In den letzten Jahren hat die Wall Street unglaubliche Renditen erzielt, was Millionen von Amerikanern zu einem deutlichen Anstieg ihres Vermögens verholfen hat. Diese Gewinne, angeheizt durch die Erholung nach der Pandemie, haben das Vertrauen der Verbraucher gestärkt und den Konsum auf einem hohen Niveau gehalten.
Doch während die Aktienmärkte auf einem Allzeithoch schweben, warnen Experten zunehmend vor einer Überbewertung und einem möglichen jähen Einbruch, der nicht nur die Märkte, sondern auch die gesamte Wirtschaft ins Wanken bringen könnte.
„Ich bin sehr besorgt, weil der Aktienmarkt aktuell nur blaue Himmel und Sonnenschein einpreist“, sagte Mark Zandi, Chefökonom von Moody’s Analytics, gegenüber CNN. „Die Märkte sind sehr hoch bewertet, fast schon schaumig.“
Der Nasdaq-Index, angetrieben durch den Boom in der Künstlichen Intelligenz und die „Magnificent Seven“-Tech-Unternehmen (Alphabet, Amazon, Apple, Meta, Microsoft, Nvidia und Tesla), stieg im vergangenen Jahr um 29 %, nachdem er 2023 bereits um 43 % zugelegt hatte. Der S&P 500 legte 2024 um sagenhafte 10 Billionen Dollar an Marktwert zu.
Zandi warnt, dass ein Marktsturz von mehr als 20 % drohen könnte – das wäre zwar nicht so schlimm wie das Platzen der Dotcom-Blase Ende der 1990er-Jahre, könnte jedoch ernsthafte Auswirkungen auf die Wirtschaft haben. Ein plötzlicher Verlust in den Portfolios der Anleger würde das Vertrauen schwächen und die Ausgaben dämpfen – eine gefährliche Entwicklung in einer konsumgetriebenen Wirtschaft.
„Der Anstieg der Aktienwerte hat eine entscheidende Rolle für den wirtschaftlichen Erfolg gespielt“, erklärte Zandi. „Aber wenn der Markt fällt und für längere Zeit unten bleibt, würde das die Ausgaben der oberen Einkommensgruppen stark beeinträchtigen – und das ist eine Bedrohung für die Wirtschaft.“
Risiko von Vermögensblase
Auch wenn die US-Wirtschaft ins Jahr 2025 mit soliden Fundamentaldaten startet – niedrige Arbeitslosigkeit, gedämpfte Inflation, steigende Löhne und stabile Benzinpreise –, sehen Experten wie David Kelly, Chefstratege von JPMorgan Asset Management, eine Gefahr in den hohen Bewertungen.
„Ich mache mir Sorgen über Vermögensblasen“, sagte Kelly. „Es gibt eine Menge Luftschlösser, die auf den Fundamenten dieser stabilen Wirtschaft gebaut wurden.“
Besonders hohe Bewertungen in Large-Cap-Aktien wie den „Magnificent Seven“ und Kryptowährungen wie Bitcoin könnten eine größere Korrektur auslösen. „Es gibt viele sehr schaumige Märkte, die ordentlich Federn lassen könnten“, warnte Kelly.
Geschichte und Erfahrung zeigen jedoch, dass überbewertete Märkte über längere Zeiträume bestehen können, bevor die Realität sie einholt. Dies war beispielsweise bei den Internetunternehmen der 1990er-Jahre der Fall, die teils enorme Bewertungen erreichten, obwohl sie keine Gewinne erzielten.
UBS: Anzeichen einer Blase
Die Schweizer Bank UBS warnte kürzlich davor, dass fast alle sieben Voraussetzungen für eine Marktblase bereits erfüllt sind.
„Das Problem bei einer Blase ist, dass Anleger dazu neigen, 80 % ihres Geldes zu verlieren, wenn die Blase platzt“, schrieb Andrew Garthwaite, globaler Aktienstratege bei UBS, in einem Bericht. Er verwies dabei auf frühere geplatzte Blasen wie die Nifty 50-Aktien der 1970er-Jahre, Japan in den späten 1980er-Jahren und die Dotcom-Blase.
Zu den Voraussetzungen, die laut UBS bereits erfüllt sind, zählen unter anderem ein Abstand von mindestens 25 Jahren zur letzten Blase, eine hohe Beteiligung von Privatanlegern und unter Druck stehende Gewinne.
„Eine Blase entsteht, wenn es eine Erzählung gibt, dass ‚diesmal alles anders ist‘, normalerweise im Zusammenhang mit Technologie oder Marktdominanz – und wir haben beides“, schrieb Garthwaite.
Die gute Nachricht sei jedoch, dass die Märkte noch nicht in einer klaren Blase seien und die Aktienkurse „sehr leicht“ um weitere 15 % bis 20 % steigen könnten, bevor sie in echtes Blasenterritorium vordringen.
Potenzielle Auslöser für einen Abschwung
Unabhängig davon, ob die Märkte in einer Blase sind oder nicht, gibt es zahlreiche potenzielle Auslöser für eine Marktkorrektur, insbesondere angesichts der hohen Erwartungen.
Ein Stolpern eines der hochfliegenden „Magnificent Seven“-Unternehmen könnte die gesamte Gruppe und damit den breiteren Markt in Mitleidenschaft ziehen. Die Anforderungen an diese Tech-Giganten sind enorm hoch.
Zusätzlich sorgt die Rückkehr der Schuldenobergrenze, die am Donnerstag wieder in Kraft trat, für Unsicherheit. Investoren versuchen zudem, die wirtschaftspolitische Agenda der kommenden Trump-Regierung zu verstehen, die Steuersenkungen, höhere Zölle, Deregulierung und Massenabschiebungen vorsieht.
Ed Yardeni, Präsident von Yardeni Research, warnt, dass ein Ausverkauf am Anleihemarkt, der die Rendite der 10-jährigen US-Staatsanleihe auf 5 % ansteigen lässt, die Aktienmärkte in Panik versetzen könnte. „Wenn die Republikaner im Kongress keine Maßnahmen gegen die wachsenden Haushaltsdefizite ergreifen und nur Steuersenkungen beschließen, wird der Anleihemarkt verrücktspielen“, sagte Yardeni.
Keine Panik, aber Vorsicht
Angesichts der jüngsten Markterträge ist es logisch, dass einige Anleger nun an eine mögliche Korrektur denken. Eine 10 % bis 15 % große Marktkorrektur sei laut Yardeni möglich – diese würde er jedoch als „Kaufgelegenheit“ sehen, nicht als Grund zur Panik.
Langfristige Investoren sollten sich von einem möglichen Rückgang nicht beunruhigen lassen, sagte Kristina Hooper, Chefstrategin bei Invesco. „Im großen Schema der Dinge ist das irrelevant“, erklärte sie. „Ein Rückgang könnte vorübergehend und vielleicht sogar gesund sein, um die Grundlage für den nächsten Aufschwung zu schaffen.“
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