGB.
- 54
- aa) Die Vorschrift des § 4 Abs. 4 GlüStV 2012 war im fraglichen Zeitraum wirksam und auch materiell mit dem Unionsrecht vereinbar, insbesondere stellte sie keine inkohärente Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs gem. Art. 56 AEUV dar (vgl. hierzu ausführlich BGH, Urteil vom 28.09.2011 – I ZR 92/09; BGH, Urteil vom 22.07.2021 – I ZR 194/20, zit. nach juris; OLG Frankfurt, Beschluss vom 08.04.2022 – 23 U 55/21, zit. nach juris; OLG Köln, Urteil vom 31. Oktober 2022 – I-19 U 51/22 –, Rn. 53, zit. nach juris; OLG Karlsruhe, Urteil vom 6. April 2023 – 14 U 256/21 –, Rn. 62 ff., zit. nach juris). Die mit der Regelung verbundene Einschränkung der durch Art. 56 AEUV gewährleisteten Dienstleistungsfreiheit von Glücksspielanbietern ist gerechtfertigt, weil sie auch im unionsrechtlichen Sinne verhältnismäßig und insbesondere geeignet gewesen ist, zur Erreichung der mit ihr verfolgten Gemeinwohlzwecke in systematischer und kohärenter Weise beizutragen (BVerwG v. 26.10.2017 – 8 C 18/16, juris, Rn. 38-43; OLG Braunschweig v. 23.02.2023 – 9 U 3/22, juris, Rn. 67, 68; OLG Frankfurt v. 08.04.2022 – 23 U 55/21, juris, Rn. 48; OLG München v. 20.09.2022 – 18 U 538/22, juris, Rn. 15).
- 55
- bb) Die Frage, ob der Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot nach § 134 BGB zur Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts führt, ist, wenn wie bei § 4 Abs. 4 GlüStV 2012 eine ausdrückliche Rechtsfolgenregelung fehlt, nach dem Zweck des Verbotsgesetzes zu beantworten. Dabei hat der Verstoß gegen ein Verbotsgesetz in der Regel die Nichtigkeit eines Rechtsgeschäfts nur dann zur Folge, wenn sich das Verbot gegen beide Seiten richtet. In besonderen Fällen kann sich die Nichtigkeit allerdings auch aus einem einseitigen Verstoß ergeben, falls nämlich der Zweck des Verbotsgesetzes anders nicht zu erreichen ist und die rechtsgeschäftlich getroffene Regelung nicht hingenommen werden darf. Eine solche Ausnahme liegt etwa vor, wenn der angestrebte Schutz des Vertragspartners die Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts erfordert oder wenn der Erfüllungsanspruch auf eine unerlaubte Tätigkeit gerichtet ist. Reicht es dagegen aus, dem gesetzlichen Verbot durch verwaltungs- bzw. strafrechtliche Maßnahmen Nachdruck zu verleihen, so hat die zivilrechtliche Sanktion der Nichtigkeit daneben keinen Platz (BGH v. 13.09.2022 – XI ZR 515/21, juris, Rn. 11).
- 56
- Selbst wenn man vorliegend davon ausginge, dass sich § 4 Abs. 4 GlüStV 2012 nur an den Anbieter und nicht auch an den Spieler richtet, führt vorliegend auch der einseitige Gesetzesverstoß der Beklagten ausnahmsweise zur Nichtigkeit der Spielverträge, weil es mit dem Sinn und Zweck des Verbotsgesetzes unvereinbar wäre, die durch das Rechtsgeschäft getroffene rechtliche Regelung hinzunehmen und bestehen zu lassen. Zweck der vorgenannten Norm ist es vorliegend nicht allein, den Abschluss eines Spielervertrags im Internet zu unterbinden, sondern gerade die Folgen des durchgeführten Glücksspiels zu verhindern. Die Vorschrift dient ausweislich von § 1 GlüStV 2012 dem Zweck, das Entstehen von Glücksspielsucht und Wettsucht zu verhindern, die Voraussetzungen für eine wirksame Suchtbekämpfung zu schaffen und den Spielerschutz zu gewährleisten. Die Spieler sollen vor betrügerischen Machenschaften geschützt und die mit Glücksspielen verbundene Folge- und Begleitkriminalität soll abgewehrt werden. Demzufolge soll § 4 Abs. 4 GlüStV 2012 nicht nur den Abschluss des Vertrages an sich, sondern die mit der Durchführung des Glücksspiels verbundenen Folgen verhindern. Der Spieler soll vor Manipulation, Folgekriminalität und Gesundheitsgefahren geschützt werden. Dies erfordert es, die vorgenannte Vorschrift als Verbotsgesetz einzustufen (so im Ergebnis auch OLG Braunschweig v. 23.02.2023 – 9 U 3/22, juris, Rn. 90-93; OLG Frankfurt v. 08.04.2022 – 23 U 55/21, juris, Rn. 47; OLG Karlsruhe, Urteil vom 6. April 2023 – 14 U 256/21 –, Rn. 72, zit. nach juris). Verwaltungsrechtliche und strafrechtliche Maßnahmen reichen gerade nicht aus, um dem Spielerschutz ausreichend Rechnung zu tragen.
- 57
- Dem steht auch nicht die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 13.09.2022 – XI ZR 515/21 – entgegen, die in einem Rechtsstreit zwischen einem Zahlungsdienstleister und einem Verbraucher ergangen ist, der an einem Online-Glücksspiel teilgenommen hatte. Der Bundesgerichtshof verhielt sich in dieser Entscheidung zu § 4 Abs. 1 S. 2 2. Alt. GlüStV 2011, wonach die Mitwirkung an Zahlungen im Zusammenhang mit unerlaubtem Glücksspiel verboten sind. Er entschied, dass diese Regelung kein Verbotsgesetz darstellt. Es ging in dieser Entscheidung um eine andere Regelung und das Verhältnis zwischen Zahlungsdienstleister und Zahlungsdienstenutzer. Die Entscheidung ist daher auf den vorliegenden Sachverhalt, indem es um das Verhältnis des Glücksspielanbieters und des Spielers geht und eine andere Regelung Anwendung findet, nicht übertragbar (so im Ergebnis auch OLG Braunschweig v. 23.02.2023 – 9 U 3/22, juris, Rn. 94-98).
- 58
- cc) Die Beklagte hat gegen § 4 Abs. 4 GlüStV 2012 verstoßen; denn sie verfügte im streitgegenständlichen Zeitraum nicht über eine Erlaubnis zum Veranstalten von Online-Glücksspielen in Deutschland. Die Beklagte kann sich auch nicht darauf berufen, dass ihr Angebot genehmigungsfähig gewesen ist und eine andere Gesellschaft mittlerweile eine solche Genehmigung erhalten hat. Das Verbot betrifft gerade die Durchführung von Online-Glücksspielen ohne behördliche Genehmigung.
- 59
- dd) Es steht weiter nicht fest, dass der Kläger im Zusammenhang mit den in K 6 aufgezeigten Verlusten auf der Plattform „Ps“ aus dem Ausland an Online-Glücksspielen teilgenommen hat. Unstreitig hat sich der Kläger zwar im Januar, Juni und Juli 2012 aus Österreich bzw. Spanien auf der Plattform eingeloggt. Der zugesprochenen Forderung liegen aber Spielvorgänge erst ab September 2012 zugrunde, so dass es nicht darauf ankommt, ob vor diesem Zeitpunkt eine in anderen Ländern nach dortigen gesetzlichen Vorgaben erlaubte Teilnahme an Online-Glücksspielen erfolgte. Dass nämlich die geltend gemachten, ab September 2012 eingetretenen Verluste mit diesen Teilnahmen im Ausland im Januar, Juni und Juli 2012 noch in Zusammenhang stehen, hat die Beklagte weder substantiiert aufgezeigt, noch ist dies aus der Akte ersichtlich.
- 60
- Die den Spielvorgängen in der Transaktionsliste K 6 unterfallenden Spielverträge sind daher nichtig; die Leistungen des Klägers an die Beklagte sind ohne Rechtsgrund erfolgt und zurück zu gewähren.
- 61
- 4. Die Beklagte kann sich nicht auf den Wegfall der Bereicherung gemäß § 818 Abs. 3 BGB berufen, weil sie die Spieleinsätze zum großen Teil wieder an die Gewinner der jeweiligen Glücksspiele ausgeschüttet hat. Dem Einwand der Entreicherung steht nämlich die Bösgläubigkeit der Beklagten gemäß §§ 818 Abs. 4, 819 Abs. 1 BGB entgegen. Die Beklagte wusste, dass sie nicht über eine Genehmigung zum Anbieten und Veranstalten von Glücksspielen in Deutschland verfügte. Die Beklagte verweist in ihren AGB nach ihrem Vortrag selbst darauf, dass ihre Glücksspielangebote nur in Jurisdiktion genutzt werden dürfen, in denen die Teilnahme erlaubt ist. Ihr war somit bekannt, dass sie mit ihrem Glücksspielangebot über das Internet gegen § 4 Abs. 4 GlüStV 2012 verstieß. Aus dem vorgenannten Grund findet auch die Saldotheorie keine Anwendung (Grüneberg-Sprau, BGB, 83. Aufl., § 818, Rn. 49 m.w.N.). Die Beklagte kann sich daher auch nicht darauf berufen, dass der Kläger einen Gegenwert in Form der Spielteilnahme und des Spielvergnügens erhalten hat.
- 62
- 5. Dem Anspruch des Klägers steht nicht entgegen, dass er davon Kenntnis gehabt hätte, dass die Spielverträge nichtig sind (§ 814 BGB).
- 63
- Erforderlich ist in diesem Zusammenhang die positive Kenntnis der Nichtschuld im Zeitpunkt der Leistung; ein „Kennen müssen“ genügt nicht, selbst wenn die Unkenntnis auf grober Fahrlässigkeit beruht. Es genügt auch nicht, wenn dem Leistenden die Tatsachen bekannt sind, aus denen sich das Fehlen einer rechtlichen Verpflichtung ergibt. Vielmehr muss der Leistende aus diesen Tatsachen nach der maßgeblichen Parallelwertung in der Laiensphäre auch die zutreffende rechtliche Schlussfolgerung gezogen haben (BGH, Urteil vom 05.032015 – IX ZR 133/14 –, BGHZ 204, 231-251 und juris; siehe auch Grüneberg/Sprau, BGB, 83. Aufl. 2024, § 814 Rn. 4). Die Beweislast dafür trägt der Empfänger (Grüneberg/Sprau, BGB, 83. Aufl. 2024, § 814 Rn. 11; zu allem siehe auch OLG Dresden, Urteil vom 27. Oktober 2022 – 10 U 736/22 –, Rn. 54, juris).
- 64
- Der Kläger gab bei seiner Anhörung in der Sitzung am 26.06.2023 glaubhaft an, im streitgegenständlichen Zeitraum bis 27.04.2020 nicht gewusst zu haben, dass die Teilnahme an Online-Glücksspielen in Deutschland verboten war. Er habe 2020 mit dem Online-Spielen aufgehört, weil er andere Interessen gehabt habe. Auf die Illegalität von Online-Spielen sei er erst vor ca. einem Jahr aufmerksam geworden. Er habe das entweder in Nachrichtenportalen im Internet gesehen, und / oder die Seite „glück.zurück.de“ sei als Werbebanner angezeigt worden. Davor habe er keine entsprechenden Hinweise im Internet wahrgenommen. Ihm sei zwar zuvor bereits einmal der Slogan aufgefallen, dass sich Online-Poker nur an Spieler in Schleswig-Holstein richte, das habe er aber nicht mit der Information verknüpft, dass Online-Poker illegal sein sollte.
- 65
- Die insofern darlegungs- und beweispflichtige Beklagte ist für ihren Vortrag, dass der Kläger Kenntnis von der Illegalität von Online-Glücksspielen in Deutschland ohne behördliche Erlaubnis gehabt habe, beweisfällig geblieben. Eine positive Kenntnis des Klägers im oben beschriebenen Sinne ergibt sich entgegen der Ansicht der Beklagten auch nicht daraus, dass der Kläger die Endnutzer-Lizenzvereinbarung zur Kenntnis genommen hat, in der darauf hingewiesen wird, dass die Glücksspielangebote nur in Jurisdiktionen genutzt werden dürften, in denen die Teilnahme erlaubt sei. Einen expliziten Hinweis darauf, dass dies in Deutschland nicht der Fall sei, enthält die Endnutzer-Lizenzvereinbarung eben nicht. Dass der Kläger aus diesem allenfalls impliziten Hinweis aber schon den rechtlichen Schluss gezogen hat, dass die Teilnahme gerade in Deutschland – auf dessen Markt sich das Angebot der Beklagten zumindest auch richtete – nicht erlaubt sei, kann nicht unterstellt werden.
- 67
- Voraussetzung für die Anwendung von § 817 S. 2 BGB ist, dass der Leistende vorsätzlich gegen ein gesetzliches Verbot verstoßen hat. Dem steht es gleich, wenn er sich der Einsicht in das Verbotswidrige seines Handelns leichtfertig verschlossen hat (BGH v. 10.01.2019 – IX ZR 89/18, juris, Rn. 28; OLG Braunschweig v. 23.02.2023 – 9 U 3/22, juris, Rn. 126; OLG Frankfurt v. 08.04.2022 – 23 U 55/21, juris, Rn. 52).
- 68
- Nach dem nicht widerlegten Vortrag des Klägers hatte er keine Kenntnis davon, dass das Veranstalten und Anbieten von Online-Glücksspielen in Deutschland jedenfalls ohne behördliche Erlaubnis verboten war. Es kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass er sich in leichtfertiger, somit grob fahrlässiger Weise dieser Erkenntnis verschlossen hat. Eine grob fahrlässige Unkenntnis des Klägers ergibt sich nicht daraus, dass in der Endnutzer-Lizenzvereinbarung ein Hinweis darauf enthalten ist, dass das Glücksspielangebot nur in Jurisdiktionen genutzt werden dürfe, in denen die Teilnahme erlaubt. Wie bereits ausgeführt, enthält die Endnutzer-Lizenzvereinbarung der Beklagten keinen expliziten Hinweis darauf, dass ihr Glücksspielangebot in Deutschland jedenfalls ohne behördliche Erlaubnis verboten ist; gleichzeitig richtete die Beklagte ihr Angebot ausdrücklich jedenfalls auch auf den deutschen Markt aus. Der Kläger handelte damit nicht leichtfertig, wenn er der Frage, ob in Deutschland eine Teilnahme erlaubt sei, seinerseits nicht weiter nachging. Allgemein darf sich der Vertragspartner darauf verlassen, dass sein Gegenüber redlich im Rechtsverkehr handelt und nichts Verbotenes tut bzw. keine verbotenen Leistungen anbietet. Der Kläger musste also gerade nicht damit rechnen, dass die Beklagte in verbotener Weise ihr Glücksspielangebot auf Deutschland ausrichtete.
- 69
- Dass der Kläger sich vor der Teilnahme an Online-Glücksspielen nicht allgemein über die Rechtslage kundig gemacht hat, begründet ebenfalls nicht den Vorwurf der groben Fahrlässigkeit.
- 70
- Die Beklagte hat im Übrigen selbst zur (Europa-)rechtswidrigkeit des generellen Verbots von Online-Glücksspielen bzw. zu deren Legalität vorgetragen. Auch hält sie ihr Angebot für jedenfalls erlaubnisfähig und deshalb nicht verboten. Es steht daher nach dem eigenen Vorbringen der Beklagten fest, dass die Rechtslage jedenfalls schwierig und für einen Laien nicht ohne Weiteres verständlich war. Die Beklagte kann nicht einerseits die Legalität des Angebots behaupten und gleichzeitig dem Kläger vorwerfen, dessen Illegalität als klare und einfach zu recherchierende Rechtslage leichtfertig nicht zur Kenntnis genommen zu haben (so auch OLG Frankfurt, Beschluss vom 8. April 2022 – 23 U 55/21 –, Rn. 56, juris).
- 71
- 7. § 762 Abs. 1 BGB steht dem Anspruch des Klägers ebenfalls nicht entgegen. Die Vorschrift ist auf nichtige Verträge nicht anwendbar. Der Zahlungsanspruch des Klägers beurteilt sich nach §§ 812, 814, 817 BGB (OLG Braunschweig v. 23.02.2023 – 9 U 3/22, juris, Rn. 153; OLG Frankfurt v. 08.04.2022 – 23 U 55/21, juris, Rn. 58; Retzlaff in Grüneberg, BGB, 83. Aufl., § 762, Rn. 9).
- 72
- 8. Der Rückforderungsanspruch des Klägers ist auch nicht nach § 242 BGB ausgeschlossen. Der Kläger hat sich weder treuwidrig noch selbstwidersprüchlich verhalten, indem er auf das Glücksspielangebot der Beklagten eingegangen ist und so im Ergebnis von Spielgenuss ohne Verlustrisiko profitiert hat. Vielmehr verhält sich die Beklagte widersprüchlich, indem sie einerseits ihr illegales Glücksspielangebot bewusst auf Deutschland ausgerichtet hat und sich nun andererseits auf einen Verstoß gegen Treu und Glauben durch die Teilnahme an diesem Angebot beruft. Da sich die Beklagte selbst gesetzeswidrig verhält, kann sie sich vorliegend auch gegenüber dem Kläger nicht auf § 242 BGB berufen. Das gilt gerade in Anbetracht der Ziele der vorgenannten Verbotsgesetze, die zumindest auch dem Schutz der Spieler dienen. Es ist die Beklagte, die als als Anbieterin das Risiko einer Illegalität ihres Angebots bewusst eingegangen ist. Ein Abwälzen dieses Risikos auf den Bereicherungsgläubiger ist nach § 817 S. 2 BGB nur unter den dortigen, hier nicht erfüllten Voraussetzungen, vorgesehen. Diese Regelung schafft bereits einen angemessenen Ausgleich im Sinne des Bereicherungsschuldners, so dass das Ergebnis der Anwendung des § 817 S. 2 BGB in der Regel – so auch hier – nicht über § 242 BGB in sein Gegenteil verkehrt werden darf (OLG Frankfurt, Beschluss vom 8. April 2022 – 23 U 55/21 –, Rn. 59, juris).
- 73
- 9. Der Anspruch des Klägers ist – soweit er in der Sache besteht – nicht nach § 199 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 1 BGB verjährt.
- 74
- Die Spielverluste, die dem begründeten und zugesprochenen Anspruch des Klägers zugrunde liegen, sind nach dem 12.09.2012 eingetreten. Damit wurde die Verjährung vor Ablauf der Verjährungshöchstfrist des § 199 Abs. 3 Nr. 1 BGB durch Klageerhebung am 12.09.2022 gehemmt.
- 75
- Der begründete Anspruch des Klägers ist auch nicht nach § 199 Abs. 1 BGB verjährt. Die Beklagte hat nicht bewiesen, dass der Kläger in verjährungsrelevanter Zeit Kenntnis von dem Bestehen der Verbotsgesetze erlangt hat oder ohne grobe Fahrlässigkeit hätte erlangen müssen, Auf die obigen Ausführungen unter I. 5.) und 6.) wird verwiesen.
- 76
- 10. Im Hinblick darauf, dass dem Kläger vorliegend ein Anspruch nach § 812 Abs. 1 S. 1 1. Alt. BGB in der tenorierten Höhe zusteht, bedarf es keiner Entscheidung, ob sich der Anspruch auch aus § 817 S. 1 BGB in gleicher Höhe ergibt. Ebenfalls kann an dieser Stelle dahinstehen, ob sich der Anspruch des Klägers auch aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 284 StGB und § 4 Abs. 4 GlüStV 2012 ergibt.
- 77
- II. Weitere Ansprüche des Klägers im Zusammenhang mit den Verlusten, die dieser auf der Plattform „F“ erlitten hat, und die mit Anlage K 5 berechnet werden, bestehen nicht. Unstreitig war die Beklagte erst ab Mai 2016 Betreiberin der Webseite „F“, Spielvorgänge des Klägers in diesem Zusammenhang sind aber nur bis zum 27.03.2016 vorgetragen worden. Eine Grundlage für eine Passivlegitimation der Beklagten für diese Verluste vor Mai 2016 hat die Klägerseite nicht dargetan.
- 78
- 4. Die Klägerseite hat keinen hinreichenden Vortrag dazu, dass die Beklagte Rechtsnachfolgerin der vorherigen Betreibergesellschaft der Plattform geworden sei, gehalten. Die Behauptung, es habe eine „Verschmelzung“ auf oder „unmittelbare oder mittelbare“ Integration in die Beklagte stattgefunden, erfolgt ersichtlich ins Blaue hinein und ist daher nicht berücksichtigungsfähig. Sie ist im Übrigen dadurch widerlegt, dass die Beklagte unter Hinweis auf einen Auszug aus dem maltesischen „Business Registry“, Anlage B 23, geltend gemacht hat, die frühere Betreibergesellschaft bestehe immer noch als eigenständige Rechtspersönlichkeit fort. Dem ist der Kläger nicht mehr substantiiert entgegengetreten.
- 79
- 5. Die Beklagte hat auch nicht das Vertragsverhältnis der früheren Betreibergesellschaft mit dem Kläger übernommen. Zwar kommt eine Vertragsübernahme in einer Konstellation wie der hiesigen in Betracht. Die Beklagte hat das Glücksspielangebot einer anderen Betreibergesellschaft bei unveränderter Weiterführung der identischen Domain und Website und insbesondere des Spielerkontos übernommen. Im Angebot der Beklagten, mit dem bisherigen Nutzerkonto auf der gleichen Plattform weiterzuspielen, kann bei objektiver Auslegung auch das Angebot der Übernahme des Rahmenvertrages mit dem bisherigen Anbieter samt der mit ihm verbundenen einzelnen Spiele, verbuchten Spieleinsätze und Gewinnausschüttungen gesehen werden. Dieses Angebot müsste der Kläger aber – etwa konkludent durch aktive Weiternutzung seines Accounts – angenommen haben (so im Fall des LG Heilbronn, 10.2.2023 – We 6 O 345/21, BeckRS 2023, 1485, Rn. 37 ff.). Vorliegend sind nach Übernahme der Plattform durch die Beklagte aber keine Spieleraktivitäten des Klägers auf der Plattform „F“ mehr vorgetragen, eine konkludente Annahme durch Weiternutzung kann daher nicht festgestellt werden. Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger das Angebot der Beklagtenseite auf Vertragsübernahme anderweit ausdrücklich oder konkludent angenommen hätte, sind weder vorgetragen noch aus der Akte ersichtlich.
- 80
- 6. Auch eine Haftung der Beklagten nach § 25 HGB kommt nicht in Betracht. Ganz unabhängig von der Frage, ob eine solche Haftung alleine aufgrund der Fortführung einer Internetdomain begründet wäre, fehlt es bereits an einer Anwendbarkeit der Norm auf die Beklagte oder die vorherige Betreiberin der Plattform, beides Gesellschaften nach maltesischem Recht mit Sitz in Malta. Die kollisionsrechtliche Anknüpfung des § 25 HGB als Haftungsnorm ist weder nach der Rom-I-VO noch der Rom-II-VO geregelt. Eine Haftung aus Firmenfortführung nach § 25 HGB ist nicht rechtsgeschäftlich begründet, sondern als gesetzlicher Schuldbeitritt ausgestaltet, damit kommt die Rom I-Verordnung als Anknüpfungsnorm hierauf nach herrschender Meinung nicht zur Anwendung. Auch die Rom II-Verordnung enthält keine passende Kollisionsnorm. Damit hat eine Anknüpfung am Recht am Ort der gewerblichen Niederlassung des fortgeführten Unternehmens zu erfolgen (BeckOGK/Großerichter/Zwirlein-Forschner, 1.4.2023, IPR Internationales Gesellschaftsrecht – Allgemeiner Teil Internationales Gesellschaftsrecht – Allgemeiner Teil Rn. 380 m.w.N.). Dass aber das maltesische Recht eine entsprechende Haftungsnorm bereithält, macht der Kläger nicht geltend.
- 81
- Damit bestehen lediglich Ansprüche des Klägers gegen die Beklagte im Zusammenhang mit der Plattform „Ps“.
- 82
- III. Ansprüche des Klägers, die nicht mit den Anlagen K 5 und K 6 berechnet wurden, sondern der ursprünglichen Antragstellung zugrunde lagen, bestehen nicht. Sie waren bereits – soweit EUR-Beträge geltend gemacht wurden – rechnerisch nicht schlüssig dargetan. Soweit Dollar-Beträge geltend gemacht wurden, ist ein Anspruch ebenfalls nicht schlüssig dargetan. Denn unstreitig wurden die Einzahlungen auf die Nutzerkonten von in EUR geführten Konten des Klägers vorgenommen. Auf Beklagtenseite (bzw. auf Seiten der Betreiber der Plattform „F“) wurden daher nur die jeweiligen Eurobeträge i.S.d. bereicherungsrechtlichen Vorschriften „erlangt“, die bei Einzahlung des Klägers auf das jeweilige Spielerkonto jeweils in Dollar umgerechnet wurden. Würden diese Beträge mit dem heutigen Dollarkurs als „erlangte Beträge“ berücksichtigt, würde dies zu einer Verzerrung führen. Auf den entsprechenden Hinweis hin hat die Klägerseite dann auch die Klagforderung mit den Anlagen K 5 und K 6 neu unter Heranziehung des jeweiligen tagesaktuellen Umrechnungskurses von EUR in Dollar berechnet und die bisherige Klage (mangels Einwilligung der Beklagtenseite freilich wirkungslos) zurückgenommen.
- 83
- IV. Ansprüche des Klägers im Zusammenhang mit Spielverlusten vor dem 12.09.2012 bestehen ebenfalls nicht. Sie sind jedenfalls nach § 199 Abs. 3 Nr. 1 BGB verjährt, nachdem insofern die Verjährungshöchstfrist von 10 Jahren bei Klageinreichung abgelaufen war.
- 85
- VI. Der Kläger hat Anspruch auf Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten aus einem dem zugesprochenen Betrag entsprechenden Streitwert.
- 86
- 4. Verzug der Beklagten mit dem streitgegenständlichen Anspruch ist vor Beauftragung der Klägervertreter zwar nicht eingetreten, so dass ein Anspruch auf Ersatz dieser Kosten als Verzugsschaden aus §§ 280 Abs. 1, 2, 286 BGB nicht besteht.
- 87
- 5. Es besteht aber Anspruch des Klägers auf Ersatz der Kosten aus §§ 823 Abs. 2 i.V.m. § 4 Abs. 4 GlüStV.
- 88
- a) § 4 Abs. 4 GlüStV ist ein Schutzgesetz im Sinne von § 823 Abs. 2 BGB. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist eine Rechtsnorm ein Schutzgesetz i.S.d. § 823 Abs. 2 BGB, wenn sie zumindest auch dazu dienen soll, den Einzelnen oder einzelne Personenkreise gegen die Verletzung eines bestimmten Rechtsgutes oder eines bestimmten Rechtsinteresses zu schützen. Dafür kommt es nicht auf die Wirkung, sondern auf Inhalt, Zweck und Entstehungsgeschichte des Gesetzes an, also darauf, ob der Gesetzgeber bei Erlass des Gesetzes gerade einen Rechtsschutz, wie er wegen der behaupteten Verletzung in Anspruch genommen wird, zugunsten von Einzelpersonen oder bestimmten Personenkreisen gewollt oder doch mitgewollt hat. Es genügt, dass die Norm auch das in Frage stehende Interesse des Einzelnen schützen soll, mag sie auch in erster Linie das Interesse der Allgemeinheit im Auge haben (BeckOK BGB/Förster, 68. Ed. 1.11.2023, BGB § 823 Rn. 276 m.w.N.). Andererseits soll der Anwendungsbereich von Schutzgesetzen nicht ausufern. Es reicht deshalb nicht aus, dass der Individualschutz durch Befolgung der Norm als Reflex objektiv erreicht werden kann; er muss vielmehr im Aufgabenbereich der Norm liegen (vgl. nur BGH, Urteil vom 13.03.2018 – VI ZR 143/17, beck-online; BGH, Urteil vom 22.06.2010 – VI ZR 212/09, beck-online; BGH, Urteil vom 13.03.2018 – II ZR 158/16, beck-online). Ein gesetzliches Gebot oder Verbot ist als Schutzgesetz nur geeignet, soweit das geschützte Interesse, die Art seiner Verletzung und der Kreis der geschützten Personen hinreichend klargestellt und bestimmt sind (BGH, Urteil vom 23.07.2019 – VI ZR 307/18, juris).
- 89
- Diesen Anforderungen genügt § 4 Abs. 4 GlüStV. Dadurch, dass die Norm ein Verbot der Veranstaltung von Glückspielen im Internet vorsieht, dient sie jedenfalls auch den in § 1 GlüStV aufgeführten Zwecken, zu denen die Verhinderung bzw. Bekämpfung der Glücksspiel- und Wettsucht, dem Spieler- und Jugendschutz und dem Schutz des Spielers vor betrügerischen Machenschaften. Zwar dient die Norm hiernach – vor allem – auch Allgemeininteressen; gerade der Schutz des einzelnen Spielers vor den genannten Gefahren des Glücksspiels liegt hiernach jedoch gerade auch im Aufgabenbereich der Norm (OLG Köln, Urteil vom 31. Oktober 2022 – I-19 U 51/22 –, Rn. 74 – 76, juris).
- 90
- b) Der Anspruch des Klägers ist auch nicht gemäß § 254 BGB aufgrund eines Mitverschuldens ausgeschlossen oder beschränkt. Es liefe dem Sinn und Zweck des § 4 Abs. 4 GlüStV entgegen, würde man ein Verschulden des Klägers in eigenen Angelegenheiten durch die freiwillige Hingabe des Geldes zu Zwecken des Online-Glücksspiels anzunehmen. Der GlüStV a.F. diente mit seinem Ziel der Vermeidung und Bekämpfung von Spielsucht gerade auch in gewissem Umfang des Spielers vor sich selbst, was eine Anwendung des § 254 BGB ausschließt. § 254 BGB kann auch demjenigen Glücksspieler nicht entgegengehalten werden, der im Rahmen eines Selbstsperrevertrags zur Befriedigung seiner Spielsucht das Hausrecht der Spielbank verletzt (BGH, Urteil vom 15.12.2005 – III ZR 65/05, juris; OLG Köln, Urteil vom 31. Oktober 2022 – I-19 U 51/22 –, Rn. 79, juris).
- 91
- c) Vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten unterliegen grundsätzlich dem allgemeinen Schadensrecht. Der dem Geschädigten zustehende Schadensersatzanspruch umfasst grundsätzlich auch den Ersatz der durch das Schadensereignis erforderlich gewordenen Rechtsverfolgungskosten. Nach der ständigen Rechtsprechung des BGH hat der Schädiger allerdings nicht schlechthin alle durch das Schadensereignis adäquat verursachten Rechtsanwaltskosten zu ersetzen, sondern nur solche, die für den Geschädigten zur Wahrnehmung seiner Rechte erforderlich und zweckmäßig waren (BGH, NJW 2022, 472 Rn. 11, beck-online m.w.N.) Maßgeblich für die Beurteilung der Erforderlichkeit und die Zweckmäßigkeit ist der Zeitpunkt der Beauftragung, mithin die Ex-ante-Sicht (NJW 2015, 3745, beck-online). Aus der ex-Ante Sicht des Klägers als Geschädigtem war eine außergerichtliche Zahlungsaufforderung jedenfalls erforderlich und zweckmäßig.
- 92
- d) Die vorgerichtliche Rechtsanwaltsgebühr wurde vorliegend auch ausgelöst. Der Prozessauftrag ist den Klägervertretern ausweislich Anlage K 7 unter der aufschiebenden Bedingung erteilt worden, dass zunächst vorzunehmende außergerichtliche Einigungsversuche erfolglos bleiben. Ein lediglich (aufschiebend) bedingt für den Fall des Scheiterns des vorgerichtlichen Mandats erteilter Prozessauftrag steht der Gebühr aus Nr. 2300 VV RVG aber nicht entgegen (BGH, Urteil vom 22. Juni 2021 – VI ZR 353/20 –, Rn. 7, juris).
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