Startseite Allgemeines Vorläufig noch keine Entscheidung zur Abgrenzung zwischen der spezialgesetzlichen Prospekthaftung und der Haftung wegen Verschuldens bei Vertragsschluss
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Vorläufig noch keine Entscheidung zur Abgrenzung zwischen der spezialgesetzlichen Prospekthaftung und der Haftung wegen Verschuldens bei Vertragsschluss

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Verfahren II ZR 56/21, II ZR 57/21, II ZR 58/21 und II ZR 59/21

Beim II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs sind mehrere Verfahren anhängig, die die Haftung von Gründungsgesellschaftern einer Publikumskommanditgesellschaft betreffen, die Immobilieninvestments auf dem US-amerikanischen Markt plante. Die Anleger, die sich Ende 2010 bzw. im Jahr 2011 an der Gesellschaft beteiligten, machen geltend, sie seien nicht hinreichend über kapitalmäßige bzw. personelle Verflechtungen aufgeklärt worden.

Die im Wesentlichen auf Feststellung einer Schadensersatzpflicht gerichteten Klagen hatten in den Vorinstanzen Erfolg. Mit ihren Beschwerden wenden sich die Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision. Sie verweisen insbesondere auf die Rechtsprechung des XI. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs, nach der die spezialgesetzliche Prospekthaftung gemäß den § 13 VerkProspG, §§ 44 ff. BörsG in der bis zum 31. Mai 2012 geltenden Fassung in ihrem Anwendungsbereich eine Haftung der Gründungsgesellschafter als Prospektveranlasser unter dem Aspekt einer vorvertraglichen Pflichtverletzung aufgrund der Verwendung eines unrichtigen, unvollständigen oder irreführenden Prospekts als Mittel der schriftlichen Aufklärung gemäß § 280 Abs. 1 BGB i.V.m. § 311 Abs. 2 BGB ausschließe (BGH, Beschluss vom 19. Januar 2021 – XI ZB 35/18, BGHZ 228, 237).

Der II. Zivilsenat des Bundesgerichts hat demgegenüber am 25. Oktober 2022 entschieden, dass die spezialgesetzliche Prospekthaftung gemäß den § 13 VerkProspG, §§ 44 ff. BörsG in der bis zum 31. Mai 2012 geltenden Fassung in ihrem Anwendungsbereich eine gesellschaftsrechtliche Haftung der Gründungs- bzw. Altgesellschafter wegen einer vorvertraglichen Pflichtverletzung aufgrund der Verwendung eines unrichtigen, unvollständigen oder irreführenden Prospekts als Mittel der schriftlichen Aufklärung gemäß § 311 Abs. 2, § 241 Abs. 2, § 280 Abs. 1 BGB nicht ausschließe (BGH, Beschluss vom 25. Oktober 2022 – II ZR 22/22). Ein Vorlageverfahren gemäß § 132 Abs. 2, Abs. 3 GVG kam in dem betreffenden Fall nicht in Betracht, weil die Rechtsfrage, die der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs anders als der XI. Zivilsenat beantwortet, im Streitfall nicht entscheidungserheblich war.

Der II. Zivilsenat hatte im Verfahren II ZR 56/21 die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen und für den 21. März 2023 Termin zur mündlichen Verhandlung bestimmt. Die beklagten Gründungsgesellschafterinnen haben ihre Revision vor der Verhandlung zurückgenommen, so dass der Termin aufgehoben wurde.

In den ähnlich gelagerten Verfahren II ZR 57/21, II ZR 58/21 und II ZR 59/21 hat der Bundesgerichtshof die Revision nunmehr durch Beschlüsse vom 21. März 2023 zugelassen.

Vorinstanzen:

II ZR 56/21

 

OLG Hamburg – 1 U 181/19 – Entscheidung vom 25.03.2021

 

LG Hamburg – 412 HKO 166/17 – Entscheidung vom 19.07.2019

 

und

 

II ZR 57/21

 

OLG Hamburg – 1 U 180/19 – Entscheidung vom 25.03.2021

 

LG Hamburg – 412 HKO 165/17 – Entscheidung vom 19.07.2019

 

und

 

II ZR 58/21

 

OLG Hamburg – 1 U 177/19 – Entscheidung vom 25.03.2021

 

LG Hamburg – 412 HKO 158/17 – Entscheidung vom 19.07.2019

 

und

 

II ZR 59/21

 

OLG Hamburg – 1 U 178/19 -Entscheidung vom 25.03.2021

 

LG Hamburg – 412 HKO 161/17 – Entscheidung vom 19.07.2019

 

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

 

Verkaufsprospektgesetz in der bis zum 31. Mai 2012 geltenden Fassung

 

  • 13 Haftung bei fehlerhaftem Prospekt

 

(1) Sind für die Beurteilung der Wertpapiere, die nicht zum Handel an einer inländischen Börse zugelassen sind, oder der Vermögensanlagen im Sinne des § 8f Abs. 1 wesentliche Angaben in einem Prospekt im Sinne des Wertpapierprospektgesetzes oder in einem Verkaufsprospekt unrichtig oder unvollständig, so sind die Vorschriften der §§ 44 bis 47 des Börsengesetzes mit folgender Maßgabe entsprechend anzuwenden: (…)

 

Börsengesetz in der bis zum 31. Mai 2012 geltenden Fassung

 

  • 44 Unrichtiger Wertpapierprospekt

 

(1) Der Erwerber von Wertpapieren, die auf Grund eines Prospekts zum Börsenhandel zugelassen sind, in dem für die Beurteilung der Wertpapiere wesentliche Angaben unrichtig oder unvollständig sind, kann

 

  1. von denjenigen, die für den Prospekt die Verantwortung übernommen haben und

 

  1. von denjenigen, von denen der Erlass des Prospekts ausgeht,

 

als Gesamtschuldnern die Übernahme der Wertpapiere gegen Erstattung des Erwerbspreises, soweit dieser den ersten Ausgabepreis der Wertpapiere nicht überschreitet, und der mit dem Erwerb verbundenen üblichen Kosten verlangen, sofern das Erwerbsgeschäft nach Veröffentlichung des Prospekts und innerhalb von sechs Monaten nach erstmaliger Einführung der Wertpapiere abgeschlossen wurde.

 

Bürgerliches Gesetzbuch

 

  • 241 Pflichten aus dem Schuldverhältnis

 

(…)

 

(2) Das Schuldverhältnis kann nach seinem Inhalt jeden Teil zur Rücksicht auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Teils verpflichten.

 

  • 311 Rechtsgeschäftliche und rechtsgeschäftsähnliche Schuldverhältnisse

 

(…)

 

(2) Ein Schuldverhältnis mit Pflichten nach § 241 Abs. 2 entsteht auch durch

 

  1. die Aufnahme von Vertragsverhandlungen,

 

  1. die Anbahnung eines Vertrags, bei welcher der eine Teil im Hinblick auf eine etwaige rechtsgeschäftliche Beziehung dem anderen Teil die Möglichkeit zur Einwirkung auf seine Rechte, Rechtsgüter und Interessen gewährt oder ihm diese anvertraut, oder

 

  1. ähnliche geschäftliche Kontakte.

 

  • 280 Schadensersatz wegen Pflichtverletzung

 

(1) Verletzt der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis, so kann der Gläubiger Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verlangen. Dies gilt nicht, wenn der Schuldner die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.

 

Gerichtsverfassungsgesetz

 

  • 132

 

(…)

 

(2) Will ein Senat in einer Rechtsfrage von der Entscheidung eines anderen Senats abweichen, so entscheiden der Große Senat für Zivilsachen, wenn ein Zivilsenat von einem anderen Zivilsenat oder von dem Großen Zivilsenat, der Große Senat für Strafsachen, wenn ein Strafsenat von einem anderen Strafsenat oder von dem Großen Senat für Strafsachen, die Vereinigten Großen Senate, wenn ein Zivilsenat von einem Strafsenat oder von dem Großen Senat für Strafsachen oder ein Strafsenat von einem Zivilsenat oder von dem Großen Senat für Zivilsachen oder ein Senat von den Vereinigten Großen Senaten abweichen will.

 

(3) Eine Vorlage an den Großen Senat oder die Vereinigten Großen Senate ist nur zulässig, wenn der Senat, von dessen Entscheidung abgewichen werden soll, auf Anfrage des erkennenden Senats erklärt hat, daß er an seiner Rechtsauffassung festhält. (…)

 

Karlsruhe, den 22. März 2023

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