Nach der überraschenden Ankündigung der Washington Post, in dieser und künftigen Präsidentschaftswahlen keine Wahlempfehlung mehr auszusprechen, wächst die Unruhe in der Redaktion. Trotz Berichten, dass der milliardenschwere Eigentümer Jeff Bezos diese Entscheidung angestoßen haben könnte, schweigt er bislang zu den Entwicklungen. Insider berichten, dass ursprünglich eine Empfehlung für Vizepräsidentin Kamala Harris geplant war, die dann verworfen wurde.
Die Entscheidung führte bereits zum Rücktritt eines Redakteurs und löste öffentliche Empörung bei bekannten Redaktionsmitgliedern aus, die die Maßnahme als „Feigheit“ bezeichnen. Marty Baron, der frühere Chefredakteur der Washington Post, nannte den Zeitpunkt der Ankündigung „höchst verdächtig“ und vermutete wirtschaftliche Interessen hinter dem Entschluss. Laut Baron habe Bezos während Barons Amtszeit dem Druck Donald Trumps, einem häufigen Kritiker des Milliardärs, standgehalten. Bezos’ Interessen in Amazon und seiner Raumfahrtfirma Blue Origin, die erhebliche Verträge mit der US-Regierung hat, könnten jedoch eine Rolle gespielt haben.
Post-Verleger Will Lewis verteidigte die Entscheidung und betonte, Bezos sei nicht in den Entscheidungsprozess eingebunden gewesen. „Wir sind eine unabhängige Zeitung, die es den Lesern ermöglichen sollte, selbst eine Meinung zu bilden,“ sagte Lewis.
Viele Mitarbeiter zeigten sich besorgt, insbesondere über den Zeitpunkt der Entscheidung, die elf Tage vor der Wahl fiel. „So kurz vor der Wahl geraten wir in eine Zwickmühle: als Feiglinge oder als Kritiker, die nun eine Enthaltung im Kampf gegen Harris vorgeworfen bekommen,“ erklärte ein Mitarbeiter. Zudem stieg die Sorge, dass Leser aufgrund der Entscheidung Abonnements kündigen, was die finanzielle Stabilität der Zeitung bedrohen könnte.
Auch der langjährige Kolumnist Robert Kagan trat öffentlich zurück und kritisierte Bezos’ angeblichen Einfluss. Er bezeichnete die Entscheidung als „Versuch, sich bei Trump anzubiedern“ und verwies auf die strategischen Verbindungen von Bezos’ Firmen zur Regierung. Wenige Stunden nach der Entscheidung traf sich Trump mit Blue-Origin-Vertretern, was Berichte über eine mögliche Einflussnahme weiter anheizte.
Journalistenlegenden wie Bob Woodward und Carl Bernstein, die während der Watergate-Affäre Bekanntheit erlangten, äußerten in einer gemeinsamen Erklärung „Enttäuschung“ über die Entscheidung. Eine Gruppe von 17 Kolumnisten veröffentlichte zudem eine scharfe Kritik: „Die Entscheidung der Washington Post, keine Wahlempfehlung im Präsidentschaftswahlkampf abzugeben, ist ein schwerer Fehler. Sie verrät die grundlegenden redaktionellen Überzeugungen unserer geliebten Zeitung.“
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