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Vorlagebeschluss 333 OH 1/18 MS „JPO SAGITTARIUS” Schiffahrtsgesellschaft mbH & Co. KG u.a.

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Landgericht Hamburg Gerichtlicher Teil Vorlagebeschluss
333 OH 1/18
MS „JPO SAGITTARIUS” Schiffahrtsgesellschaft mbH & Co. KG u.a.
31.01.2019

Landgericht Hamburg

Az.: 333 OH 1/18

Beschluss

In der Sache

der vom Hanseatischen Oberlandesgericht nach § 2 KapMuG zu bestimmenden Musterkläger

– Antragsteller –

Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte Dr. Fischer, Lessingplatz 7, 38100 Braunschweig, Gz.: 381/16

gegen

1)

HCI Hanseatische Capitalberatungsgesellschaft mbH & Co KG, vertreten durch d. persönl. haft. Gesellschafterin, die HCI Vertriebsverwaltung GmbH, diese vertreten durch die Geschäftsführerin Christine Beckmann, Burchardstraße 8, 20095 Hamburg

– Antragsgegnerin –

2)

HCI Treuhand GmbH & Co KG, vertreten durch d. persönl. haft. Gesellschafterin, die Verwaltung HCI Treuhand GmbH, diese vertreten durch den Geschäftsführer Kai Dührkop, Burchardstraße 8, 20095 Hamburg

– Antragsgegnerin –

3)

HCI Treuhand SERVICE GmbH & Co KG, vertreten durch d. persönl. haft. Gesellschafterin, die Verwaltung HCI Treuhand Service GmbH, diese vertreten durch die Geschäftsführer Kai Dührkop und Frauke Schünemann, Burchardstraße 8, 20095 Hamburg

– Antragsgegnerin –

Prozessbevollmächtigte zu 1 – 3:
Rechtsanwälte nbs partners, Valentinskamp 70, 20355 Hamburg

Nebenintervenientin zu 1:
RTC Revision Consulting GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Steuerberatergesellschaft, vertreten durch d. Geschäftsführer Björn Hagedorn und Frank Fruggel, Burchardstraße 24, 20095 Hamburg

Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte BKS Rechtsanwälte, Elsa-Brändström-Straße 7, 33602 Bielefeld

beschließt das Landgericht Hamburg – Zivilkammer 33 – durch den Vorsitzenden Richter am Landgericht Latif, die Richterin am Landgericht Lübbe und die Richterin am Landgericht Dr. Bornmann am 20.12.2018:

I.

Dem Hanseatischen Oberlandesgericht werden gemäß § 6 Abs. 1 KapMuG zum Zwecke der Herbeiführung eines Musterentscheids folgende Feststellungsziele vorgelegt (in den gleichlautenden Anträgen der insgesamt 32 Kläger unter dem Abschnitt A gestellt):

Es wird festgestellt, dass der Verkaufsprospekt des Schiffsfonds „HCI Shipping Select XXI“ vom 14.07.2006 über die Beteiligung an den vier Einzelschiffsgesellschaften

MS „JPO SAGITTARIUS” Schiffahrtsgesellschaft mbH & Co. KG,

MS „JPO SCORPIUS” Schiffahrtsgesellschaft mbH & Co. KG,

MS „Constantin S“ H+H Schepers Reederei GmbH & Co. KG,

MS “Conrad S” H+H Schepers Reederei GmbH & Co. KG,

unrichtig, irreführend und/oder unvollständig ist, da in dem Verkaufsprospekt

I.

nicht über die tatsächliche Höhe der Einnahmen der vier Fondsschiffe aus dem jeweiligen Pool aufgeklärt wird, indem im Prospekt

1.

bereits nicht dargestellt wird, wie sich die konkreten Einnahmen der Poolschiffe (Bruttopoolrate) und die sich daraus ergebenden Nettoeinnahmen der Poolschiffe berechnen;

2.

zu den für die Einnahmesituation relevanten Poolfaktoren, wie u.a. die Zusammensetzung des Pools, Aufnahme weiterer Pool Mitglieder, Fahrtgebiete der einzelnen Poolschiffe und den Beteiligungsschlüssel, keine oder nur unzureichende Angaben gemacht werden;

3.

nur über die Charterraten und nicht über die historisch belegten Pooleinnahmen aufgeklärt wird, obwohl der Pool bei Prospekterstellung bereits existierte und die entsprechenden Daten vorlagen;

4.

nicht über die erheblichen Einschränkungen der unternehmerischen Chancen durch die Poolmitgliedschaft aufgeklärt wird, in dem der Prospekt verschweigt, dass bei Veräußerung des Schiffes der bestehende Chartervertrag, sowie die Pool Mitgliedschaft vom Käufer übernommen werden muss und so ein Verkauf zum marktüblichen Preis nicht möglich ist;

II.

nicht über das laut Prospekt relevante Marktumfeld und dessen Entwicklung aufgeklärt wird, indem im Prospekt,

1.

die veröffentlichten Daten zum Verhältnis von Angebot (Transportvolumen) und Nachfrage (Flottenwachstum) derart selektiv wiedergegeben wurden, dass die Daten ohne verwertbaren Inhalt für das Angebot-Nachfrage-Verhältnis sind, obwohl die Daten die eine Aussage zu den jeweiligen, ausschnittsweise dargestellten Segmenten (weltweit und Containerschiffsflotte 2.500 TEU – 2.900 TEU bzw. 1.000 – 1.499 TEU) ermöglicht hätten, und so ein positiveres, aber falsches Bild von der Kapitalanlage vermittelt wird;

2.

nicht auf das bevorstehende Überangebot an Transportkapazität und damit auf eine negative Marktentwicklung hingewiesen wird, obwohl aufgrund der vorhandenen Daten zu Orderbuchbeständen und historisch belegten Verschrottungsquoten und weiterer maritimer Quellen bei Prospekterstellung bereits deutliche Hinweise vorlagen;

III.

Eine falsche Einnahmeprognose und damit auch die gesamte Liquiditätsprognose fehlerhaft dargestellt wird, indem

1.

nicht über den vorhersehbaren Einbruch der Charterraten aufgeklärt wird, obwohl es hierfür konkrete Anhaltspunkte gab;

2.

das historische Hoch des Zeitchartermarktes zwei Jahre vor der Herausgabe des Prospektes in die Berechnung des langjährigen Durchschnitts eingeflossen ist;

3.

kein pauschaler Abschlag für die Poolmitgliedschaft vorgenommen wurde;

4.

in den Marktdarstellungen lediglich die historisch belegten Bruttocharterraten dargestellt werden, die langfristig kalkulierten Einnahmen der vier Fondsschiffe jedoch in Nettocharterraten ausgewiesen werden und somit keine Vergleichbarkeit gegeben ist;

5.

im Gegensatz zum vergleichbaren Vorgängerfonds „HCI Shipping Select XX“ eine wesentlich höhere Charterraten Prognose angegeben wurde;

6.

für 10 % mehr Laderaum ein ungerechtfertigter Aufschlag in Höhe von 10 % auf die historisch belegten Charterraten kalkuliert wurde;

7.

die Schiffsbetriebskosten in der Spalte „b“ der Liquiditätsvorschau zu niedrig kalkuliert wurden;

8.

für die Vorzugsbedingungen der Früheinzahler in der Liquiditätsprognose kein (pauschaler) Betrag aufgenommen wurde, obwohl feststand, dass diese Bonuszahlungen erfolgen würden;

9.

über die gesamte Fondslaufzeit eine Liquiditätsreserve in Millionen-Höhe vorgehalten wird und somit eine Manipulation der Anlegerrendite möglich ist;

IV.

Risiken verschwiegen oder unzureichend dargestellt werden, indem im Prospekt

1.

die gesellschaftsrechtlichen und/oder personellen Verflechtungen der Charterer einiger Poolschiffe der CSAV mit dem Poolmanager Peter Döhle Schifffahrts-KG nicht (ausreichend) offengelegt und damit nicht über bestehende Interessenkollisionen aufgeklärt wurde;

2.

nicht auf das Risiko des Kaskadeneffektes hingewiesen wird, obwohl die Initiatoren wussten, dass die hier relevanten Schiffssegmente von 2.500 TEU – 2.700 TEU und 1000 TEU – 1499 TEU von den größeren Schiffen verdrängt werden und somit besonders stark von diesem Phänomen betroffen sein werden;

3.

irreführend und nicht vollständig über die Bonität der Charterer der Poolschiffe aufgeklärt wird, obwohl alle erforderlichen Daten vorlagen;

4.

nur unzureichend über die Haftung der Schiffsgesellschaft für Verbindlichkeiten des Charterers und des Subcharterers gegen Dritte mit dem Fondsschiff aufgeklärt wird;

5.

nicht über die Bonität der Platzierungsgaranten und die von diesen bereits eingegangenen Verbindlichkeiten aufgeklärt und somit über die Werthaltigkeit der Platzierungsgarantie getäuscht wird;

6.

behauptet wird, es bestehe das Risiko, dass bei Fehlschlagen der Vollplatzierung nicht alle Anleger ihr eingesetztes Kapital zurückerhalten, obwohl dies eine Tatsache und kein Risiko ist;

7.

nur unzureichend darüber aufgeklärt wird, dass die Möglichkeit besteht, dass die Anleger den Gesellschaftsgläubigern mit ihrem Privatvermögen haften.

II.

Im Übrigen werden die auf die Herbeiführung eines Musterentscheides gerichteten Anträge (zu den Buchstaben B., C. und D.) zurückgewiesen.

III.

Dieser Vorlagebeschluss und das Datum seiner Veröffentlichung sind gemäß § 6 Abs. 4 KapMuG im Klageregister öffentlich bekannt zu machen.

Gründe:

Die Antragsteller nehmen als Kläger/innen in den Ausgangsverfahren (333 O 202, 250, 251, 252, 258 und 259/16) die Beklagten auf Schadensersatz aus Prospekthaftung im weiteren Sinne in Anspruch. In dem Verfahren 333 O 202/16 machen 27 Kläger in einfacher Streitgenossenschaft ihre Ansprüche geltend.

Die Kläger der sechs Ausgangsverfahren und hiesigen Antragsteller zeichneten im Zeitraum vom 15.10. bis 6.12.2006 jeweils eine „Beitrittserklärung HCI ShippingSelect XXI“ (wobei in dem Verfahren 333 O 202/16 die Klägerin zu 1) und die Kläger zu 12) und 22) die Ansprüche aus abgetretenem Recht geltend machen und die Kläger zu 15) und 16) sowie 26) und 27) als Eheleute jeweils gemeinsam eine Beitrittserklärung zeichneten), mit der sie die HCI Hanseatische Schiffstreuhand mbH als Treuhänderin beauftragten, für sie jeweils einen Kommanditanteil an den nachfolgend aufgeführten vier Schiffsgesellschaften der Emission HCI Shipping Select XXI zu erwerben:

MS „JPO Sagittarius” Schiffahrtsgesellschaft mbH & Co. KG, Fredenbeck, in Höhe von 28,6% ihrer Gesamtbeteiligung,

MS „JPO Scorpius” Schiffahrtsgesellschaft mbH & Co. KG, Fredenbeck in Höhe von 28,6% ihrer Gesamtbeteiligung,

MS „Constantin S“ H+H Schepers Reederei GmbH & Co. KG, Elsfleth, in Höhe von 28,5% ihrer Gesamtbeteiligung,

MS “Conrad S” H+H Schepers Reederei GmbH & Co. KG, Elsfleth, in Höhe von 14,3% ihrer Gesamtbeteiligung.

Die Antragsteller beteiligten sich in folgender Höhe:

333 O 202/16 Beteiligungssumme Agio Streitwert
Kl. zu 1. 300.000 € 0 € 300.000 €
Kl. zu 2. 30.000 € 1.500 € 31.500 €
Kl. zu 3. 50.000 € 2.500 € 52.500 €
Kl. zu 4. 60.000 € 3.000 € 63.000 €
Kl. zu 5. 20.000 € 0 € 20.000 €
Kl. zu 6. 25.000 € 0 € 25.000 €
Kl. zu 7. 15.000 € 0 € 15.000 €
Kl. zu 8. 15.000 € 0 € 15.000 €
Kl. zu 9. 25.000 € 1.250 € 26.250 €
Kl. zu 10. 20.000 € 0 € 20.000 €
Kl. zu 11. 30.000 € 0 € 30.000 €
Kl. zu 12. 300.000 € 15.000 € 315.000 €
Kl. zu 13. 100.000 € 0 € 100.000 €
Kl. zu 14. 20.000 € 0 € 20.000 €
Kl. zu 15. und 16. 60.000 € 1.200 € 61.200 €
Kl. zu 17. 50.000 € 1.500 € 51.500 €
Kl. zu 18. 400.000 € 0 € 400.000 €
Kl. zu 19. 100.000 € 0 € 100.000 €
Kl. zu 20. 35.000 € 1.750 € 36.750 €
Kl. zu 21. 30.000 € 1.500 € 31.500 €
Kl. zu 22. 10.000 € 500 € 10.500 €
Kl. zu 23. 30.000 € 1.500 € 31.500 €
Kl. zu 24. 15.000 € 750 € 15.750 €
Kl. zu 25. 50.000 € 0 € 50.000 €
Kl. zu 26. und 27. 100.000 € 2.500 € 102.500 €
333 O 250/16 15.000 € 750 € 15.750 €
333 O 251/16 80.000 € 4.000 € 84.000 €
333 O 252/16 100.000 € 5.000 € 105.000 €
333 O 258/16 70.000 € 2.100 € 72.100 €
333 O 259/16 40.000 € 2.000 € 42.000 €
Summe 2.243.300 €

Einige Anleger wurden später als Direktkommanditisten im Handelsregister eingetragen. Über dieses Beteiligungsangebot wurde ein Emissionsprospekt „HCI Shipping Select XXI“ vom 14. Juli 2006 herausgegeben. Zweck war der Betrieb der genannten Containerschiffe.

Die Beklagte zu 1) der Ausgangsverfahren firmierte bei Prospekterstellung unter HCI Hanseatische Capitalberatungsgesellschaft mbH (S. 107 des Prospekts). Mit Beschluss der Gesellschafterversammlung vom 22.11.2012 entstand durch Umwandlung im Wege des Formwechsels die im Rubrum angegebene Bekl. zu 1) (Handelsregisterauszug als Anlage K 3). Die Beklagte zu 1) ist Anbieterin der Kapitalanlage, Prospektverantwortliche, Vertriebsverantwortliche und Gründungskommanditistin. Die Beklagte zu 2) firmierte bei Prospekterstellung als HCI Hanseatische Schiffstreuhand GmbH (Seite 106 des Prospektes). Durch Beschluss der Gesellschafterversammlung vom 10.06.2008 wurde die Firma in HCI Treuhand GmbH geändert. Ferner erfolgte die formwechselnde Umwandlung mit Gesellschafterbeschluss vom 22.12.2011 in die im Rubrum benannte Beklagte zu 2) (Handelsregisterauszug als Anlage K 4). Die Beklagte zu 2) ist Treuhänderin und Gründungsgesellschafterin. Die Beklagte zu 3) hat Teile des Vermögens der Beklagten zu 2) als Gesamtheit im Wege der Umwandlung durch Abspaltung übernommen (Vertrag vom 11.04.2013) und wird aus § 133 UmwG gemeinsam mit der Beklagten zu 2) in Anspruch genommen (Handelsregisterauszug als Anlage K 5).

Die Beklagten der Ausgangsverfahren haben der RTC Revision Treuhand Consulting GmbH den Streit verkündet. Diese ist dem jeweiligen Rechtsstreit auf Seiten der Beklagten zu 1) beigetreten.

Die Antragsteller sind der Auffassung, dass der Prospekt fehlerhaft sei und die in ihren (jeweils gleichlautenden) Anträgen unter Abschnitt A. zu I. Ziff. 1.- 4, zu II. Ziff. 1. und 2., zu III. Ziff. 1.- 5. und IV. (irrtümlicherweise als V. bezeichnet) Ziff. 1.- 7. aufgeführten Mängel aufweisen würden. Sie machen geltend, sie hätten sich an der Anlage auf der Grundlage des von der Beklagten zu 1) herausgegebenen Emissionsprospekts „HCI Shipping Select XXI “ vom 14. Juli 2006 beteiligt. Die Beklagten zu 1) und 2) hätten ihre Aufklärungspflichten gegenüber den Anlegern durch Verwendung dieses erkennbar fehlerhaften Prospektes verletzt. Bei zutreffender Aufklärung hätten sie die Beteiligung nicht gezeichnet. Die Beklagten zu 1) und 2) würden als Gründungsgesellschafter, die Beklagte zu 3) als abgespaltenes Unternehmen der Beklagten zu 2) haften.

Die Antragsgegner haben in den Ausgangsverfahren, sowie in dem vorliegenden Verfahren das Vorliegen von Prospektfehlern bestritten. Im Übrigen seien die Ansprüche des Klägers verjährt. Es sei grob fahrlässig, wenn sich ein Anleger den im Prospekt enthaltenen Angaben verschließe.

Die Antragsgegner sind ferner der Ansicht, dass die Musterverfahrensanträge unzulässig seien. Sie würden erkennbar der Prozessverschleppung dienen. Eine mündliche Verhandlung sei bereits anberaumt worden und die Sachen seien entscheidungsreif gewesen. Dem Antragsteller hätte bei abweisender Entscheidung der Rechtsweg zu dem OLG und dem BGH offen gestanden. Der Rechtsstreit wäre einheitlich bei dem 3. Zivilsenat zu verhandeln gewesen, bei dem schon Parallelverfahren bezüglich derselben Anlage anhängig seien, in denen die Anleger von anderen Anwälten vertreten würden.

II.

Die gestellten Musterverfahrensanträge sind dem Hanseatischen Oberlandesgericht mit den aus dem Tenor dieses Beschlusses ersichtlichen Feststellungszielen vorzulegen (1.). Im Übrigen sind die Anträge zurückzuweisen (2.).

1.) Begründung der Vorlage an das Hanseatische Oberlandesgericht bezüglich der Anträge unter Abschnitt A

1.

Das Landgericht Hamburg ist für die Entscheidung über die Musterverfahrensanträge gem. § 6 Abs. 2 KapMuG zuständig, weil beim Landgericht Hamburg der erste Musterverfahrensantrag gestellt worden ist. Ausweislich des Klageregisters zum KapMuG sind bis zum Zeitpunkt der Beschlussfassung keine gleichgerichteten Anträge bekannt gemacht worden.

2.

Die Entscheidung des zugrunde liegenden Rechtsstreits hängt von den geltend gemachten Feststellungszielen ab.

Nach § 1 Abs. 2 Nr. 2 KapMuG sind insbesondere Ansprüche musterverfahrensfähig, welche sich auf falsche oder irreführende Kapitalmarkt-Informationen stützen. Um solche Ansprüche handelt es sich vorliegend, da die Antragsteller ihre Klagen auf Prospekthaftung im weiteren Sinne (§ 311 Abs. 2 Nr. 1 bis 3, § 280 Abs. 1 Satz 1 BGB) stützen und die geltend gemachten Pflichtverletzungen der Antragsgegner gerade damit begründen, dass der Emissionsprospekt falsch, unvollständig und irreführend sei.

Der Rechtsstreit ist nicht wegen Verjährung etwaiger Schadensersatzansprüche der Antragsteller/-innen unabhängig vom Ausgang des Musterverfahrens im Sinne einer sachlichen Abweisung der Klagen entscheidungsreif. Die Antragsgegner hatten insoweit im Ausgangsverfahren eingewandt, die Kläger hätten schon durch das als Anlage B 1 eingereichte Anlegerschreiben vom 2. September 2010 positive Kenntnis davon gehabt, dass die Insolvenz der einen Schiffsgesellschaft drohe, es sich mithin um keine sichere Beteiligung handele und sich der prognostizierte Liquiditätsverlauf nicht realisiert habe.

Das Anlegerschreiben könnte ohnehin nur Auswirkungen auf eine etwaige Verjährung der Ansprüche haben, denen die unter dem Abschnitt IV. vorgelegten Feststellungsziele zugrundeliegen. Aus dem Anschreiben vom 2.9.2010 ergeben sich jedoch nicht die konkret von dem Antragsteller gerügten Prospektfehler. Durch dieses Schreiben sind die Anleger lediglich (nochmal) darauf hingewiesen worden, dass es sich um eine risikoreiche Anlage handelt. Dieses wird von den Anlegern nicht in Abrede gestellt. Insoweit haben die Antragsteller vorgetragen, sie hätten gewusst, dass es sich um eine unternehmerische Beteiligung handele, bei der die Liquiditätsplanung in Zukunft nicht aufgehen könnte. Sie seien jedoch nicht vollständig und umfassend über die vorliegenden Risiken aufgeklärt worden. Soweit die Antragsgegner sich darauf berufen, dass die Anleger sich den in dem Prospekt enthaltenen Hinweisen grob fahrlässig verschlossen hätten, ist darauf hinzuweisen, dass der Umstand, dass der Anlageinteressent den ihm überlassenen Emissionsprospekt nicht in allen Einzelheiten durchgelesen hat, für sich allein noch nicht genügt, um die grob fahrlässige Unkenntnis von einem Beratungsfehler zu begründen ( BGH, Urteil vom 08. Juli 2010 – III ZR 249/09 –, mwNw) und im Übrigen die Frage, ob der Prospekt die Anleger ausreichend über die von diesen gerügten Tatsachen aufklärt hat, ja gerade Gegenstand des angestrebten KapMuG-Verfahrens ist.

3.

Die Musterverfahrensanträge sind auch nicht wegen Prozessverschleppung gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 4 KapMuG unzulässig. Es ist nicht feststellbar, dass die Anträge zum Zwecke der Prozessverschleppung gestellt wurden. Eine voraussichtliche Verzögerung der Entscheidungen wegen der Durchführung des Musterverfahrens reicht nicht aus. Vielmehr muss eine Verschleppungsabsicht der Antragsteller vorliegen, die nur dann gegeben ist, wenn ein rechtsmissbräuchliches Vorgehen vorliegt, welches gerade die Verfahrensverzögerung zum Ziel hat. Dieses ist nicht allein daraus herzuleiten, dass der Antrag erst ca. ein Jahr nach Klageinreichung nach mehreren Terminverlegungen gestellt wurde und erst nachdem dem Antragsteller-Vertreter der Inhalt der Urteile in den Parallelverfahren bekannt geworden ist, mit denen die Klagen von Anlegern des gleichen Fonds, die durch andere Rechtsanwälte vertreten wurden, abgewiesen worden sind.

Ein rechtsmissbräuchliches Vorgehen liegt auch nicht deshalb vor, weil der Musterverfahrensantrag über die Wirkung für die klagenden Streitgenossen hinaus keinerlei Bedeutung hat (vgl. § 2 Abs.3 Satz 2 KapMuG). Zwar ist nicht mit weiteren Klagen zu rechnen, da die absolute Verjährungsfrist inzwischen abgelaufen ist, bei dem Oberlandesgericht sind jedoch noch ca. 13 von der Kammer entschiedene Sachen, die den gleichen Fonds betreffen (davon eine mit 16 Klägern) anhängig, die noch nicht entschieden sind.

4.

Die Kammer hat gemäß § 3 Abs. 4 KapMuG von der gemäß § 3 Abs. 2 KapMuG grundsätzlich vorgesehenen Veröffentlichung der Musterverfahrensanträge nach § 3 Abs. 4 KapMuG abgesehen, weil bereits die Voraussetzungen für eine Vorlage an das Hanseatische Oberlandesgericht nach § 6 Abs. 1 Satz 1 KapMuG vorliegen.

Bei der Kammer sind zu folgenden Aktenzeichen gleichlautende Musterverfahrensanträge gestellt worden, wobei in der Sache 333 O 202/16 alle 27 Kläger einen gleichlautenden Antrag gestellt haben:

333 O 202/16, 333 O 250/16, 333 O 251/16, 333 O 252/16, 333 O 258/16, 333 O 259/16. Das nach § 6 KapMuG erforderliche Quorum von 10 gleichgerichteten Musterverfahrensanträgen liegt vor, wenn alle Musterverfahrensanträge bei einer Kammer des Landgerichts eingereicht worden sind (vgl. LG Frankfurt, Vorlagebeschluss vom 27.09.2013, Az. 2-12 OH 4/13, juris, Kruis in Kölner Kommentar zum KapMuG, 2. Auflage, § 3, Rn 125) und darüber hinaus auch dann, wenn mehrere Kläger in einfacher Streitgenossenschaft jeweils gleichlautende Anträge gestellt haben (BGH Beschluss vom 21.04.2008, II ZB 6/07). Erheben mehrere Personen gemeinsam eine Klage, ohne dass – wie auch hier nicht – die Voraussetzungen der notwendigen Streitgenossenschaft nach § 62 ZPO vorliegen, so kommt für jeden Kläger gemäß § 61 ZPO ein selbständiges Prozessrechtsverhältnis zustande. Die mehreren Prozessrechtsverhältnisse sind durch die – einfache – Streitgenossenschaft lediglich zu einem äußerlich einheitlichen Verfahren miteinander verbunden. Der Sache nach handelt es sich aber um selbständige Verfahren (BGHZ 8, 72, 78 BGH, Urt. v. 17. März 1989 – V ZR 233/87, WM 1989, 997, 998 v. 26. Mai 1994 – IX ZR 39/93, ZIP 1994, 1121, 1122, insoweit in BGHZ 126, 138 nicht abgedruckt; MünchKommZPO/Schilken, 3. Aufl. § 59 Rdn. 22; Zöller/Vollkommer, ZPO 26. Aufl. § 61 Rdn. 8).

2.) Begründung der Zurückweisung der Anträge zu B., C. und D.

1. Mit dem Feststellungsantrag zu B verlangen die Antragsteller.

I. Es wird festgestellt, dass die Beklagten zu 1.) und zu 2.) im Hinblick auf Beteiligungen an dem Fonds HCI Shipping Select XXI Haftungsschuldner aus Prospekthaftung im weiteren Sinne sind.

II. Es wird festgestellt, dass die Beklagte zu drei im Hinblick auf Beteiligungen an dem Forum HCI Shipping Select XXI Haftungsschuldner aus Prospekthaftung im weiteren Sinne in Verbindung mit § 133 UmwG ist.

Dieser Feststellungsantrag ist unzulässig, da die grundsätzliche Passivlegitimation der Beklagten im Falle des Vorliegens von Prospektfehlern und der übrigen Voraussetzungen für einen Anspruch auf Schadensersatz aus weiter Prospekthaftung nicht in Abrede gestellt worden ist.

2. Mit dem Feststellungsantrag zu C. verlangen die Antragsteller,

Es wird festgestellt, dass die Beklagten zu 1), 2), und 3) bei der Veröffentlichung des Prospekts zum Fonds HCI Shipping Select XXI nach den Grundsätzen der Prospekthaftung im weiteren Sinne schuldhaft gehandelt haben.

Dieser Feststellungsantrag ist unzulässig, weil nur Rechtsfragen und Tatsachen zu anspruchsbegründenden oder anspruchsausschließenden Voraussetzungen eines Anspruches Feststellungsziel eines Musterfeststellungsverfahrens sein können, nicht aber der Anspruch als solcher (vgl. Beschluss des BGH vom 10.06.2008, XI ZB 26/07, Rn 14, 17). Mit dem Antrag auf Feststellung, dass die Antragsgegner hinsichtlich der vorstehend in ihren Anträgen aufgeführten Prospektmängel ihre Pflichten aus dem vorvertraglichen Schuldverhältnis zu den beigetretenen Anlegern verletzt und diese Pflichtenverletzung auch im Sinne von § 280 BGB zu vertreten haben, verlangen die Antragsteller eine Prüfung ihres Anspruches, was nicht zum Gegenstand eines Musterverfahrens gemacht werden kann. Das Vorliegen einer Pflichtverletzung lässt sich nicht ohne eine Befassung mit den konkreten Abläufen klären.

3. Mit dem Antrag zu D verlangen die Antragsteller,

Es wird festgestellt, dass der Schaden der Anleger in den jeweiligen Beteiligungen als solche an dem Fonds HCI Shipping Select XXI liegt. Die Höhe des Schadens ergibt sich aus den geleisteten Einlagen nebst dem gezahlten Agio.

Dies stellt kein für ein Musterfeststellungsverfahren zulässiges Feststellungsziel dar. Dieser Antrag zielt ebenfalls in nicht zulässiger Form darauf ab, dass das Hanseatische Oberlandesgericht die Rechtsfolgen des eingeklagten Anspruchs prüfen und bejahen soll. Wie hoch der einem Anleger entstandene Schaden ist, lässt sich nur im konkreten Einzelfall entscheiden und ist einer generell abstrakten Klärung nicht zugänglich (vgl. Beschluss des BGH vom 10.06.2008, XI ZB 26/07, Rn 15).

Der Beschluss ist mit Rechtsmitteln nicht anfechtbar, §§ 3 Abs. 1, 6 Abs. 1 Satz 2 KapMuG.

 

Latif
Vorsitzender Richter
am Landgericht
Lübbe
Richterin
am Landgericht
Dr. Bornmann
Richterin
am Landgericht

 

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