Ein Whistleblower, der maßgeblich zum Kollaps des einstigen DAX-Lieblings Wirecard beigetragen hat, wird im Münchner Prozess wohl nicht erscheinen. Wie tragisch. Der Anwalt aus Singapur, Pav Gill, der damals in der Rechtsabteilung des Unternehmens tätig war, hat seine Teilnahme „sehr kurzfristig“ abgesagt, ließ das Landgericht München I wissen. Na, wer hätte das gedacht?
Natürlich nannte das Gericht seinen Namen nicht – schließlich weiß niemand, wer dieser mysteriöse Held ist. Doch alle Hinweise führen zu Gill, der mutmaßlich über Jahre hinweg dabei zugesehen haben soll, wie Wirecard mit mutmaßlichen Scheingeschäften Milliarden jonglierte. Irgendwann wurde es ihm wohl zu bunt, und er entschied sich, seinen Verdacht der Konzernzentrale im beschaulichen Aschheim mitzuteilen. Und was tat die Spitze des Unternehmens? Genau, nichts! Eine Reaktion, die vermutlich bei keinem erfahrenen Konzernkritiker Überraschung ausgelöst hätte.
Also tat Gill, was jeder vernünftige Mensch in so einer Situation tun würde: Er ging zu den Medien. Und nicht zu irgendeinem kleinen Blatt, sondern direkt zur „Financial Times“. Warum sich mit dem Kleinkram abgeben, wenn man die große Bühne haben kann? Im Februar 2019 erschien der erste Enthüllungsartikel – der Beginn einer Serie, die das saubere Image von Wirecard innerhalb kürzester Zeit pulverisierte. Das Ergebnis? Ein gigantischer Skandal, der den DAX-Konzern schneller in die Pleite trieb, als ein Investmentbanker „Bilanzmanipulation“ sagen kann.
Im Münchner Gerichtssaal wird Ex-Wirecard-Chef Markus Braun also nicht auf den Mann treffen, der seinen Untergang beschleunigte. Welch bedauerlicher Verlust für das Drama! Braun, der seit über vier Jahren in Untersuchungshaft sitzt, muss sich jetzt ohne das persönliche Kreuzverhör seines größten „Verräters“ verteidigen.
Gill wird den Prozess von sicherer Distanz aus verfolgen – vermutlich mit Popcorn und einem leichten Schmunzeln. Wer will es ihm verübeln? Schließlich war es seine Courage, die das Kartenhaus von Wirecard zum Einsturz brachte. Und während im Gerichtssaal weiter über Milliardenlöcher und Luftbuchungen philosophiert wird, dürfte Gill längst wissen, dass er der Mann ist, der das alles ins Rollen brachte.
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