Donald Trump versprach bereits während seiner ersten Amtszeit eine harte Linie in der Einwanderungspolitik, inklusive massenhafter Abschiebungen. Tatsächlich ließ er laut Kathleen Bush-Joseph vom Migration Policy Institute während seiner vier Jahre im Amt mehr als 1,5 Millionen Menschen abschieben. Doch im Vergleich zu Barack Obama wirken diese Zahlen überraschend moderat: Obama setzte in seiner ersten Amtszeit rund 2,9 Millionen Abschiebungen durch – fast doppelt so viele wie Trump. Selbst in Obamas zweiter Amtszeit lag die Zahl der Abschiebungen mit 1,9 Millionen deutlich höher als unter Trump.
Auch Joe Biden bewegt sich mit bisher rund 1,49 Millionen Abschiebungen auf einem ähnlichen Niveau wie Trump. Doch all diese Zahlen erzählen nur die halbe Geschichte – insbesondere, da sie nicht die Millionen von Menschen berücksichtigen, die während der COVID-19-Pandemie aufgrund von Grenzregelungen abgewiesen wurden.
Der Unterschied liegt im Fokus der Abschiebungen
Wie Bush-Joseph erklärt, konzentrieren sich Bidens Abschiebungen vor allem auf Menschen, die direkt an der Grenze aufgegriffen werden. Im Gegensatz dazu schlossen die Zahlen unter Trump und Obama auch Abschiebungen aus dem Landesinneren ein. Obama setzte dabei besonders auf die Abschiebung alleinstehender Männer aus Mexiko. Heute sieht die Migrationsrealität anders aus: Immer mehr Menschen reisen mit Familien und kommen aus weiter entfernten Ländern. Dies macht Abschiebungen nicht nur logistisch schwieriger, sondern stellt die Behörden auch vor zusätzliche Herausforderungen, da viele Herkunftsländer die Rücknahme ihrer Staatsangehörigen verweigern.
Ein Lichtblick: Mexiko hat kürzlich im Rahmen einer Vereinbarung mit der Biden-Regierung begonnen, auch Migranten aus anderen Ländern aufzunehmen.
Ein überlastetes System
Ein zentrales Problem, das sich durch alle US-Regierungen zieht, ist die Überlastung des Einwanderungssystems. „Das US-Einwanderungssystem ist extrem veraltet, überfordert und unterfinanziert“, so Bush-Joseph. Derzeit warten rund 1,3 Millionen Menschen in den USA mit bereits ausgestellter Abschiebeverfügung auf ihre tatsächliche Ausweisung – ein weiterer Beweis für die Langsamkeit des Systems.
David Bier vom libertären Cato Institute weist außerdem darauf hin, dass sich die Situation durch mangelnde Zusammenarbeit verschärft hat. Viele lokale Strafverfolgungsbehörden haben während Obamas Amtszeit und verstärkt unter Trump die Zusammenarbeit mit den Bundesbehörden eingestellt. Dies hat die Zahl der Abschiebungen weiter reduziert.
Unbeabsichtigte Folgen von Trumps harter Linie
Trumps rigorose Abschiebungspolitik führte auch zu ungewollten Nebeneffekten. Laut Bier veränderte Trump den Fokus der Einwanderungsbehörden: Statt gezielt Menschen mit krimineller Vergangenheit abzuschieben, wurde der Fokus auf alle Migranten ohne legalen Status ausgeweitet. Dies führte zu Trumps umstrittener Familientrennungspolitik, bei der Kinder von ihren Eltern getrennt wurden, und überfüllten Haftzentren.
Ironischerweise hatte diese Politik zur Folge, dass weniger Ressourcen für die Abschiebung von Migranten mit kriminellem Hintergrund zur Verfügung standen. Bier argumentiert, dass diese Strategie letztlich dazu führte, dass mehr Menschen mit Vorstrafen in den USA blieben.
Mehr Inhaftierungen, aber keine höheren Abschiebezahlen
Bier untersuchte zudem die steigende Zahl von Migranten, die während Trumps Amtszeit nach illegalem Grenzübertritt inhaftiert wurden. Das Ergebnis? Die Abschiebezahlen stiegen dadurch nicht nennenswert. Stattdessen wurden die Kapazitäten der Haftzentren mit Asylsuchenden gefüllt, während das System weiterhin an seiner Belastungsgrenze arbeitete.
Überforderte Infrastruktur
Selbst wenn Trump in einer möglichen zweiten Amtszeit erneut großangelegte Razzien und Abschiebungen ankündigt, bleibt die Frage, wie realistisch diese Pläne sind. Derzeit verfügt die US-Einwanderungs- und Zollbehörde (ICE) über nur 41.000 Haftplätze. Ein System von Lagern aufzubauen, das auch nur einen Bruchteil der mehr als 11 Millionen Migranten ohne legalen Status aufnehmen könnte, würde die derzeitigen Gefängniskapazitäten bei weitem übersteigen – ganz zu schweigen von den immensen Kosten.
„Die Vorstellung, dass man die Infrastruktur für Millionen von Abschiebungen schnell aufbauen könnte, ist reine Fantasie“, sagte Bier.
„Man spricht hier über Familien“
John Sandweg, ein ehemaliger ICE-Direktor unter Obama, warnte kürzlich auf CNN vor den sozialen Kosten von Trumps Abschiebungsplänen. Der Großteil der undokumentierten Migranten habe niemals eine Straftat in den USA begangen, erklärte er. Viele von ihnen – geschätzt rund 4,6 Millionen Menschen – leben in sogenannten „gemischten Familien“, in denen mindestens ein Mitglied US-Staatsbürger ist.
„Wenn man das zu einem Zahlenspiel macht und sagt: ‚Wir wollen eine Million Abschiebungen in einem Jahr durchführen‘, dann spricht man nicht nur über Kriminelle“, so Sandweg. „Es gibt nicht eine Million Kriminelle zum Abschieben. Man spricht hier über Familien, und das ist das eigentliche Problem.“
Fazit: Politische Rhetorik vs. Realität
Die Zahlen zeigen, dass trotz harter Worte die Umsetzung großangelegter Abschiebungen sowohl unter Trump als auch unter Biden an systemischen und logistischen Hürden scheiterte. Ob Trump in einer möglichen zweiten Amtszeit die Kapazitäten und den politischen Willen hätte, seine Pläne in die Realität umzusetzen, bleibt fraglich. Letztlich zeigt sich: Abschiebungen sind weniger eine Frage harter Rhetorik als eine von strukturellen und menschlichen Herausforderungen.
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