Landgericht Frankfurt
am Main 21. Zivilkammer
Aktenzeichen: 2-21 OH 2/14
Es wird gebeten, bei allen Eingaben das
vorstehende Aktenzeichen anzugeben
Beschluss
In den Rechtsstreiten
Stefan Abel, Wakenitzstraße 24, 23564 Lübeck
- Aktenzeichen des Streitverfahrens: 2-21 O 166/12 -
Thomas Polewka, Am Echernkamp 2b, 38528 Adenbüttel
- Aktenzeichen des Streitverfahrens: 2-21 O 176/12 -
Dr. Peter Szymanski, Franz-von-Papen-Str. 17, 66798 Wallerfangen
- Aktenzeichen des Streitverfahrens: 2-21 O 177/12 -
Dr. Bernd Zetzmann, Martin-Luther-Str. 109, 10825 Berlin
- Aktenzeichen des Streitverfahrens: 2-21 O 178/12 -
Wassilios Hinueber, Auf Vogelsang 19, 52066 Aachen
- Aktenzeichen des Streitverfahrens: 2-21 O 285/12 -
Michael Arneaud, Spreestraße 9, 64295 Darmstadt
- Aktenzeichen des Streitverfahrens: 2-21 O 288/12 -
Dr. Manfred Becker, Lerchenstraße 11, 91456 Diespeck
- Aktenzeichen des Streitverfahrens: 2-21 O 289/12 -
Helmut Klothen, Kurische Straße 37, 50997 Köln
- Aktenzeichen des Streitverfahrens: 2-21 O 291/12 -
Volker Korth, Dorfstraße 52, 39542 Neuermark
- Aktenzeichen des Streitverfahrens: 2-21 O 293/12 -
Rudolf Heß, Am Linsenbühl 4, 91477 Markt Bibart
- Aktenzeichen des Streitverfahrens: 2-21 O 294/12 -
Prozessbevollmächtigte: zu 1-10, Rechtsanw. PIA ProtectInvestAlliance Rechtsanwaltsgesellschaft
mbH
An der Dammheide 10, 60486 Frankfurt am Main,
Geschäftszeichen: 8132/12
gegen
Morgan Stanley Real Estate Investment GmbH, vertr. d. d. Geschäftsführer Markus
Holzer,
Junghofstraße 13-15, 60311 Frankfurt am Main,
Beklagte
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanw. Hengeler Mueller
Bockenheimer Landstraße 24, 60323 Frankfurt am Main,
Gerichtsfach Nr. 272
hat das Landgericht Frankfurt am Main - 21. Zivilkammer
durch Vorsitzende Richterin am Landgericht Rau,
Richter am Landgericht Schaller und
Richter am Landgericht Dr. Henke
am 28.4.2014 beschlossen:
Dem Oberlandesgericht Frankfurt am Main werden folgende Feststellungsziele zum
Zwecke
eines Musterentscheids gemäß § 6 Abs. 1 KapMuG vorgelegt:
1. |
Es wird festgestellt, dass der Verkaufsprospekt mit den Vertragsbedingungen
der Beklagten
zum Offenen Immobilienfonds P2 Value (WKN: A0F6G8), Stand November 2005, einzeln und/oder
kumulativ unrichtige und/oder unvollständige Angaben mit folgenden Aussagen enthält:
|
a) |
„Das Angebot zum Erwerb von Fondsanteilen richtet sich an alle
Anleger, auch an solche,
die mit der Kapitalanlage im Immobilienwert nicht vertraut sind und die das Sondervermögen
als komfortables Sparprodukt in Grundstückswerte nutzen wollen“,
|
b) |
„Erfahrungen mit Immobilienanlagen und Kapitalmarkterfahrung
sind nicht erforderlich“,
|
c) |
„Das Sondervermögen verfolgt eine ertragsorientierte Anlagepolitik
und eignet sich
für jedes Anlageportfolio“,
|
d) |
„Die Kapitalanlagegesellschaft verwendet einen Teil der ihr aus
dem Sondervermögen
geleisteten Vergütungen für wiederkehrende Vergütungen an Vermittler von Anteilen
als Vermittlungsfolgeprovision“,
|
e) |
„Bei Festsetzung des Ausgabepreises wird dem Anteilwert zur Abgeltung
der Ausgabekosten
ein Ausgabeaufschlag hinzugerechnet“,
|
f) |
„Der Ausgabeaufschlag stellt im Wesentlichen eine Vergütung für
den Vertrieb der Anteile
des Sondervermögens dar. Er wird zur Deckung der Ausgabekosten der Kapitalanlagegesellschaft
sowie zur Abgeltung von Vertriebsleistungen der Kapitalanlagegesellschaft und Dritter
verwendet“.
|
2. |
Es wird festgestellt, dass der Verkaufsprospekt mit den Vertragsbedingungen
der Beklagten
zum Offenen Immobilienfonds P2 Value (WKN: A0F6G8), Stand Juni 2006, einzeln und/oder
kumulativ unrichtige und/oder unvollständige Angaben mit folgenden Aussagen enthält:
|
a) |
„Das Angebot zum Erwerb von Fondsanteilen richtet sich an alle
Anleger, auch an solche,
die mit der Kapitalanlage im Immobilienwert nicht vertraut sind und die das Sondervermögen
als komfortables Sparprodukt in Grundstückswerte nutzen wollen“,
|
b) |
„Erfahrungen mit Immobilienanlagen und Kapitalmarkterfahrung
sind nicht erforderlich“,
|
c) |
„Das Sondervermögen verfolgt eine ertragsorientierte Anlagepolitik
und eignet sich
für jedes Anlageportfolio“,
|
d) |
„Die Kapitalanlagegesellschaft verwendet einen Teil der ihr aus
dem Sondervermögen
geleisteten Vergütungen für wiederkehrende Vergütungen an Vermittler von Anteilen
als Vermittlungsfolgeprovision“,
|
e) |
„Bei Festsetzung des Ausgabepreises wird dem Anteilwert zur Abgeltung
der Ausgabekosten
ein Ausgabeaufschlag hinzugerechnet“,
|
f) |
„Der Ausgabeaufschlag stellt im Wesentlichen eine Vergütung für
den Vertrieb der Anteile
des Sondervermögens dar. Er wird zur Deckung der Ausgabekosten der Kapitalanlagegesellschaft
sowie zur Abgeltung von Vertriebsleistungen der Kapitalanlagegesellschaft und Dritter
verwendet“.
|
3. |
Es wird festgestellt, dass der Verkaufsprospekt mit den Vertragsbedingungen
der Beklagten
zum Offenen Immobilienfonds P2 Value (WKN: A0F6G8), Stand November 2007, einzeln und/oder
kumulativ unrichtige und/oder unvollständige Angaben mit folgenden Aussagen enthält:
|
a) |
„Das Angebot zum Erwerb von Fondsanteilen richtet sich an alle
Anleger, auch an solche,
die mit der Kapitalanlage im Immobilienwert nicht vertraut sind und die das Sondervermögen
als komfortables Sparprodukt in Grundstückswerte nutzen wollen“,
|
b) |
„Erfahrungen mit Immobilienanlagen und Kapitalmarkterfahrung
sind nicht erforderlich“,
|
c) |
„Das Sondervermögen verfolgt eine ertragsorientierte Anlagepolitik
und eignet sich
für jedes Anlageportfolio“,
|
d) |
„Die Kapitalanlagegesellschaft verwendet einen Teil der ihr aus
dem Sondervermögen
geleisteten Vergütungen für wiederkehrende Vergütungen an Vermittler von Anteilen
als Vermittlungsfolgeprovision“,
|
e) |
„Bei Festsetzung des Ausgabepreises wird dem Anteilwert zur Abgeltung
der Ausgabekosten
ein Ausgabeaufschlag hinzugerechnet“,
|
f) |
„Der Ausgabeaufschlag stellt im Wesentlichen eine Vergütung für
den Vertrieb der Anteile
des Sondervermögens dar. Er wird zur Deckung der Ausgabekosten der Kapitalanlagegesellschaft
sowie zur Abgeltung von Vertriebsleistungen der Kapitalanlagegesellschaft und Dritter
verwendet“.
|
4. |
Es wird festgestellt, dass der Verkaufsprospekt mit den Vertragsbedingungen
der Beklagten
zum Offenen Immobilienfonds P2 Value (WKN: A0F6G8), Stand September 2008, einzeln
und/oder kumulativ unrichtige und/oder unvollständige Angaben mit folgenden Aussagen
enthält:
|
a) |
„Das Sondervermögen richtet sich an alle Anleger, auch an solche,
die mit der Kapitalanlage
im Immobilienwert nicht vertraut sind und die das Sondervermögen als komfortables
Sparprodukt in Grundstückswerte nutzen wollen“,
|
b) |
„Erfahrungen mit Immobilienanlagen und Kapitalmarkterfahrung
sind nicht erforderlich“,
|
c) |
„Das Sondervermögen verfolgt eine ertragsorientierte Anlagepolitik
und eignet sich
für jedes Anlageportfolio“,
|
d) |
„Die Kapitalanlagegesellschaft verwendet einen Teil der ihr aus
dem Sondervermögen
geleisteten Vergütungen für wiederkehrende Vergütungen an Vermittler von Anteilen
als Vermittlungsfolgeprovision“,
|
e) |
„Bei Festsetzung des Ausgabepreises wird dem Anteilwert zur Abgeltung
der Ausgabekosten
ein Ausgabeaufschlag hinzugerechnet“,
|
f) |
„Der Ausgabeaufschlag stellt im Wesentlichen eine Vergütung für
den Vertrieb der Anteile
des Sondervermögens dar. Er wird zur Deckung der Ausgabekosten der Kapitalanlagegesellschaft
sowie zur Abgeltung von Vertriebsleistungen der Kapitalanlagegesellschaft und Dritter
verwendet“.
|
5. |
Es wird festgestellt, dass der Verkaufsprospekt mit den Vertragsbedingungen
der Beklagten
zum Offenen Immobilienfonds P2 Value (WKN: A0F6G8), Stand Juli 2009, einzeln und/oder
kumulativ unrichtige und/oder unvollständige Angaben mit folgenden Aussagen enthält:
|
a) |
„Das Sondervermögen richtet sich an alle Anleger, auch an solche,
die mit der Kapitalanlage
im Immobilienwert nicht vertraut sind und die das Sondervermögen als komfortables
Sparprodukt in Grundstückswerte nutzen wollen“,
|
b) |
„Erfahrungen mit Immobilienanlagen und Kapitalmarkterfahrung
sind nicht erforderlich“,
|
c) |
„Das Sondervermögen verfolgt eine ertragsorientierte Anlagepolitik
und eignet sich
für jedes Anlageportfolio“,
|
d) |
„Die Kapitalanlagegesellschaft verwendet einen Teil der ihr aus
dem Sondervermögen
geleisteten Vergütungen für wiederkehrende Vergütungen an Vermittler von Anteilen
als Vermittlungsfolgeprovision“,
|
e) |
„Bei Festsetzung des Ausgabepreises wird dem Anteilwert zur Abgeltung
der Ausgabekosten
ein Ausgabeaufschlag hinzugerechnet“,
|
f) |
„Der Ausgabeaufschlag stellt im Wesentlichen eine Vergütung für
den Vertrieb der Anteile
des Sondervermögens dar. Er wird zur Deckung der Ausgabekosten der Kapitalanlagegesellschaft
sowie zur Abgeltung von Vertriebsleistungen der Kapitalanlagegesellschaft und Dritter
verwendet“.
|
6. |
Es wird festgestellt, dass zwischen den Anteilserwerbern des
Offenen Immobilienfonds
P2 Value (WKN: A0F6G8) und der Beklagten ein Vertrag nach dem Investmentgesetz („Investmentvertrag")
zustande kam, die Anteilserwerber somit Vertragspartner der Beklagten wurden.
|
7. |
Es wird festgestellt, dass Ansprüche aus Verletzungen von Pflichten
aus dem Investmentvertrag
den § 311 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 BGB und/oder § 280 Abs. 1 Satz 1 BGB unterfallen.
|
8. |
Es wird festgestellt, dass Ansprüche aus Verletzungen von Pflichten
aus dem Investmentvertrag
i.S.d. § 311 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 BGB und/oder § 280 Abs. 1 Satz 1 BGB neben Ansprüchen
aus spezialgesetzlicher Prospekthaftung nach § 127 InvG in der bis zum 30.06.2011
gültigen Fassung bestehen.
|
9. |
Es wird festgestellt, dass Ansprüche aus Verletzungen von Pflichten
aus dem Investmentvertrag
i.S.d. § 311 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 BGB und/oder § 280 Abs. 1 Satz 1 BGB der Regelverjährung
des BGB unterliegen und nicht der Verjährungsvorschrift des § 127 Abs. 5 InvG in der
bis zum 30.06.2011 gültigen Fassung.
|
10. |
Es wird festgestellt, dass die Verwendung der Verkaufsprospekte
mit den Vertragsbedingungen
i.S.d. vorstehenden Ziff. 1. bis 5. - einzeln und/oder kumulativ - durch die Beklagte
gegenüber ihren Vertragspartnern des Investmentvertrages i.S.d. Ziff. 6 Verletzungen
von Pflichten darstellen i.S.d. Ziff. 7.
|
11. |
Es wird festgestellt, dass die Vorschrift des § 280 Abs. 1 Satz
2 BGB auch für Pflichtverletzungen
der Beklagten gilt, wie sie in Ziff. 7 und 8 genannt sind.
|
12. |
Es wird festgestellt, dass die „Vermutung aufklärungsrichtigen
Verhaltens" auch für
Pflichtverletzungen der Beklagten i.S.d. Ziff.7 gilt.
|
13. |
Es wird festgestellt, dass die Beklagte ihren Vertragspartnern
des Investmentvertrages
i.S.d. Ziff. 6 vor und/oder nach Vertragsschluss darüber informieren musste, dass
sie Dritten, welche ihre Vertragspartner im Hinblick auf den Erwerb von Anteilen am
Offenen Immobilienfonds P2 Value (WKN: A0F6G8) beraten haben, Zuwendungen versprochen
und/oder gewährt hat und in welcher Höhe.
|
14. |
Es wird festgestellt, dass ein unterbliebener Hinweis der Beklagten
nach Abschluss
des Investmentvertrages i.S.d. Ziff. 6 gegenüber den Anteilserwerbern des Offenen
Immobilienfonds P2 Value (WKN: A0F6G8) auf die Unrichtigkeit und/oder Unvollständigkeit
der Verkaufsprospekte mit den Vertragsbedingungen im Sinne der Ziff. 1. bis 5. eine
Pflichtverletzung i.S.d. Ziff. 7 darstellt.
|
15. |
Es wird festgestellt, dass die Beklagte im Zusammenhang mit dem
Vertrieb des Offenen
Immobilienfonds P2 Value (WKN: A0F6G8) durch die Verwendung der in Ziff. 1 bis 5 genannten
Verkaufsprospekte mit den Vertragsbedingungen - einzeln und/oder kumulativ - unrichtige
vorteilhafte Angaben im Sinne des § 264 a Abs. 1 Nr. 1 StGB gemacht hat und/oder nachteilige
Tatsachen im Sinne des § 264 a Abs. 1 Nr. 1 StGB verschwiegen hat.
|
16. |
Es wird festgestellt, dass die Unrichtigkeit und/oder Unvollständigkeit
der Verkaufsprospekte
mit den Vertragsbedingungen im Sinne der Ziff. 1 bis 5 - einzeln und/oder kumulativ
- für sich genommen und/oder in ihrer Gesamtschau den Vorsatz der Beklagten im Sinne
des § 264 a StGB indiziert.
|
17. |
Es wird festgestellt, dass die Anspruchsgrundlagen, welche in
den Musterverfahrensanträgen
Ziff. 7., 8. und 9. genannt sind, nicht voraussetzen, dass persönliches Vertrauen
in Anspruch genommen wurde.
|
Im Übrigen wird der Antrag zurückgewiesen.
Gründe
I.
Die Beklagte verwaltet ein Sondervermögen in Form eines offenen Immobilienfonds.
Die
Kläger nehmen die Beklagte - nachdem die Rücknahme der Beteiligungen seit dem 28.10.2008
ausgesetzt war und die Verwaltung des Fonds im Oktober 2010 gekündigt wurde - mit
der Begründung, mehrere Verkaufsprospekte den Fonds betreffend seien fehlerhaft, auf
Schadensersatz in Anspruch.
Die Beklagte ist eine Kapitalanlagegesellschaft im Sinne des § 6 Abs. 1 InvG. Im
November
2005 legte sie den offenen Immobilien-Fonds Morgan Stanley P2 Value, WKN A0F6G8 /
ISIN DE000A0F6G89 (nachfolgend: Fonds), auf. Sie gab mehrere Versionen eines Verkaufsprospekts
einschließlich Allgemeiner und Besonderer Vertragsbedingungen heraus. Wegen der Einzelheiten
der Fondskonzeption wird auf die Verkaufsprospekte Bezug genommen.
In den jeweiligen Versionen der Verkaufsprospekte heißt es unter der Überschrift
„Profil
des typischen Anlegers“: „Das Angebot zum Erwerb von Fondsanteilen richtet sich
an alle Anleger, auch an solche,
die mit der Kapitalanlage in Immobilienwerte nicht vertraut sind und die das Sondervermögen
als komfortables Sparprodukt in Grundstückwerte nutzen wollen. Erfahrungen mit Immobilienanlagen
und Kapitalmarkterfahrung sind nicht erforderlich. Es richtet sich auch an erfahrene
Anleger, die ein Produkt mit der von diesem Sondervermögen verfolgten Anlagestrategie
suchen.“
Die Anteile an dem Fonds konnten entweder über die Depotbank oder über Vertriebspartner
der Beklagten wie Banken, Sparkassen und Vermögensverwalter, erworben werden. Teilweise
erwarben die Vertriebspartner der Beklagten einen Bestand an Fondsanteilen von der
Depotbank und veräußerten aus diesem Bestand heraus Fondsanteile an ihre Kunden. Die
Beklagte zahlte an ihre Vertriebspartner Vertriebs- und Vertriebsfolgeprovisionen.
Daneben erfolgte ein Handel der Anteile im Freiverkehr verschiedener deutscher Börsen.
Zwischen dem Kläger und der Beklagten bestand kein unmittelbarer persönlicher Kontakt.
Die Kreditverbindlichkeiten des Fonds beliefen sich zum 31.9.2007 auf 32,5 % der
Verkehrswerte
der Fondsimmobilien. Zum 31.3.2009 lag die Fremdkapitalquote bei 36,4 %. Ein Teil
der Kredite wurde in Fremdwährungen aufgenommen. Im Juni 2008 befanden sich 78,5 %
der Immobilien des Fonds im sog. Kern-Portfolio und 21,5 % im sog. Trading-Portfolio.
Von der Auflage an wuchs das Fondsvermögen auf über 229,6 Mio. € Ende März 2006,
auf
531,5 Mio. € Ende September 2006, auf 1,49 Milliarden € im September 2007 und auf
2,18 Milliarden € am 30.9.2008. Die Nettoliquidität des Fonds lag zu den Stichtagen
31.3.2006 sowie 31.3.2007 bei 41,9 % des Nettoinventarwertes, am 30.9.2006 bei 38,13
%, am 30.9.2007 bei 15,6 %, am 31.3.2008 bei 27,1 % und am 30.9.2008 bei 35,3 %.
Mit Wirkung zum 29.10.2008 setzte die Beklagte die Rücknahme der Anteile für zunächst
3 Monate aus, nachdem die Liquiditätsreserve innerhalb von wenigen Tagen in Folge
von Anteilsrückgaben stark gesunken war. Am 20.1.2009 verlängerte sie die Aussetzung
um weitere 9 auf dann insgesamt 12 Monate bis zum 29.10.2009. Unter diesem Datum wurde
die Aussetzung der Rücknahme der Anteile um weitere 12 Monate verlängert. Am 29.10.2010
kündigte die Beklagte das Verwaltungsmandat des Fonds mit Wirkung zum 30.9.2013. Die
Rücknahme der Anteile wurde endgültig ausgesetzt. Eine Veräußerung der Anteile war
seit der Aussetzung der Rücknahme der Anteile nur noch über den Sekundärmarkt an der
Börse möglich.
Während der Aussetzung der Anteilsrücknahme im Sommer 2009 wurde das Immobilienportfolio
des Fonds neu bewertet. Der Sachverständigenausschuss kam zu dem Ergebnis, dass der
Wert des Immobilienportfolios herabzusetzen sei.
Die Kläger behaupten, Inhaber von Anteilen an dem von der Beklagten aufgelegten
Fonds
Morgan Stanley P2 Value zu sein. Sie machen geltend, dem Erwerb der Beteiligung habe
eine Empfehlung von dritter Seite zugrunde gelegen; dieser Dritte habe der Empfehlung
Informationsmaterialien zu Grunde gelegt, welche von der Beklagten stammten.
Die Aussetzung der Anteile und die Notwendigkeit der Abwicklung des Fonds sei Folge
einer pflichtwidrigen Verwaltungs- und Vertriebsstrategie der Beklagten, auf die sie
die Anleger habe hinweisen müssen. Die Beklagte habe die Werte des Immobilienportfolios
unzureichend überwacht. Sie habe durch Überschreiten der Investitionsgrenze für das
Kern-Portfolio entgegen den Angaben im Prospekt notwendige Liquiditätsreserven aus
dem Sondervermögen entnommen. Sie hätte zudem die Liquiditätsreserve aufgrund der
gewachsenen Beteiligung von institutionellen Anlegern und Dachfonds erhöhen müssen,
um so für eine etwaige Rückgabe von Anteilen durch mehrere Großanleger vorbereitet
zu sein.
Ab 2007 habe die Beklagte sich entschieden, nicht mehr hauptsächlich Kleinanleger
einzuwerben, sondern auch institutionelle Investoren und Dachfonds. Ausweislich des
Halbjahresberichts vom 30.11.2006 seien im Jahr 2006 noch 97,9 % der Anleger private
Kleinanleger gewesen. Der Anteil der direkt investierten institutionellen Anleger
(ohne Dachfonds) sei bis September 2007 auf 7% des Fondsvermögens angestiegen. Zum
31.10.2010 habe sich die Anlegerstruktur dahin verändert, dass 38,86 % Privatkunden,
32,45 % Dachfonds, 4,45 % institutionelle Anleger und 24,24% nicht aufgliederbare
Anleger gewesen seien. Der Anteil von Großinvestoren, d.h. Dachfonds und institutionellen
Anlegern, am Fondsvolumen habe mehr als 37 % betragen. Die massive Beteiligung institutioneller
Anleger und deren Rückgabeverlangen habe zur Aussetzung der Rücknahme der Anteile
geführt.
Aufgrund der Ankündigung einer Neubewertung des Immobilienportfolios im Januar
2008
sowie der Aussetzung der Anteilsrücknahme sei es zu Kurseinbrüchen gekommen.
Vor diesem Hintergrund enthalte der Prospekt keine ausreichenden Hinweise auf das
Risiko des Anlegers, aufgrund einer Aussetzung der Rücknahme der Anteile nicht mehr
an sein Geld zu kommen und aufgrund von Kursverlusten infolge der Aussetzung Verluste
zu erleiden. Auch die spezifischen Risiken in Zusammenhang mit der Neubewertung von
Immobilienportfolien seien nicht dargestellt, gleiches gelte für die Risiken einer
massiven Einwerbung von institutionellen Anlegern im Hinblick auf Liquiditätsengpässe.
Dem Prospekt lasse sich ferner nicht entnehmen, in welcher Höhe die Beklagte Provisionen
an Dritte für den Vertrieb des Sondervermögens zahle. Die Vertriebsfolgeprovisionen
seien nicht ausreichend ausgewiesen. Der Ausgabeaufschlag sei anders als prospektiert
zu 100% für Vertriebsleistungen Dritter verwendet worden. Schließlich suggeriere der
Prospekt eine Sicherheit, die aufgrund der Höhe der Kreditverbindlichkeiten und der
Fremdwährungsrisiken nicht gegeben gewesen sei.
Die Unrichtigkeit des Prospektes sei von den für die Prospekterstellung zuständigen
Mitarbeitern der Beklagten, insbesondere der Geschäftsführung billigend in Kauf genommen
worden.
Die Beklagte tritt dem Musterverfahrensantrag entgegen. Sie ist der Auffassung,
der
Prospekt sei vollständig und richtig.
§ 127 InvG stelle eine abschließende Haftungsgrundlage der Kapitalanlagegesellschaft
für Fehler in Verkaufsprospekten dar, neben der die §§ 280, 311 BGB nicht anwendbar
seien. Ein Anspruch aus § 311 BGB scheide auch aus, weil der Investmentvertrag zwischen
den Parteien qua Gesetz zustande komme.
Für Ansprüche nach § 280 Abs. 1 BGB wegen Verletzung des Investmentvertrages fehle
der Klagepartei die Aktivlegitimation, § 28 Abs. 1 Nr. 1 InvG. Schließlich seien etwaige
Ansprüche, auch solche vertraglicher Natur, verjährt.
Die Beklagte behauptet, die Aussetzung der Anteilsrücknahme habe nicht in der Anlegerstruktur
des Fonds, sondern allein in der weltweiten Wirtschafts- und Finanzkrise ihre Ursache.
Dessen ungeachtet seien die Angaben der Klageparteien zur Anlegerstruktur unzutreffend.
Die Angaben in den Berichten der Beklagten seien, da sie von den Vertriebspartnern
auf freiwilliger Basis zur Verfügung gestellt würden, nicht in jeder Hinsicht verlässlich.
Sie bezögen sich auf lediglich einen Teil der Anleger. Zudem würden Dachfonds typischerweise
von Privatanlegern gehalten, so dass Dachfondsbeteiligungen mittelbare Beteiligungen
von Kleinanlegern seien.
Die Beklagte trägt vor, sie habe das Immobilienportfolio seit Auflage des Fonds
mindestens
einmal jährlich von dem unabhängigen Sachverständigenausschuss bewerten lassen. Sie
habe die im Verkaufsprospekt angegebenen Anlagegrenzen jederzeit eingehalten. Ursache
für den Rückgang der Anteilswerte sei die Abwertung des Immobilienportfolios im Zusammenhang
mit der Finanzkrise gewesen.
Im Jahr 2012 haben die Kläger einen ersten Musterverfahrensantrag eingereicht,
der
auf die Feststellung der Fehlerhaftigkeit von fünf Verkaufsprospekten, die Feststellung
des Abschlusses eines Investmentvertrages, sowie auf die Klärung von Rechtsfragen
zu den Anspruchsvoraussetzungen der §§ 280 Abs. 1, 311 Abs. 2 BGB und zur Verjährung
dieser Ansprüche, sowie zu deliktischen Ansprüchen auf Grundlage des § 264 a StGB
abzielt. Wegen der Einzelheiten wird auf den ersten Musterverfahrensantrag Bezug genommen.
Die Kammer hat diesen Antrag durch Beschluss vom 10.4.2013 als unzulässig zurückgewiesen.Die
Kläger haben ihren Vortrag teilweise ergänzt und in der Folge einen zweiten, erweiterten
Musterverfahrensantrag gestellt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Schriftsätze
beider Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.
II.
1) Das Landgericht Frankfurt am Main ist für die Entscheidung über den Vorlagebeschluss
zuständig, weil die Zuständigkeit eines anderen Gerichts nach § 6 Abs. 2 KapMuG nicht
gegeben ist. Ausweislich des Klageregisters zum KapMuG sind bis zum Zeitpunkt der
Beschlussfassung keine gleichgerichteten Anträge bekannt gemacht.
2) Der Musterverfahrensantrag ist statthaft. Die geltend gemachten Ansprüche
fallen unter
den Anwendungsbereich des KapMuG (§ 1 KapMuG).
Die Kläger machen insbesondere Ansprüche nach § 311 Abs. 2 Nr. 1 bis 3, § 280 Abs.
1 Satz 1 BGB geltend. Diese Ansprüche sind nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 KapMuG n.F. musterverfahrensfähig.
Dabei ist im Vorlageverfahren nicht abschließend zu prüfen, ob die Ansprüche begründet
sind.
§ 1 Abs. 1 Nr. 2 KapMuG n.F. erfasst auch Schadensersatzansprüche wegen Verwendung
einer falschen oder irreführenden öffentlichen Kapitalmarktinformation oder wegen
Unterlassung der gebotenen Aufklärung darüber, dass eine öffentliche Kapitalmarktinformation
falsch oder irreführend ist. Erfasst werden auch Klagen, die auf vertraglicher Grundlage
beruhen - etwa wegen fehlerhafter Anlageberatung oder -vermittlung, wegen Verletzung
vertraglicher Nebenpflichten (§ 241 Abs. 2 BGB) oder vorvertraglicher Pflichtverletzungen
(§ 311 Abs. 2 und 3 BGB). Auch Ansprüche auf deliktischer Grundlage sind nicht vom
Anwendungsbereich des KapMuG ausgenommen (LG Frankfurt a.M., Beschluss vom 27.9.2013,
2-12 O 412/12).
Der Gesetzgeber hat die Erweiterung des Anwendungsbereichs nicht auf die Fälle
der
sogenannten Prospekthaftung im weiteren Sinne bzw. der Haftung aus einem Beratungsvertrag
beschränkt, sondern den Anwendungsbereich offen formuliert, so dass die Einbeziehung
sonstiger Ansprüche in das Kapitalanlegermusterverfahren, soweit sie einen Bezug zu
einer Kapitalmarktinformation aufweisen, nicht ausgeschlossen ist. So heißt es in
der Begründung zum Gesetzesentwurf (BT-Drucks. 17/8799 vom 29.2.2012, S. 16: „Somit
können zukünftig auch Klagen, die auf einen vertraglichen Anspruch, etwa wegen
fehlerhafter Anlageberatung oder -vermittlung, oder einen Anspruch aus § 241 Absatz
2, § 311 Absatz 2 und 3 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) gestützt werden, musterverfahrensfähig
sein. Erfasst werden insbesondere die Fälle der sogenannten uneigentlichen Prospekthaftung
(oder Prospekthaftung im weiteren Sinn), in denen sich die Haftung aus der Verwendung
eines fehlerhaften Prospektes im Zusammenhang mit einer Beratung oder einer Vermittlung
ergibt. Klagen aufgrund von Prospekthaftung im engeren und im weiteren Sinn - gegen
Emittenten, Anbieter oder Zielgesellschaften einerseits und gegen Anlageberater und
-vermittler anderseits - können also künftig in einem Musterverfahren zusammengefasst
werden.“ Durch die Verwendung der Wörter „etwa“ und „insbesondere“ kommt die Offenheit
des Anwendungsbereichs zum Ausdruck (LG Frankfurt a.M., Beschluss vom 27.9.2013, 2-12
O 412/12).
Auch das OLG Frankfurt a.M. vertritt die Auffassung, dass vertragliche Ansprüche
in
einem weit zu verstehenden Sinne einschließlich Ansprüchen aufgrund der Verletzung
vorvertraglicher Pflichten und Nebenpflichten einem Musterverfahren nach dem KapMuG
zugänglich sind (OLG Frankfurt a.M., Beschluss vom 17.1.2014, 23 W 102/13). Dieser
Ansicht schließt sich die Kammer an.
3) Die Kammer hat von einer Veröffentlichung des Musterverfahrensantrags nach
§ 3 Abs.
2, Abs. 4 KapMuG abgesehen, da die Voraussetzungen für eine Vorlage an das Oberlandesgericht
Frankfurt am Main nach § 6 Abs. 1 S. 1 KapMuG bereits vorliegen. Es liegen 10 gleichgerichtete
Musterverfahrensanträge vor:
2-21 O 166/12
2-21 O 176/12
2-21 O 177/12
2-21 O 178/12
2-21 O 285/12
2-21 O 288/12
2-21 O 289/12
2-21 O 291/12
2-21 O 293/12
2-21 O 294/12
4) Die Zurückweisung des 1. Musterfeststellungsantrags steht dem Erlass eines
Vorlagebeschlusses
aufgrund des 1. und 2. Musterfeststellungsantrags nicht entgegen.
Die Kammer hatte den 1. Musterfeststellungsantrag zurückgewiesen, weil sie der
Auffassung
war, etwaige Ansprüche der Kläger seien verjährt. Ein nichtverjährter Anspruch komme
allenfalls in Betracht, wenn persönliches Vertrauen der Kläger in Anspruch genommen
worden wäre, was die Kläger nicht aufgezeigt haben. Die Klage sei abzuweisen, ohne
dass es auf die Feststellungsziele ankomme. Nachdem die Kläger den Musterfeststellungsantrag
dahingehend erweitert haben, dass ein etwaiger nichtverjährter Anspruch kein persönliches
Vertrauen der Kläger voraussetze (Ziff. 17 des Musterfeststellungsantrags), hat die
Kammer ihre Ansicht einer erneuten Prüfung unterzogen.
Der 2. Musterfeststellungsantrag ist nicht rechtsmissbräuchlich. Nach der Zurückweisung
eines Musterverfahrensantrags kann dem Antragsteller zwar grundsätzlich das Rechtsschutzbedürfnis
für eine weitere Entscheidung über einen gleichgerichteten Antrag fehlen, wenn er
sich auf denselben Vortrag stützt (vgl. BGH, NJW 2004, 1805, 1807). Vorliegend haben
die Kläger aber weiter zu den Gründen vorgetragen, die für die Zurückweisung des 1.
Antrags maßgeblich waren (insbes. zur Erforderlichkeit persönlichen Vertrauens). Sie
haben ihren Antrag durch Ziff. 17 - der sich auf die Erforderlichkeit persönlichen
Vertrauens bezieht - erweitert. Sie haben Entwicklungen in der Rechtsprechung zur
Auslegung des KapMuG n.F. aufgezeigt (vgl. OLG Frankfurt a.M., Beschluss vom 17.1.2014,
23 W 102/13). Dadurch haben sie ihren Antrag auf eine neue Grundlage gestellt.
Der zurückweisende Beschluss erwächst nicht in materieller Rechtskraft. Beschlüsse
sind der materiellen Rechtskraft nur dann fähig, wenn sie in formeller Rechtskraft
erwachsen und inhaltlich eine der Rechtskraft fähige Entscheidung enthalten (BGH,
NJW 2004, 1805, 1806). Dies ist dann der Fall, wenn der Beschluss der endgültigen
Befriedung eines kontradiktorischen Parteienstreits dient, der über denselben Streitgegenstand
nicht wiederholt werden soll (vgl. BGH aaO).
Der einen Musterfeststellungsantrag zurückweisende Beschluss erfüllt diese Voraussetzungen
nicht (OLG München, Beschluss vom 4.5.2007 zu Az. W (KAPMU) 5/07 zum KapMuG a.F.).
Der Beschluss hat keine über das Verfahren hinausgehende Bedeutung und dient insbesondere
nicht der Befriedung eines kontradiktorischen Parteienstreits. Durch den Beschluss
wird lediglich über die Verfahrensfrage entschieden, ob die antragstellende Partei
ihr Begehren vollumfänglich im Individualprozess verfolgen muss oder ob ihr Zugang
zu einem Kollektivverfahren gewährt wird, in dem sodann die zum Gegenstand des Musterfeststellungsantrags
gemachten Fragen, von denen der Ausgang des Individualprozesses abhängt, geklärt werden
sollen.
Es kann auch nicht festgestellt werden, dass die Kläger das KapMuG-Verfahren missbrauchen
oder dass der Antrag der Prozessverschleppung dient (§ 3 Abs. 1 Nr. 4 KapMuG). Soweit
die Beklagte darauf verweist, dass weitere Anspruchsteller das Verfahren nutzen könnten,
um die Verjährung zu hemmen, lässt dies keinen Rückschluss auf rechtsmissbräuchliches
Verhalten zu. Der Umstand, dass von einer vom Gesetzgeber geschaffenen Möglichkeit
Gebrauch gemacht wird, lässt für sich alleine gesehen keinen Rückschluss auf rechtsmissbräuchliches
Handeln zu; darüber hinausgehend hat die Beklagte keine greifbaren Umstände aufgezeigt,
die auf ein rechtsmissbräuchliches Verhalten schließen lassen. Der Einwand der Beklagten,
die Durchführung eines KapMuG-Verfahrens widerspreche der Förderung der Prozessökonomie,
weil etwaige Ansprüche ersichtlich verjährt seien, greift nicht, weil es gerade Ziel
der Kläger ist, auch diese Frage klären zu lassen (vgl. LG Frankfurt a.M., Beschluss
vom 27.9.2013, 2-12 O 412/12). Auf eine Verschleppungsabsicht könnten die Befangenheitsanträge
der Klägervertreter hindeuten, die ohne Erfolg blieben, und die Versäumnisurteile
in Verfahren anderer Kammern, doch sind diese Umstände rechtlich getrennt von dem
Musterverfahrensantrag zu bewerten.
5) Der Musterverfahrensantrag ist zulässig, denn die Entscheidung des zugrunde
liegenden
Rechtsstreits hängt von den geltend gemachten Feststellungszielen ab (§ 3 Abs. 1 Ziff.
1 KapMuG).
Hierfür genügt nach dem Willen des Gesetzgebers eine „hinreichende Wahrscheinlichkeit“
dafür, dass die Entscheidung von den im Musterverfahren zu treffenden Feststellungen
abhängt (BT-Drucks. 17/8799 vom 29.2.2012, S. 20; OLG Frankfurt a.M., Beschluss vom
17.1.2014, 23 W 102/13). Ein zu eng gefasster Begriff der Schlüssigkeit würde den
Besonderheiten eines Verfahrens nach dem KapMuG nicht gerecht (OLG Frankfurt a.M.,
Beschluss vom 3.2.2014, 23 W 6/14).
Nicht erforderlich ist es, dass die Entscheidung nach Klärung sämtlicher übrigen
Anspruchsvoraussetzungen
und Rechtsfragen nur noch von den Feststellungszielen abhängt. Insoweit ist Entscheidungsreife
keine Voraussetzung für die Vorlage. Vor diesem Hintergrund kommt es auch nicht darauf
an, ob die Kläger zum heutigen Zeitpunkt tatsächlich Anspruchsinhaber sind. Es genügt
die Behauptung, Inhaber entsprechender Fondsanteile zu sein; auf die Vorlage eines
aktuellen Belegs kommt es nicht an (LG Frankfurt a.M., Beschluss vom 27.9.2013, 2-12
O 412/12; OLG Frankfurt a.M., Beschluss vom 17.1.2014, 23 W 102/13).
Ebenso wenig ist im Vorlageverfahren zu prüfen, ob die Kapitalmarktinformation
im
Einzelfall ursächlich für den eingetretenen Schaden war (LG Frankfurt a.M., Beschluss
vom 27.9.2013, 2-12 O 412/12).
6) Hinsichtlich der einzelnen Feststellungsziele gilt:
Ziff. 1.1, 2.1, 3.1, 4.1 und 5.1 des Musterverfahrensantrags waren zurückzuweisen.
Sie sind zu unbestimmt und zudem teilweise von Ziff. 1.2, 2.2, 3.2, 4.2 und 5.2 mitumfasst.
Gegenstand dieser Anträge sind keine konkreten Rechtsfragen. Vielmehr zielen sie darauf
ab, den Verkaufsprospekt in seiner Gesamtheit auf Richtigkeit und Vollständigkeit
überprüfen zu lassen. Es ist jedoch nicht Sinn und Zweck eines KapMuG-Verfahrens,
einen Prospekt in seiner Gesamtheit zu prüfen und so ggf. auch nicht gerügte Prospektfehler
zu ermitteln. Ein KapMuG-Verfahren eröffnet lediglich die Möglichkeit, für konkret
gerügte Prospektfehler eine einheitliche Klärung zur Vermeidung divergierender Instanzentscheidungen
herbeizuführen.
Ziff. 1.2, 2.2, 3.2, 4.2 und 5.2 betreffen die Frage, ob der Verkaufsprospekt zum
streitgegenständlichen Fonds unrichtig ist. Dieses Feststellungsziel ist mit hinreichender
Wahrscheinlichkeit entscheidungserheblich. Denn wenn der Prospekt fehlerhaft ist,
könnte ein Anspruch der Kläger gegen die Beklagte in Betracht kommen.
Die Kläger können ein Musterverfahren in Bezug auf alle fünf Prospektversionen
einleiten,
ohne dass es darauf ankommt, welche Prospektversion im Fall des jeweiligen Klägers
ggf. von dem beratenden Dritten verwendet worden ist. Nach der Rechtsprechung des
BGH kann der Inhalt eines Prospekts ggf. über einen Anlageberater an den Kunden weitergegeben
werden. Es kann für eine Haftung genügen, wenn der Prospekt von den Anlagevermittlern
als Arbeitsgrundlage verwendet wird, ohne dass es auf die Prospektübergabe ankommt
(BGH, Urteil vom 3.12.2007, II ZR 21/06, Rn. 17; Palandt/Grüneberg, 72. Aufl., § 311
Rn. 70). Sollen Anleger bestimmungsgemäß auf der Grundlage des Prospekts geworben
werden, kann der Prospektinhalt in das einzelne Werbegespräch einfließen. Die Kläger
haben keinen umfassenden Einblick in die Betriebsabläufe auf Seiten des nach ihrem
Vortrag beratenden Dritten und die von diesem ggf. als Arbeitsgrundlage verwendeten
Prospektversion(en). Dies gilt jedenfalls in Bezug auf Prospektversionen, die vor
der behaupteten Beratung erstellt worden sind. Darüber hinaus können die Kläger aus
dem weiteren Grunde in Bezug auf alle fünf Prospektversionen ein Musterverfahren einleiten,
weil der Antrag auch darauf gerichtet ist, ob die Beklagte eine nachvertragliche Informationspflicht
hatte. Unter Bezug auf welche der gleichlautenden Prospektversionen die Beklagte ihrer
nachvertraglichen Informationspflicht - eine Verpflichtung unterstellt - ggf. nachkam,
lag im Ermessen der Beklagten. Darüber hinaus haben die Kläger aufgezeigt, dass alle
fünf Prospektversionen gleichlautend sind. Damit haben die Kläger zugleich ein hinreichendes
Interesse an der Überprüfung aller fünf Prospektversionen im Rahmen des Musterverfahrens
aufgezeigt, weil nur so alle in Betracht kommenden Sachverhaltsvarianten (Verwendung
einer bestimmten Prospektversion als Arbeitsgrundlage des Dritten oder im Rahmen einer
etwaigen nachvertraglichen Aufklärung durch die Beklagte) erfasst werden. Würde man
annehmen, dass die Kläger das KapMuG-Verfahren nicht hinsichtlich aller fünf gleichlautenden
Prospektversionen einleiten könnten, bestünde zudem die Gefahr, dass die Gerichte
in Bezug auf andere Kläger trotz gleichartiger Prospektformulierungen zu abweichenden
Ergebnissen gelangen. Dies stünde nicht mit dem Zweck des KapMuG in Einklang, welches
der Gefahr sich widersprechender Entscheidungen vorbeugen soll.
Ziff. 7, 8, 10 und 14 betreffen die Frage, welche Anspruchsgrundlage ggf. einschlägig
ist. Nach der Rechtsprechung auch des OLG Frankfurt a.M. kann eine Aussetzung insbesondere
dann geboten sein, wenn in einem Musterverfahren zu klären ist, welche Anspruchsgrundlagen
anwendbar sind (OLG Frankfurt a.M., Beschluss vom 17.1.2014, 23 W 102/13). Die gleichen
Grundsätze müssen für das Musterverfahren selbst gelten. Durch den Musterverfahrensantrag
kann nach § 2 KapMuG die Feststellung des Vorliegens oder Nichtvorliegens anspruchsbegründender
oder anspruchsausschließender Voraussetzungen oder die Klärung von Rechtsfragen (Feststellungsziele)
begehrt werden. Damit können abstrakte Rechtsfragen wie das Bestehen einer in Betracht
kommenden Anspruchsgrundlage grundsätzlich Gegenstand des KapMuG-Verfahrens sein.
Es steht nicht fest, dass die Forderung der Kläger nicht von diesem Feststellungsziel
abhängen (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 KapMuG).
Auch das Feststellungsziel zu Ziff. 6 ist zulässig, mit dem nach dem Bestehen eines
Investmentvertrages gefragt wird. Dies steht zwischen den Parteien zwar nicht im Streit.
Auch ist hinreichend geklärt, dass ein Investmentvertrag die Beklagte zu einer sorgfältigen
treuhänderischen Verwaltung des Fondssondervermögens verpflichtet (§ 9 Abs. 1 InvG).
Dessen ungeachtet ist die Kammer der Ansicht, dass der Antrag auch insoweit zulässig
ist. Die Kammer sieht die Fragen Ziff. 6, 7, 8, 10 und 14 in Zusammenhang mit den
Feststellungszielen Ziff. 9 und 17. Im Kern begehren die Kläger die Feststellung,
ob eine Anspruchsgrundlage besteht, die zu einem nichtverjährten Anspruch führen kann.
Diese Frage kann Gegenstand eines KapMuG-Verfahrens sein, wobei sich diese Frage auf
die Feststellungsziele zu Ziff. 6, 7, 8, 9, 10, 14 und 17 verteilt. Ziff. 6 betrifft
eines der möglichen Tatbestandsmerkmale einer etwaigen Anspruchsgrundlage.
Ziff. 9 betrifft die Frage der Verjährung. Da sich die Beklagte auf die Einrede
der
Verjährung berufen hat, ist ggf. zu prüfen, ob etwaige Ansprüche der Kläger verjährt
sind. Dies rechtfertigt die Zulassung des 9. Feststellungsziels (vgl. LG Frankfurt
a.M., Beschluss vom 27.9.2013, 2-12 O 412/12).
Ziff. 11 betrifft die Frage, ob die gesetzliche Verschuldensvermutung auch im konkreten
Fall zu Lasten der Beklagten gilt. Von der Frage, ob die Kläger ein Verschulden der
Beklagten nachweisen müssen oder ob sich die Beklagte hiervon entlasten muss, hängt
ihr Anspruch ggf. ab (vgl. LG Frankfurt a.M., Beschluss vom 27.9.2013, 2-12 O 412/12).
Ziff. 12: Wenn eine Pflichtverletzung feststeht, hängt die Entscheidung auch davon
ab, welches Beweismaß an die Feststellung der Kausalität für etwaige Pflichtverletzungen
der Beklagten gilt. Diese Frage soll mit dem 12. Feststellungsziel geklärt werden
(vgl. LG Frankfurt a.M., Beschluss vom 27.9.2013, 2-12 O 412/12).
Ziff. 13 fragt nach einer vorvertraglichen Pflicht oder einer vertraglichen Nebenpflicht
zur Aufklärung über Zuwendungen. Insoweit geht die Frage über diejenige Frage nach
einem Prospektfehler in Zusammenhang mit Zuwendungen hinaus, so dass das Feststellungsziel
zulässig ist.
Ziff. 15 und 16 fragen im Kern danach, ob die Verwendung der unrichtigen Verkaufsprospekte
zu einer deliktischen Haftung der Beklagten nach §§ 823 Abs. 2 BGB, § 264a StGB führen
kann. Auch diese Feststellungsziele sind im Rahmen eines Musterverfahrens überprüfbar
(vgl. LG Frankfurt a.M., Beschluss vom 27.9.2013, 2-12 O 412/12, Ziff. 11 und 12 des
Beschlusstenors).
Ziff. 17 betrifft die Frage, ob ein Anspruch ggf. nur dann in Betracht kommt, wenn
das persönliche Vertrauen der Kläger in Anspruch genommen wurde. Nach herkömmlichem
Verständnis verjährt ein Anspruch nach § 127 Abs. 1 InvG a.F. gemäß § 127 Abs. 5 InvG
a.F. spätestens drei Jahre nach dem Abschluss des Kaufvertrages. Auf Ansprüche nach
§ 127 InvG a.F., die vor dem 1. Juli 2011 entstanden sind, ist § 127 Absatz 5 InvG
in der bis zum 30. Juni 2011 geltenden Fassung weiter anzuwenden (§ 148 InvG n.F.).
Ein Schadensersatzanspruch aus bürgerlich-rechtlicher Prospekthaftung bzw. Prospekthaftung
im engeren Sinne (§§ 280 Abs. 1, 311 Abs. 3 Satz 1 BGB) knüpft nach herrschender Ansicht
an ein typisiertes Vertrauen des Anlegers in die Richtigkeit und Vollständigkeit des
Prospekts (vgl. Palandt/Grüneberg, BGB, 72. Aufl 2013, § 311 Rn. 67). Ein etwaiger
Anspruch aus Prospekthaftung im engeren Sinne wäre demnach verjährt. Denn auch insoweit
liegt die Verjährungsfrist bei höchstens 3 Jahren (vgl. Palandt/Grüneberg, BGB, 72.
Aufl 2013, § 311 Rn. 72). Ein Anspruch aus Prospekthaftung im weiteren Sinne aus §
311 Abs. 2 und 3 BGB setzt nach herkömmlichem Verständnis voraus, dass bei Vertragsverhandlungen
gegenüber einem Anleger persönliches Vertrauen in Anspruch genommen wird (vgl. Palandt/Grüneberg,
BGB, 72. Aufl 2013, § 311 Rn. 71). Zu einem etwaig durch die Beklagte geschaffenen
Vertrauenstatbestand haben die Kläger nicht substantiiert vorgetragen. Vor diesem
Hintergrund kann der Frage, ob die Inanspruchnahme persönlichen Vertrauens Voraussetzung
einer Haftung der Beklagten ist, entscheidungserhebliche Bedeutung zukommen, so dass
das Feststellungsziel zu Ziff. 17 ebenfalls zulässig ist.
In diesem Zusammenhang kommt es nicht darauf an, ob die zu klärenden Rechtsfragen
von grundsätzlicher Bedeutung sind, was die Beklagte bestreitet. Denn der Gesetzgeber
hat bewusst davon abgesehen, die Zulässigkeit der Klärung einer Rechtsfrage im Musterverfahren
davon abhängig zu machen, dass sie grundsätzliche Bedeutung hat (BT-Drucks. 17/8799
vom 29.2.2012, S. 18). Dies bedeutet, dass auch bereits von der Rechtsprechung geklärte
oder geklärt erscheinende Fragen Gegenstand eines Musterverfahrens sein können. Unerheblich
ist in diesem Zusammenhang wie die Kammer selbst diese Rechtsfragen beantworten würde.
Es ist zumindest nicht offensichtlich ausgeschlossen, dass die Rechtsprechung die
Grundsätze zur Haftung des Treuhandkommanditisten bei geschlossenen Immobilienfonds
auf die Haftung der Beklagten als Verwalterin eines Sondervermögens in Form eines
offenen Immobilienfonds übertragen könnte, was zu einer Haftung ohne Inanspruchnahme
persönlichen Vertrauens führen könnte. Die Beklagte hat keine neuere BGH-Rechtsprechung
aufgezeigt, die dies explizit verneint.
Die Feststellungsziele Ziff. 6 bis 17 waren nicht nur hilfsweise für den Fall zuzulassen,
dass ein Prospektfehler festgestellt wird. Der Gesetzgeber hat klargestellt, dass
ein Musterfeststellungsantrag auch dann zulässig sein kann, wenn lediglich eine Rechtsfrage
in Zusammenhang mit einer Kapitalmarktinformation gestellt wird (BT-Drucks. 17/8799
vom 29.2.2012, S. 18). Vor diesem Hintergrund würden Ziff. 6 bis 17, die Rechtsfragen
in Zusammenhang mit einer Kapitalmarktinformation zum Gegenstand haben, bereits für
sich alleine genügen, um ein Musterverfahren zuzulassen. Wenn dies aber der Fall ist,
sind Ziff. 6 bis 17 nicht lediglich hilfsweise zuzulassen. Ebenso wenig waren umgekehrt
Ziff. 1 bis 5 nicht nur hilfsweise für den Fall zuzulassen, dass eine Anspruchsgrundlage
besteht, die zu einer nicht verjährten Forderung der Kläger führen kann.
Ein Hinweis der Kammer, dass eine Änderung der Auffassung in Betracht kommt, war
nicht
erforderlich. Denn die Beklagte wurde durch Hinweisbeschluss der 12. Zivilkammer vom
31.1.2014 auf eine mögliche Änderung der Auffassung der 12. Zivilkammer hingewiesen.
Hierzu hat die Beklagte auch in den Verfahren vor der 21. Zivilkammer Stellung genommen.
Die Sachlage ist insoweit gleich.
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