Am 2. Januar 2025 scheiterte der Versuch, den suspendierten südkoreanischen Präsidenten Yoon Suk Yeol zu verhaften, trotz eines Haftbefehls und der Anwesenheit von über 100 Polizisten. Die Behörden standen sechs Stunden lang vor seinem Haus in einer Pattsituation mit Yoons Sicherheitskräften. Diese bildeten eine menschliche Mauer und blockierten den Weg der Beamten mit Fahrzeugen, wie südkoreanische Medien berichteten.
Es ist ein außergewöhnlicher Monat in der südkoreanischen Politik: Nach Yoons umstrittenem, jedoch kurzlebigem Kriegsrechtserlass folgte ein Amtsenthebungsverfahren, eine strafrechtliche Untersuchung sowie ein Haftbefehl, den Yoon ignorierte. Dennoch genießt der rechtsgerichtete Präsident weiterhin die Unterstützung einer treuen Basis. Tausende seiner Anhänger versammelten sich am Freitagmorgen vor seinem Haus, um seine Verhaftung zu verhindern.
Yoon, der mittlerweile von vielen als politisch gescheitert gilt, wurde vom Parlament seines Amtes enthoben. Bis das Verfassungsgericht endgültig über seine Amtsenthebung entscheidet, bleibt er suspendiert. Aber warum fällt es der Polizei so schwer, ihn festzunehmen?
Die Männer, die den Präsidenten bewachen
Obwohl Yoon seiner präsidialen Befugnisse beraubt wurde, hat er weiterhin Anspruch auf Personenschutz. Diese Sicherheitskräfte spielten eine entscheidende Rolle bei der Blockade der Festnahme am Freitag.
Nach Ansicht von Mason Richey, einem Professor an der Hankuk Universität für Fremdsprachen in Seoul, könnte der Präsidiale Sicherheitsdienst (PSS) aus Loyalität zu Yoon oder aufgrund eines „fehlgeleiteten Verständnisses ihrer rechtlichen und verfassungsmäßigen Rolle“ gehandelt haben.
Da Yoon suspendiert ist, sollte der PSS eigentlich Anweisungen von Interimspräsident Choi Sang-mok entgegennehmen. „Entweder wurden sie von Choi nicht angewiesen, sich zurückzuziehen, oder sie verweigern seinen Befehlen die Gefolgschaft“, meint Richey.
Experten vermuten, dass die Sicherheitskräfte eher Yoon als Person loyal gegenüberstehen, statt dem Amt selbst. Dies wird auch dadurch gestützt, dass der PSS-Leiter Park Jong-joon im September von Yoon persönlich ernannt wurde. Zuvor hatte Kim Yong-hyun, ein früherer Verteidigungsminister und enger Berater Yoons, den Posten inne. Kim wird derzeit wegen seiner Rolle bei der Kriegsrechtsanordnung verhört.
„Es könnte sein, dass Yoon die Organisation absichtlich mit Hardlinern durchsetzt hat, um für eine solche Situation vorbereitet zu sein“, erklärt der US-amerikanische Anwalt und Korea-Experte Christopher Jumin Lee.
Gefahr einer Eskalation
Die „einfachste“ Lösung, so Lee, wäre, wenn Interimspräsident Choi den PSS anweisen würde, sich in dieser Übergangszeit zurückzuziehen. Sollte er dies nicht tun, könnte dies wiederum eine Grundlage für seine eigene Amtsenthebung durch die Nationalversammlung sein.
Choi, eigentlich Finanzminister, übernahm die Amtsgeschäfte, nachdem der erste Nachfolger Yoons, Premierminister Han Duck-soo, ebenfalls durch ein Misstrauensvotum abgesetzt wurde.
Das politische Patt zeigt die tiefe Polarisierung in der südkoreanischen Politik: Während einige Yoon und seine Entscheidung für das Kriegsrecht unterstützen, lehnen andere beides strikt ab. Diese Spaltung zieht sich auch durch die Debatte darüber, wie Yoon zur Verantwortung gezogen werden soll.
Laut Duyeon Kim, einer Expertin am Center for a New American Security, sind sich die meisten Südkoreaner einig, dass Yoons Erklärung des Kriegsrechts am 3. Dezember falsch war und Konsequenzen haben sollte. Doch darüber, wie diese Konsequenzen aussehen sollen, herrscht Uneinigkeit.
„Die Akteure sind sich uneins über Prozesse, Verfahren und ihre rechtliche Grundlage, was zur derzeitigen politischen Unsicherheit beiträgt“, erklärt Kim.
Diese Unsicherheit führte zu Spannungen wie am Freitag vor Yoons Residenz, wo seine Unterstützer seit Tagen kampieren, hitzige Reden halten und sogar in Konflikte mit der Polizei geraten.
Ein riskanter Einsatz
Die Polizei könnte mit einer größeren Anzahl von Einsatzkräften und Gewalt zurückkehren, aber das wäre „hochgefährlich“, warnt Professor Richey.
Auch der PSS ist schwer bewaffnet, und die Verhaftungsteams wollen jede Eskalation vermeiden. „Was passiert, wenn die Polizei mit weiteren Haftbefehlen zurückkehrt, um auch PSS-Personal zu verhaften, und diese sich ebenfalls widersetzen und ihre Waffen ziehen?“, fragt Lee.
Die Polizei untersucht nun den PSS-Direktor und seinen Stellvertreter wegen Behinderung der Justiz. Weitere Anklagen und Haftbefehle könnten folgen.
Die Kriegsrechtsanordnung Yoons stellt auch eine Herausforderung für das erst vier Jahre alte Amt für Korruptionsbekämpfung (CIO) dar, das den Fall untersucht. Das Büro wurde nach der Empörung über den Korruptionsskandal um die frühere Präsidentin Park Geun-hye geschaffen, die ihres Amtes enthoben und später inhaftiert wurde.
Zwar wurden südkoreanische Präsidenten in der Vergangenheit bereits verhaftet, doch Yoon ist der erste, gegen den ein Haftbefehl noch während seiner Amtszeit vorliegt.
Die Ermittler haben bis zum 6. Januar Zeit, Yoon zu verhaften, bevor der aktuelle Haftbefehl ausläuft. Sie könnten am Wochenende einen weiteren Versuch unternehmen, allerdings könnten wachsende Menschenmengen dies erschweren. Alternativ können sie einen neuen Haftbefehl beantragen und es erneut versuchen.
Da Südkorea nun tief in politisches Neuland vorgedrungen ist, wird die Unsicherheit wohl weiter anhalten.
Einblicke in die Zukunft: Was bedeutet Yoons Fall für Südkorea?
Die Ereignisse rund um die gescheiterte Verhaftung von Präsident Yoon Suk Yeol werfen nicht nur Fragen zu rechtlichen und verfassungsmäßigen Abläufen auf, sondern auch zu den langfristigen Auswirkungen auf die südkoreanische Demokratie.
Einerseits zeigt der Fall, wie stark Südkoreas politische Institutionen polarisiert sind. Andererseits verdeutlicht er die Widerstandsfähigkeit der demokratischen Prozesse – trotz der schweren Krise wurde das Amtsenthebungsverfahren gemäß den gesetzlichen Verfahren eingeleitet.
Zukünftig könnte der Fall Yoon als Beispiel dafür dienen, wie wichtig eine unabhängige Justiz und klare Gewaltenteilung sind, insbesondere in einer Demokratie, die von tiefen politischen und gesellschaftlichen Spaltungen geprägt ist.
Doch ebenso bleibt die Frage: Wird Südkorea in der Lage sein, das Vertrauen in seine Institutionen wiederherzustellen? Dies wird davon abhängen, ob es gelingt, den aktuellen Konflikt ohne weitere Eskalation und mit einem klaren, rechtlich einwandfreien Ausgang zu lösen.
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