In München ist einer der wohl „größten Prozesse der deutschen Geschichte“ gestartet, und zwar nicht etwa wegen eines bedeutenden Fortschritts im Rechtswesen, sondern weil der Wirecard-Skandal einfach so gigantisch ist, dass man ihn nirgendwo anders hätte unterbringen können – außer in einer ehemaligen Flughafenhalle. Ja, Sie haben richtig gehört: Eine Flughafenhalle, denn offenbar war der normale Gerichtssaal für diesen Wirtschaftsthriller nicht glamourös genug.
Fast fünf Jahre später: Jetzt wird es ernst … vielleicht
Fast viereinhalb Jahre nach der krachenden Pleite des ehemaligen DAX-Stars Wirecard – der einst gefeierten Zukunft der deutschen Finanzwelt – nehmen die Gerichte endlich Fahrt auf. Oder besser gesagt: Sie schalten den ersten Gang ein. Es geht um 27.500 geprellte Anleger, um Forderungen von bis zu 8,5 Milliarden Euro, und natürlich um die große Frage: Wer hat eigentlich das ganze Geld gesehen? Spoiler: Sicher nicht die Anleger.
Doch bevor es ans Eingemachte geht, widmet sich das Bayerische Oberste Landesgericht zuerst der wichtigsten Frage des Tages: Sind die vielen Fragen der Kläger überhaupt zulässig? Man will ja schließlich nichts überstürzen – ein Urteil wird ohnehin frühestens in ein paar Jahren erwartet. Bis dahin dürfen die Betroffenen weiterhin mit der Insolvenzmasse von Wirecard Monopoly spielen.
Große Bühne, kleiner Andrang
Die eigens angemietete Flughafenhalle, ausgestattet für die Massen, bot heute ein eher ernüchterndes Bild. Von den erwarteten Hundertschaften an Rechtsanwälten und Klägern fanden sich gerade mal 50 tapfere Juristinnen und Juristen ein, um ihre Mandanten zu vertreten. Die Vorsitzende Richterin Andrea Schmidt erledigte die Nennung dieser illustren Runde in knackigen zehn Minuten – ein Tempo, das im späteren Verlauf des Verfahrens sicher nicht beibehalten wird.
Die üblichen Verdächtigen
Und wer sitzt auf der Anklagebank? Natürlich der ehemalige Wirecard-Chef Markus Braun, der derzeit schon wegen eines Strafprozesses in Untersuchungshaft schmort – vermutlich mit genug Zeit, um über die 1,9 Milliarden Euro nachzudenken, die Wirecard auf mysteriöse Weise auf asiatischen Treuhandkonten „verloren“ hat. Außerdem dabei: die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Ernst & Young (EY), die offenbar so viele Augen zudrückte, dass man sich fragen muss, wie sie ihre Bilanzberichte überhaupt noch lesen konnte.
Die Anwälte der Beklagten wehrten sich erwartungsgemäß mit Händen, Füßen und Paragrafen gegen die Vorwürfe. Die Kläger hingegen hoffen, dass irgendwann jemand Rechenschaft ablegt – oder dass wenigstens ein paar Cent aus der Insolvenzmasse übrig bleiben.
Ein langer Weg zur Gerechtigkeit
Eines ist sicher: Dieser Prozess wird ein Marathon, kein Sprint. Während Anleger auf Entschädigung hoffen und Gerichte sich durch die Komplexität des Falls wühlen, bleibt für viele die bittere Erkenntnis: In der Welt des großen Geldes gibt es immer Gewinner und Verlierer. Leider sitzen die Gewinner selten auf der Klägerseite. Aber hey, wenigstens haben wir jetzt eine Flughafenhalle, um das Drama gebührend zu inszenieren.
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