Aktuelle aufsichtliche Prioritäten und Herausforderungen sowie Zukunftsperspektiven für die Regulierung der Versicherungsbranche standen kürzlich im Zentrum zweier Reden von Dr. Frank Grund, Exekutivdirektor der BaFin-Versicherungsaufsicht.
Die Auswirkungen aktueller wirtschaftlicher und geopolitischer Entwicklungen auf die Versicherer thematisierte Grund beim „Zukunftsforum Assekuranz“ am 19. September in Köln. So stiegen laut Grund durch die hohe Inflation die Schadenaufwendungen signifikant, was zu höheren versicherungstechnischen Rückstellungen führe. Gegebenenfalls seinen daher Nachreservierungen vorzunehmen. Grund unterstrich, dass Versicherer die Schadenentwicklung auch im Hinblick auf künftige Schadenerwartungen bei ihrer Tarifierung berücksichtigen müssten. „Es ist daher im Grunde zwingend, dass die gestiegene Inflation höhere Beiträge in der Schaden-/Unfallversicherung nach sich zieht“, betonte Grund.
Mit Blick auf das wieder steigende Zinsniveau merkte der Exekutivdirektor an, dass dies die Ertragskraft der Versicherer stärken könne. Gleichzeitig steige jedoch die Gefahr stiller Lasten durch fallende Kurse festverzinslicher Wertpapiere. Zudem, so Grund, rücke das Thema Storno durch die anziehenden Zinsen in den Fokus, vor allem im Lebensversicherungsgeschäft, da alternative Anlageformen wieder attraktiver würden.
Angesichts der hohen Inflation, der Zinswende und der aktuellen geopolitischen Risiken unterstrich Grund, dass es jetzt auf umsichtiges Handeln ankomme. „Wir brauchen in den Unternehmen ausreichende Puffer bei Kapital und Liquidität. Versicherer müssen in den kommenden Monaten auch stärkeren Stürmen standhalten können“, forderte der Exekutivdirektor.
Auch angesichts der hohen Unsicherheit warnte Grund davor, im Zuge des derzeit laufenden Solvency-II-Reviews die Kapitalanforderungen für die Unternehmen zu senken. Entsprechenden politischen Druck gebe es in Europa. „Der Solvency-II-Review darf das Regelwerk nicht verwässern“, unterstrich der Exekutivdirektor. Risiken müssten im Solvenzsystem angemessen reflektiert werden.
Die Lebensversicherer ermahnte Grund, den Kundennutzen ihrer Produkte nicht aus den Augen zu verlieren: „Nutzen schafft, wer die Kosten auf einem angemessenen Niveau hält.“ Die BaFin führe zwar keine Preiskontrollen durch, schaue sich aber sehr genau an, ob die Versicherer den angemessenen Kundennutzen nachvollziehbar geprüft haben. Des Weiteren rief Grund die Unternehmen auf, Nachhaltigkeitsrisiken konsequent in ihre Risikomanagementsysteme zu integrieren und ihre digitale Resilienz zu stärken.
Beim Versicherungstag des Gesamtverbands der Versicherer (GDV) am 22. September in Berlin skizzierte Grund vier Thesen zur Frage, wie es längerfristig mit der Regulierung weitergeht. So werde Regulierung aus anderen Sektoren relevanter werden für die Versicherungsbranche. Verbraucherschutz, führte Grund aus, werde an Bedeutung gewinnen. Außerdem dürfte der „Protection Gap“, also die Lücke zwischen wesentlichen Risiken und den tatsächlich versicherten Risiken, in der Regulierung mehr Raum einnehmen. Und schließlich sei auch in puncto Daten mit weiterer Regulierung zu rechnen, erklärte der Exekutivdirektor. Er betonte, dass die BaFin die Entwicklung der Regulierung sehr aktiv und mit großem Engagement begleiten werde, und appellierte an die Teilnehmer: „Tun Sie es auch.“
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