Zinsänderungsrisiken im Anlagebuch: BaFin widerruft Allgemeinverfügung
Die BaFin hat eine Allgemeinverfügung erlassen, mit der sie ihre im Jahr 2016 veröffentlichte Allgemeinverfügung zur Anordnung von Eigenmittelanforderungen für Zinsänderungsrisiken im Anlagebuch widerruft.
Die widerrufene Allgemeinverfügung enthielt allgemeine Vorgaben für Institute zur Eigenkapitalunterlegung von Zinsänderungsrisiken im Anlagebuch. Sie ist nun nicht mehr notwendig, da die BaFin mit ihrem Überprüfungs- und Bewertungsprozess (Supervisory Review and Evaluation Process) mittlerweile für alle Institute eine individuelle Bewertung und Eigenkapitalanforderung festgelegt hat.
Allgemeinverfügung zum Widerruf der Allgemeinverfügung zur Anordnung von Eigenmittelanforderungen für Zinsänderungsrisiken im Anlagebuch
Bekanntmachung vom 14.03.2022 zum Zwecke der Bekanntgabe der Allgemeinverfügung zum Widerruf der Allgemeinverfügung: Anordnung von Eigenmittelanforderungen für Zinsänderungsrisiken im Anlagebuch vom 23.12.2016 mit Wirkung zum 15.03.2022 (Bekanntgabezeitpunkt).
Sehr geehrte Damen und Herren,
hiermit ergeht folgende Allgemeinverfügung:
Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht widerruft nach § 49 Abs. 1 Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) die Allgemeinverfügung Anordnung von Eigenmittelanforderungen für Zinsänderungsrisiken im Anlagebuch vom 23.12.2016 (GZ: BA 55-FR 2232-2016/0001) mit Wirkung zum 15.03.2022.
Begründung:
I.
Der europäische Richtliniengeber hat in seiner Richtlinie 2013/36/EU (CRD IV) in Artikel 104 Absatz 1 Buchstabe (a) den nationalen Aufsichtsbehörden vorgegeben, in gewissen Fällen erhöhte Eigenmittelanforderungen anzuordnen. Der deutsche Gesetzgeber hat diese Regelung in § 10 Absatz 3 Satz 2 KWG umgesetzt. Buchstabe (b) in Artikel 104 Absatz 2 CRD IV ist in § 10 Absatz 3 Satz 2 Nr. 1 KWG umgesetzt.
Demnach ordnet die Bundesanstalt zusätzliche Eigenmittelanforderungen an, wenn Risiken oder Risikoelemente nicht durch die Eigenmittelanforderungen nach der Verordnung (EU) Nr. 575/2013 (CRR) und nach der Solvabilitätsverordnung (SolvV) vom 06.12.2013 abgedeckt sind. Unter diese Risiken fällt insbesondere das Zinsänderungsrisiko im Anlagebuch.
§ 10 Absatz 3 Satz 3 KWG ermächtigt die BaFin, Anordnungen einheitlich zu treffen, sofern es sich um Institute handelt, „die nach Einschätzung der Bundesanstalt ähnliche Risikoprofile aufweisen, ähnlichen Risiken ausgesetzt sein könnten oder für das Finanzsystem ähnliche Risiken begründen“.
Da die Allgemeinverfügung diejenigen Institute betrifft, die Zinsänderungsrisiken im Anlagebuch aufweisen, ist die Tatbestandsvoraussetzung „ähnlichen Risiken ausgesetzt“ erfüllt.
Die Fristentransformation der Banken (Refinanzierung über kurzfristige Mittel und mittel- und langfristig Anlage in festverzinsliche Titel) stellt eindeutig ein Risiko dar, da Fristeninkongruenz dazu führt, dass eine Änderung der Marktzinsen den wirtschaftlichen Wert des Eigenkapitals der Kreditinstitute beeinflusst.
Jedoch ist in der Allgemeinverfügung festgelegt, dass Institute, für die eine individuelle Kapitalfestsetzung im Rahmen des Supervisory Review and Evaluation Process (SREP) erfolgt ist, nicht bzw. nicht mehr einen Zuschlag für ihre Eigenkapitalanforderung nach den Vorgaben der Allgemeinverfügung zu berechnen und vorzuhalten haben. Hierdurch wurde eine Doppelunterlegung vermieden, da das Zinsänderungsrisiko in diesem Fall aufsichtlich bewertet und in der Eigenmittelanforderung berücksichtigt ist. Aufgrund des Abschlusses der SREP-Verfahren für alle in den Anwendungsbereich dieser Allgemeinverfügung fallenden Institute ist der Grund für den Erlass der Allgemeinverfügung entfallen.
II.
Diese Allgemeinverfügung stützt sich auf § 49 Abs. 1 Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) in Verbindung mit § 10 Abs. 3 KWG. Die Rechtsgrundlage für die zu widerrufene Allgemeinverfügung stellt § 10 Abs. 3 KWG i. V. m. Artikel 98 Abs. 5 der Richtlinie (EU) 2019/878 dar, der die Aufsichtsbehörde dazu ermächtigt anzuordnen, dass Banken zusätzliche Eigenmittel für Risiken, die nicht durch die Verordnung (EU) Nr. 575/2013 abgedeckt sind, vorzuhalten.
Der Widerruf der Allgemeinverfügung beruht auf § 49 Abs. 1 VwVfG. Diese bestandskräftige Allgemeinverfügung beruhte bei Erlass und auch im Zeitpunkt des Widerrufs zum 15.03.2022 mit § 10 Abs. 3 KWG auf einer wirksamen Ermächtigungsgrundlage und ist auch im Übrigen rechtmäßig. Der Aufsichtsbehörde ist es danach gestattet zusätzliche Eigenmittel anzuordnen. Die Allgemeinverfügung ist daher nicht als begünstigender Verwaltungsakt anzusehen. Somit richtet sich der Widerruf der erfassten Allgemeinverfügungen nach § 49 Abs. 1 VwVfG.
Der Widerruf erfolgt mit Wirkung zum Ablauf des 15.03.2022 also mit Wirkung für die Zukunft.
Die Bundesanstalt muss zukünftig auch keine Allgemeinverfügung gleichen Inhalts erlassen. Die aus §10 Abs. 1 KWG folgende Ermächtigung Banken zum Vorhalten zusätzlicher Eigenmittel für nicht durch die Verordnung (EU) Nr. 575/2013 abgedeckten Risiken zu verpflichten, setzt die Bundesanstalt mittlerweile institutsspezifisch im Rahmen des Supervisory Review and Evaluation Process (SREP) für alle beaufsichtigten Institute um. Da darüber hinaus alle neu gegründete Institute einen fixen Kapitalzuschlag erhalten, gibt es derzeit und auch zu-künftig kein Institut im Anwenderkreis, das einen Eigenkapitalzuschlag nach den Vorgaben der widerrufenen Allgemeinverfügung vorzuhalten hat. Es sind keine anderen Gründe ersichtlich, die den Widerruf der erfassten Allgemeinverfügung unzulässig erscheinen lassen.
Der Widerruf ist auch verhältnismäßig, da derzeit und auch zukünftig kein Institut einen Zuschlag nach den Vorgaben der widerrufenen Allgemeinverfügung vorzuhalten hat bzw. vorzuhalten haben wird.
Rechtsbehelfsbelehrung
Gegen diese Allgemeinverfügung kann innerhalb eines Monats nach ihrer Bekanntgabe Widerspruch bei der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht in Bonn oder Frankfurt am Main erhoben werden.
Raimund Röseler
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